Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages sind eigentlich eine der wenigen Institutionen des hiesigen parlamentarischen Systems, welche eine von politischen Einflüssen einigermaßen unabhängige Arbeit verrichten. Gestern (Siehe unten) verlinkte ich zwei dieser Gutachten zur Frage, ob die „2G“- bzw. „3G“-Regelungen verfassungsgemäß seien. Nun habe ich nicht wirklich erwartet, dass die Mitarbeiter des WD weniger gehirngewaschen seien als der große Rest der Bevölkerung. In diesen Gutachten findet man nur ganz zarte Zweifel, vor allem im Hinblick auf die Erforderlichkeit; also das Vorliegen „milderer Mittel„, die man jedoch überwiegend im Sinne der Exekutive auslegt. Dass man bei der juristischen Prüfung die Menschenwürde gem. Artikel 1 (1) S. 1 GG allerdings komplett außer Acht ließ, hat mich dann doch ein wenig schockiert.
Ich habe in diversen Beiträgen über meine Zeit als Anwärter in der rheinland-pfälzischen Finanzverwaltung mehrfach beklagt, dass das Fach Staatsrecht nicht Teil der Laufbahnprüfung war, sondern mit der Klausur nach dem Grundstudium II.2 als abgeschlossen galt. In dieser mussten wir prinzipiell in genau der gleichen Weise wie der Wissenschaftliche Dienst, auf Basis gewisser, auch vom jeweiligen Grundrecht abhängigen, sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt habender Schemata, den Sachverhalt sowie die Rechtslage prüfen und entsprechend argumentieren. Also genau das, was 90 % meiner Mitstudierenden nicht konnten und auch nicht wollten; die froh waren, dass sie dann im Hauptstudium mit dem (mir das Genick endgültig gebrochen habenden) grauenvollen Fach „Besteuerung der Gesellschaften“ weitermachen durften.
Ich bin mir nicht sicher, welches Thema wir in dieser Abschlussklausur damals hatten, den Ordner mit den Klausuren habe ich leider auf die Schnelle nicht gefunden (bin mir aber sicher, dass ich ihn noch habe). Jedenfalls wurde die Menschenwürde – die bei steuerrechtlichen Themen allerdings auch eher selten tangiert wird – damals nicht geprüft.
Aber warum prüft der WD des Bundestages allen Ernstes die Verfassungsmäßigkeit zweier Apartheids-Modelle – und klammert hierbei von vornherein die Frage, ob diese überhaupt mit der Menschenwürde vereinbar sind, kategorisch aus? Und belässt es bei einer – auch nicht besonders tiefschürfenden, eher oberflächlichen – Prüfung der Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Artikel 2), das Gleichheitsgebot (Artikel 3), Religionsfreiheit (Artikel 4), Familie (Artikel 6) oder die Berufsfreiheit (Artikel 12)?
Über die sich in der Argumentation widerspiegelnden, quasi nicht vorhandenen Sachkenntnisse, z. B. über die Infektiosität von „Geimpften“, als auch in Sachen „Impfdurchbrüche“, möchte ich mich hier auch gar nicht erst auslassen. Diesen sicherlich äußerst kompetenten Juristen muss doch eigentlich das damals wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2006 zum damaligen „Luftsicherheitsgesetz“ geläufig sein? Jenes hatte ich schon lange Zeit, bevor Ralf Ludwig es entdeckte, hier im Blog thematisiert. Und es wundert mich bis zum heutigen Tage, dass der juristische Kampf gegen all diese „Maßnahmen“ in erster Linie – wegen des größten Angriffs auf die Menschenwürde seit Bestehen des Grundgesetzes – nicht auch genau dort ansetzt?
(…) Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch Dritte oder durch den Staat selbst (…). Ausgehend von der Vorstellung des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden (…), schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen (…). Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt (…), indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt (…).
Urteil 1 BvR 357/05 (Rn. 121) des Bundesverfassungsgerichts vom 15.02.2006.
Ich will mich hier auch nicht großartig wiederholen; das Bundesverfassungsgericht hatte damals ein umfangreiches Verobjektivierungsverbot bekräftigt; der Staat darf seine Bürger nicht wie Objekte behandeln – und auch nicht töten; er darf nicht Leben gegen Leben abwägen. Aber genau das macht er, indem er jedem Menschen, unter Bruch sämtlicher rechtsstaatlicher Grundsätze wie der Unschuldsvermutung und der Unzulässigkeit eines Generalverdachts, pauschal auf Basis seines „Seuchen-Grundgesetzes“ unterstellt, er sei ein Verbreiter einer tödlichen Krankheit. Und müsse deshalb vom gesellschaftlichen Leben de facto vollkommen ausgeschlossen und seinem Schicksal überlassen werden.
Warum schwurbeln die Juristen des WD dann seitenweise um den heißen Brei herum; indem sie sich bspw. hauptsächlich mit der Frage, ob die Verfassungsmäßigkeit von „2G“ jetzt vielleicht dann doch daran scheitern könne, dass man sich ja durchaus doch noch (als milderes Mittel) „testen“ lassen könne, wenn auch sehr bald auf eigene Kosten.
Allein, dass hier insb. der Artikel 1 (1) S. 1 GG gar nicht erst geprüft wurde, belegt, was hier in diesem Land vor allem juristisch vollkommen falsch läuft; wir haben es hier mit einer totalen Entmenschlichung, einem zunehmend ganz offen faschistische Züge annehmenden Justizapparat zu tun. Wenn selbst der Wissenschaftliche Dienst des Parlaments von sich aus noch nicht einmal auf die Idee kommt, dass von solch kranken, unbescholtene Bürger massiv diskriminierenden Regelungen zu allererst die Würde des Menschen verletzt sein könne.
Ich kann es nicht oft genug schreiben: Dieses System, dieses Land ist unheilbar krank. Lasst es sterben. Und schaut, dass ihr noch rechtzeitig die Kurve kratzt, ehe sie endgültig zum Halali blasen!
Siehe auch
- : WD 3 – 151/21 Verfassungsmäßigkeit von sogenannten 2G-Optionsmodellen am Beispiel der Hamburger Regelung, insbesondere mit Blick auf die Berufsfreiheit der Betreiber von Publikumseinrichtungen | Deutscher Bundestag.
- : WD 3 – 149/21 Verfassungsrechtliche Bewertung der Beschränkungen Ungeimpfter durch die sogenannten 3G- und 2G-Regeln | Deutscher Bundestag.
Das wichtige Wort hier lautet:
Es war einmal und ist nicht mehr
ein Grundgesetz, das wiegte schwer.
Viel schwerer als die Politik der Tage,
was ich beklage.
Dazu passt auch das aktuelle Video von Ralf Ludwig. Er sagt gegen Ende u. a. auch: