Coronoia: Star Trek

Am 4. November erschien beim Rubikon ein Beitrag von Anke Behrend mit dem Titel „Die drohende Assimilation“. In diesem gibt die Autorin die Inhalte der diversen Serien und Kinofilme aus dem Star-Trek-Universum zwar weitestgehend korrekt wieder und beschreibt auch die „persönlichen“ Merkmale bestimmter Charaktere im Großen und Ganzen in einer mehr oder weniger korrekten Weise, tut aber meines Erachtens zumindest Gene Roddenberry, der das „Franchise“ einstmals zum Leben erweckte, doch Unrecht, indem sie seinem Gesamtwerk (auf dessen teilweise Pervertierung er später keinen Einfluss mehr hatte) einen Hang zu einer unkritischen Verherrlichung der Durchtechnisierung sowie des Transhumanismus unterstellt.

Ich wollte schon seit längerer Zeit einen Beitrag zum Thema Star Trek schreiben, allerdings fehlte mir immer ein wenig der konkrete Aufhänger. Behrend gibt mir hier netterweise die Gelegenheit, dem von ihr gezogenen, eher düsteren Fazit doch ein wenig zu widersprechen. Die Crew um Jean-Luc Picard hatte auf meinen charakterlichen Reifeprozess wohl einen äußerst prägenden, positiven Einfluss; andernfalls wäre ich wohl nie so ein Spinner geworden, der sich tatsächlich eine Welt vorstellen kann, die so ganz anders funktioniert als jene unmenschliche Hölle, in der ich seit rund vier Jahrzehnten mein Dasein fristen muss.

„Star Trek – The Next Generation“ (TNG) ist (vielleicht neben „Knight Rider“) im Grunde die erste TV-Serie, an die ich mich, in meine Kindheit und Jugend zurückblickend, sehr gut erinnern kann. Sie spiegelt meiner Meinung nach vor allem auch inhaltlich das relativ kurze historische Zeitfenster wider, in welchem tatsächliche, optimistische Utopien über eine für alle Menschen bessere Zukunft verfasst wurden. Während vor allem nach der Jahrtausendwende auch im Bereich der Science Fiction, leider auch im Rahmen des Star-Trek-Franchises (Star Trek: Enterprise, Star Trek: Discovery, Star Trek: Picard) wieder vermehrt Dystopien die Oberhand gewannen.

TNG, im 24. Jahrhundert angesiedelt, zeichnet das Bild einer Menschheit, die nahezu alle materiellen, sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Probleme überwunden hat. Die Erde ist inzwischen Teil einer intergalaktischen Föderation, in welcher die Erforschung, das Entdecken bislang unbekannter Lebensformen und Zivilisationen im Vordergrund steht. Natürlich baut dieser Wohlstand auch auf technischen Mitteln auf; wie z. B. die Technik der Replikation, also der quasi unbegrenzten Nahrungsmittelerzeugung aus umgewandelter Materie und Energie. Die Menschen sind nicht mehr abhängig von einer Lohnarbeit, haben sich vom Geld befreit; sie können sich aus freien Stücken heraus ein Betätigungsfeld suchen, um die Gesellschaft selbst voranzubringen. Die Technik wurde – im Gegensatz zu heute – genutzt, um die Menschen zu befreien; und nicht, um sie zu kontrollieren und zu unterdrücken.

Was im Artikel von Behrend leider auch fehlt, ist auch ein Verweis auf ein tragendes Element innerhalb der Welt Gene Roddenberrys: Dem Verbot von Gentechnik; vor allem beim Menschen selbst. Wir erinnern uns vielleicht an den ersten Kinofilm mit der Crew um Captain James T. Kirk? Und dessen Erzfeind, Khan? Einem genetisch manipulierten Übermenschen, der die eugenischen Kriege überlebte und mit einer Gruppe seiner Mitstreiter flüchtete. Diese Kriege waren eine äußerst blutige Episode der Menschheit, die Roddenberry in den 1990er Jahren angesetzt hatte und die auch in der (von mir allerdings nicht wirklich intensiv verfolgten) Serie „Star Trek: Enterprise“ thematisiert wurde. Erleben wir heute den Anfang von etwas Vergleichbarem? Wenn sich gar die Mehrheit aufgrund gentechnikbasierter „Impfungen“ für eine dem „ungeimpften“ Rest überlegene Gruppe von Übermenschen hält?

Man kann Roddenberry, als auch den anderen Autoren meines Erachtens auch nicht allgemein vorwerfen, dass sie das Konzept des Transhumanismus in irgendeiner positiven Weise (wie das z. B. in „Upload“ der Fall ist) dargestellt hätten. Die Borg, die vor allem in TNG und VOY (Star Trek: Voyager) eine wesentliche Rolle spielen, sind gar die Versinnbildlichung einer eindringlichen Warnung davor, biologisches Leben mit einem Übermaß an Technik zu „verschmelzen“. Die Borg, die eigentlich im Delta-Quadranten heimisch sind, „assimilieren“ ihre zukünftigen Drohnen bezeichnenderweise durch die Injektion von Nano-Bots, die den Körper auf die technische „Optimierung“ vorbereiten. So erging es auch Jean-Luc Picard höchstpersönlich; als die Borg ihn entführten und vorübergehend in einen der Ihren, „Locutus von Borg“, verwandelten. Damals stand die Föderation, auch durch seine persönliche Mithilfe, am Rande ihrer Vernichtung.

Im achten Kinofilm „Star Trek: Der erste Kontakt“ versuchen die Borg erneut, dieses Mal durch einen Zeitsprung, die Menschheit zu versklaven. Sie reißen vor allem bei Picard, indem sie einen Teil seiner Besatzung der neuen Enterprise E assimilieren, diese alten Wunden wieder auf. Es ist Lily Sloane, eine Assistentin Zefram Cochranes, die den ansonsten weise agierenden Captain wieder von seinem irrationalen, blinden Rachefeldzug abhält; indem sie ihn an das Schicksal von Kapitän Ahab erinnert, der bei seiner Jagd nach Moby Dick dem Wahnsinn verfiel. Cochrane, ein versoffener Ingenieur, schraubte im Jahre 2063 aus den Überresten, welche den immer noch eugenisch motivierten dritten Weltkrieg überstanden hatten, eine Rakete zusammen, mit der ihm letzten Endes der erste Warpflug gelingt. Welcher zum Erstkontakt mit den Vulkaniern führte – welchen die Borg wiederum verhindern wollten.

Die Borg, deren das Kollektiv steuerndes Element zum ersten Mal in Gestalt einer Königin offenbart wird, hatten zur Durchsetzung ihrer Pläne in diesem Falle ein anderes Crewmitglied Picards auserkoren: Commander Data. Dieser ist als hochentwickelter Android in der durchtechnisierten Welt von Star Trek trotzdem eine Ausnahmeerscheinung geblieben, da man sich auch der Gefahren der künstlichen Intelligenz mehr als bewusst war. Letzten Endes widersteht Data, trotz Aktivierung seines Emotionschips, den Versuchungen der Borg-Königin, ihn zur Entschlüsselung des Bordcomputers zu bewegen. Hierfür implantierte sie ihm, der im Grunde immer danach strebte, menschlich(er) zu werden, unter anderem ein Stück menschlicher Haut; also quasi eine Verführung durch eine umgekehrte Form des Transhumanismus. Die Schattenseiten einer hochentwickelten, allerdings „unmoralisch“ agierenden künstlichen Intelligenz wurden vor allem durch seine beiden „Brüder“ Lore und B4 dargestellt.

Die Kritik Behrends am Charakter von Seven of Nine wirkt in dieser Hinsicht auch ein wenig deplatziert; vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Anika Hansen bereits als Kind assimiliert wurde. Die verbliebenen Implantate und ihr unterkühlt wirkendes Handeln zeugen m. E. eher davon, dass der Mensch sich auch dann einen Rest an Menschlichkeit bewahrt, wenn man seine Persönlichkeit über viele Jahre in einem transhumanistischen (Cy)Borg-Kollektiv unterdrückt bzw. ausradiert.

Eine Stärke von Star Trek war auch stets vor allem das Aufgreifen philosophischer, vor allem auch in Zukunft relevanter Themen und Fragestellungen. So werden in der TNG-Episode „Wem gehört Data?“ einige sehr interessante, auch rechtliche Fragestellungen aufgeworfen, inwieweit eine künstliche Lebensform, wie ein hochentwickelter Android, eine Persönlichkeit besitzen kann? Und ob jemand wie Data auf ein Objekt reduziert werden, welches im Eigentum eines anderen stehen kann? Ein Wink mit dem Zaunpfahl hinsichtlich der Eigentumsansprüche von Konzernen auf genetisch veränderte oder auch transhumanistisch optimierte Menschen?

Auch der letzte Film der Kino-Reihe mit der TNG-Crew „Star Trek: Nemesis“ ist in meinen Augen ebenfalls ein klares Plädoyer gegen die Anwendung von Gentechnik, insbesondere in Form des Klonens. So ist es doch ein vom romulanischen Geheimdienst erschaffener, jüngerer Klon Picards (Shinzon), dessen Rachefeldzug in der Zerstörung der Erde gipfeln sollte. Es ist am Ende Data, der Android, der sich für seine Crew und die Menschen auf der Erde opfert.

Ich persönlich sehe, im Gegensatz zu Behrend, in Star Trek also gerade keine wie auch immer geartete Form von Propaganda für Übertechnisierung, Gentechnik oder gar einen Transhumanismus im Sinne des WEF. Ganz im Gegenteil; in Star Trek wurde stets vor den Gefahren gewarnt, die sich aus der Verschmelzung biologischer und technologischer Elemente ergeben. Zumal die Gentechnik selbst (Siehe vor allem auch die primäre Assimiliationsmethode der Borg: Nanotechnik) eine absolute Grundvoraussetzung dafür ist, die menschliche Biologie (die ansonsten mit Abstoßung reagieren würde) an technische Elemente (wie z. B. kybernetische Implantate oder Prothesen) „anzupassen“.

2 Gedanken zu „Coronoia: Star Trek“

  1. Gerade die „oberste Direktive“ in Star Trek verdeutlicht, dass Roddenberry eher eine Utopie, als eine Dystopie gemalt hat. Die Föderration sollte und durfte sich nicht in die Entwicklung fremder Völker einmischen. Ein klares Plädoyer übrigens gegen völkerrechtswidrige Angriffe.

    In den alten Star Trek – Folgen (Classic, TNG, DS9, Voyager) werden Unmengen an existenziellen und philosophischen Fragen aufgeworfen. „Picard“ und „Star Trek: Discovery“ können hier nicht mal ansatzweise mithalten.

    Ich habe übrigens immer die „Borg“ und nicht die „Föderation“ für die USA gehalten. Da sie kulturell alles assimilieren. 😉

  2. Morning Dennis

    Live long and Prosper !
    Danke für die Richtigstellung und Deine Sicht auf ds Star Trek Universum.

    Als die Menschen es geschafft haben mit Warp eine Runde durch das kalte All zu steuern,
    kommt die logisch/ ethische Komponente in Form der Vulkanier, als die personifizierte
    unterkühlt, verstandestechnisch gesteuerte Wesenheit, um der damals am Boden liegenden Menschheit die Hand zu reichen. Die Saufnase Cochrane symbolisiert dabei, sehr eindeutig den
    Gegenentwurf eines „Role Models“ und repräsentativen Vertreter der menschlichen Spezies.
    Was ein Sprung in der gesellschschaftlichen Entwicklung zur Besatzung der Enterprise D.

    Jean Luc Picard war immer mein Held mit seiner besonnenen und eben mit vielen philosophischen Ansätzen durchsetzten Art. Genau einer der wichtigsten Folgen in diesem Bezug, war die oben erwähnte mit Data: was ist eine Seele und wie definiert sich ein selbstständig denkendes Wesen?
    Auf der Grundlage des ewig in der Philosophie zirkulierenden Satzes: „Ich denke also bin ich“
    Diese Folge gibt einem eine richtig schwere Denkaufgabe auf den Weg.
    Da soll erst mal eine andere Serie versuchen, dem auch nur im Ansatz das Wasser zu reichen.

    Einer der Sätze Picards wird mir nie aus dem Kopf gehen, gerade im Bezug auf die aktuelle Situation, in der gesunde Menschen mit fadenscheinigen Argumenten weltweit weggesperrt werden, ohne jegliche nachvollziehbare Grundlage:
    Picard Says: “Imprisonment is an injury, regardless of how you justify it.”
    A word of wisdom – A word to the wise.

    Kann dem Mann fast durchgehend in all den Folgen eine fundierte ethische Grundhaltung bescheinigen, abgesehen von seiner leicht verklemmten Art und dem Ziehen der Uniform –
    to tug down the shirt – ein wahrlich sympathischer Vertreter der Spezies Mensch. Gäbe es auch nur einige Wenige Politiker und Protagonisten seines Kalibers und Moralkompetenz – the world would be a better place – right ?

    Die Kritik an Seven of Nine kann ich nicht nachvollziehen, zum Einen bin ich ein Mann ( wie bekommt man eine gendernde Karen mit Regenbogenverklebten Augenwinkeln und Gutmenschen Scheuklappen zum Schreien:) – als Sie auf den Plan tritt, nimmt die Serie Voyager erst so richtig Fahrt auf. Dazu ist das sexiest Wesen in der gesamten Galaxis und in Ihrem permanenten Widerstreit zwischen eben den transhumanen Implantaten und dem Versuch menschlich zu handeln, eine eindeutige Kritik daran, was das Ergebnis ist, wenn man Menschen per mechanischen Surrogaten steuern will. Ich würde mal feststellen, daß die menschliche Individualität, über die Macht des mechanistischen Kollektivs obsiegt !

    Und Ja – da hat ein Jeder von Uns seine persönliche Preferenz und Perspektive auf dieses gigantisch mäandernde Franchise, aber auf eins kann ich mich mit Dir zu hundert Prozent einigen.

    Die Borg sind die Allegorie für die kalte mechanische Welt der Maschinisierung, die mit allen Mitteln versucht, das von Emotionen und der Indivualität des Indivduums geprägten Welt und der Seele zu zerstören und alles in einen Komplex aus Dominanz der gottlosen Apparatur, dem absoluten Bösen in seinem rein utilitaristischen Denken, das den Einzelnen, auf die reine Funktion als Zahnrad für das alles übergreifende Kollektiv zu reduzieren.
    Rein funktionale Entitäten, fern von eigener Entscheidungsmöglichkeit und determiniert als biomechanischer Sklave ohne kognitives Denken sein Dasein zu fristen, bis er bei beginnender Fehlfunktion die Biologische Komponente entsorgt werden kann und die mechanischen Teile recycelt werden.

    Ein eindeutige Analogie für den Transhumanismus und die alles fressende Übermacht der den Mensch dominierenden Maschine.

    Könnte ja noch ewig weiter machen. Ich persönlich würde das Star Trek Universum als einen prägenden Moment meiner Sozialisation bezeichnen, wenn nicht sogar einen der Wichtigsten;
    fängt ja schon mit der Kadenz der Titelmelodie an – Die ersten zwei Töne und man weiss was auf einen zukommt – damals immer die kindliche Vorfreude auf die nächste Folge …

    „to boldly go where no man has gone before“ …
    Ensign DS engage .)

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