Aktuell wird in der Dauerhasssendung – leider auch von Dietrich Brüggemann – ein Video einer behelmten und bewahnwesteten Radfahrerin verbreitet, die sich über die alltägliche rücksichtslose (und teils gefährdende) Fahrweise vieler Autofahrer aufregte, in einer undifferenzierten Weise verbreitet. Just an jenem Tag hatte ich selbst ein ähnliches Erlebnis, welches ich in der Empfehlungsliste dieses Beitrags kurz geschildert hatte. Letzten Endes belegen solche aus dem größeren Zusammenhang gerissene, in „sozialen Netzwerken“ geteilte Geschehnisse, wie leicht Menschen ins Gruppendenken verfallen. Die allermeisten identifizieren sich als „Autofahrer“ – und würden sich daher auch generell erst einmal bei jedem Konflikt zwischen einem Auto- und einem Radfahrer prinzipiell auf die Seite des Autofahrers stellen.
Genau das tue ich hier nicht. Die Radfahrerin ist mir relativ egal; ich teile weder ihr Faible für ihren Helm und die Opfer-Wahnweste, noch heiße ich ihr Verhalten im Allgemeinen gut. Ich beurteile die Situation aus der Perspektive eines Menschen, der seit 2015 kein Auto mehr besitzt, weil er sich keins leisten mehr konnte und wollte. Und alle seine Wege in einer vollkommen autoverrückten Region mit dem Rad zurücklegt. Und stellenweise von einer unfassbaren rechtlichen Diskriminierung betroffen ist, als auch tagtäglich von rücksichtslosen Dosenlenkern mehr oder weniger stark gefährdet wird.
Doch führten meine Beiträge, in welchen ich diese Diskriminierung mit jener durch die „Corona-Maßnahmen“ verglich, leider nie zu irgendeiner Form von „Solidarität“ oder wenigstens dem Eingeständnis, dass man sich darüber noch nie wirklich Gedanken gemacht hätte. Ich hingegen musste mir immer von eingefleischten (coronaskeptischen) Autofahrern, die sich schlicht nicht vorstellen können, auch nur einen ihrer alltäglichen Wege mit dem Rad zurückzulegen, vorwerfen lassen, warum ich denn immer noch versuchen würde, gegen diese Einschränkung meiner Freiheiten zu kämpfen? Und sogar für viel Geld meine Heimatstadt verklagen würde?
Diese Menschen nehmen meinen viel Zeit (und damit auch Geld) beanspruchenden Kampf nicht mal ansatzweise ernst; übrigens genauso wenig, wie die Zeugen Coronas uns als „Freiheitskämpfer“ betrachten. Warum? Weil es sie persönlich (als ein Auto Besitzende) halt nicht betrifft, denn sie gehören der (privilegierten) Mehrheit an. Ähnlich wie die „Geimpften“ mit den Schultern zuckten, als die „Ungeimpften“ nicht mehr in den Baumarkt oder zum Friseur kamen, zucken die „Autofahrer“ mit den Schultern, wenn man mir irgendwo die Nutzung von Burger-Buden, ganzen Straßen oder Straßenteilen willkürlich verbietet. Sie selbst gehen Montags spazieren oder kämpfen anderweitig gegen die Diskriminierung als „Ungeimpfte“, haben aber kein wirkliches Verständnis dafür, wenn ich gegen ähnliche Verbote kämpfe.
Auf diese Weise kommen dann auch solche „Wellen“ wie aktuell bei Twitter zustande; alle kotzen einfach mal – fernab des eigentlichen Vorfalls – ihre gesamte Palette an Vorurteilen über die jeweils andere Gruppe in die „Diskussion“; vor allem auch, um sich (wieder mal) als moralisch überlegen darzustellen. Da verkörpert dann auch diese Radfahrerin (obwohl dafür jegliche objektiven Anhaltspunkte fehlen) urplötzlich das allseits gefürchtete „linksgrüne“ Gespenst, welches sich angeblich im Denken und Handeln zahlreicher Menschen (der in Wahrheit extremistischen Mitte) eingenistet hätte. Was ich persönlich von diesen angeblich „linksgrünen“ Radfahrern halte, hatte ich hier im Blog auch schon vor längerer niedergeschrieben.
Ich zitiere hier noch einmal den Kommentar zu meinem gestrigen Erlebnis:
Lauft erst mal für eine Weile in den Schuhen von Radfahrern, ehe ihr die Klappe aufreißt. Hatte eine ähnliche Situation heute. Amazon-Liefersklave parkt mit seinem Transporter (illegal) an einer Bushaltestelle auf der Fahrbahn. Gegenverkehr sieht mich kommen – und fährt mich trotzdem (nach dem Motto, ich könne ja teils über den Gehweg ausweichen) beinahe frontal über den Haufen. Natürlich auch noch gleich einer hinterher, der sich drüber aufregt, dass ich mich aufrege. § 6 S. 1 StVO, ihr Arschlöcher!
Wenn der Leser sich jetzt etwa denkt, warum ich mich denn so anstellen würde, habe ich ihn bereits „ertappt“! Wenn man dieses Verhalten der mich tatsächlich gefährdet habenden (ich musste bremsen und ausweichen; es war also mindestens schon einmal Nötigung) Autofahrer pauschal für selbstverständlich oder unproblematisch erachtet, dann belegt man unweigerlich selbst, wie sehr die Zugehörigkeit zu einer (die Mehrheit bildenden) Gruppe das eigene Denken auch dbzgl. beeinflusst, ob und wie stark man klar diskriminierendes oder eben auch gefährdendes Verhalten gegenüber nicht der eigenen Gruppe Angehörenden überhaupt wahrnimmt, geschweige denn, zu kritisieren in der Lage ist.
Man verharmlost hingegen in den meisten Fällen pauschal die alltägliche Rücksichtslosigkeit der eigenen Gruppe (die auch noch die Mehrheit darstellt) und macht sich über Vertreter der Minderheit lustig, die sich in Einzelfällen sogar wagen, ihre Rechte konsequent einzufordern. Wie leicht es dann doch wieder ist, gemeinsam mit dem autofahrenden Zeugen Coronas über eine spinnerte Radfahrerin herzuziehen, nicht wahr?
Die grundsätzliche (diskriminierende) Erwartungshaltung von Autofahrern, dass es Radfahrer seien, die in die Büsche zu springen hätten, wenn da einer mit dem Auto kommt, dokumentiert der Autofahrer in diesem Video sogar selbst:
Sie fahren doch mit’m Fahrrad!
Das heißt nichts anderes, als dass sie hier die „Minderwertige“ ist, die dem „Höherwertigen“ (dem Autofahrer) Platz zu machen hätte. Obwohl dieser offenkundig in eine Engstelle eingefahren ist, ohne den Vorrang der Radfahrerin zu beachten. Und es für ihn (den Höherwertigen) ein regelrechtes Sakrileg wäre, ordnungsgemäß zurückzusetzen.
Also ziemlich auf die gleiche Weise, wie das die beiden Autofahrer gestern auch von mir erwartet haben, indem sie einfach auf meiner Fahrbahnhälfte(!) ein (ebenfalls dort illegal geparktes) Hindernis umfuhren – und von mir erwarteten, dass ich mich (schon im Eigeninteresse, nicht auf ihrer Motorhaube zu landen oder mit dem Lenker ihre Seite zu streifen) nach ganz rechts in die Gosse zu verkrümeln hätte, wo mein Lenker auch über den (hohen) Bordstein hinweg in den Gehweg hineingeragt hat; ungeübtere Radfahrer setzen bei solchen Stunts auch gerne mit dem Pedal auf und fliegen auf die Fresse. Hätten die beiden das auch getan, wenn ich ihnen in einem Auto entgegengekommen wäre? Eventuell; sie wären aber nicht so dreist gewesen, sich dabei auch noch im Recht zu fühlen.
Unterstützt wird der Autofahrer (auch das eine Parallele zu meinem Vorfall gestern) im besagten Video vom aus der Gegenrichtung kommenden Artgenossen, der auch zuallererst die Radfahrerin anhupt und auffordert, jenseits der Fahrbahn (auf dem mit abgeschrägten Bordsteinen abgegrenzten Parkstreifen) an der Engstelle vorbeizufahren (oder „zur Not“ zu schieben).
Dass die Dame am Ende vorsätzlich seinen Seitenspiegel streift und einklappt, ist natürlich eine unangemessene Reaktion ihrerseits; die aber eben auch veranschaulicht, dass der verbliebene Platz für eine sichere Begegnung nicht ausgereicht hätte. Wenn man wenigstens ansatzweise zu einem Mindestmaß an Empathie fähig wäre, würde man sich nämlich auch genau diese Frage stellen: Hat diese Frau so etwas evtl. schon öfters und in einer „intensiveren“ Form erlebt? Ich verweise exemplarisch auf meine Alltagserlebnisse und das Schlagwort „Gegenverkehr„.
Auf der anderen Seite leben wir hier halt in einem Land, in welchem Verwaltungsgerichte den Verwaltungen hin und wieder sogar die absoluten Basis-Grundlagen der StVO erläutern müssen. Unter anderem musste das VG Neustadt der Stadt Bad Dürkheim auch detailliert erklären, dass Autos grundsätzlich NIE auch nur irgendetwas auf den Gehwegen zu suchen haben. So ist das halt, wenn man die Böcke zu Gärtnern macht.
Wenn man derartige Situationen persönlich (nahezu) immer nur aus der Windschutzscheiben-Perspektive heraus (oder von Twitter-Videos) kennt, verwundert es nicht; dass man das eigene (fest ins alltägliche Handeln eingefahrene) Fehlverhalten (bspw. einfach in Engstellen reinzudonnern, obwohl aus der anderen Richtung ein Radfahrer kommt) aufgrund von Gewohnheit und dem einen auch noch bestätigenden Fehlverhalten all der anderen (das gilt übrigens nicht nur für die Unmengen an Falschparkern, sondern auch für notorische Gehwegradler!) schon gar nicht mehr als Solches wahrnehmen kann. Wie bezeichnete es der Leiter der städtischen Straßenverkehrsbehörde damals? Man wolle sich „nicht der Willkür verdächtig machen“, wenn man hier in Pirmasens tatsächlich damit beginnen würde, das Falschparken zu sanktionieren.
Die meisten können oder wollen sich nicht in den eben nicht mit einer schützenden Karosserie ummantelten Radfahrer hineinversetzen; welcher wenn nicht täglich, doch aber mindestens wöchentlich etwas in dieser Art immer wieder erlebt. Und dass es einem irgendwann einfach reicht! Nur dann wird man (leider auch von einem Dietrich Brüggemann) als kleingeistig-bornierte, rechthaberische, typisch deutsche „Extremistin“ hingestellt, weil man in diesem Einzelfall mal nicht nachgibt (also sich nicht nötigen lässt). Obwohl wir „Corona-Kritiker“ in den Augen der Zeugen Coronas ja auch nur „Rechthaber“ sind, deren Grundrechte ja sowieso niemals wirklich eingeschränkt waren; zumindest nicht so, wie in China!
Es mangelt ja allerdings auch schon bei sehr vielen Autofahrern am grundsätzlichen Bewusstsein dafür, dass ein Auto generell eine mit teils hohen Geschwindigkeiten betrieben werdende Maschine ist, die aufgrund ihrer allgemeinen Betriebsgefahr für andere Menschen eine tödliche Gefahr darstellt; und dass daraus (eigentlich) eine grundsätzlich erheblich höhere Verantwortung und Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern resultiert. Wie jedoch gerade die Polizei mit dieser „Verantwortung“ regelmäßig umgeht, lässt sich ganz aktuell wieder mal an einer Pressemeldung der PD Kaiserslautern ablesen, in welcher das rücksichtslose Anfahren einer Fußgängerin mit „touchieren“ verharmlost wird. Ansonsten sei diesbezüglich auch noch auf diesen Beitrag verwiesen.
Als ich im Frühjahr noch in der örtlichen Gruppierung war, besuchte ich Abends immer als einziger mit dem Rad das „Hauptquartier“. Natürlich parkten auch dort alle „Querdenker“ ihre Karren illegal halbhüftig auf dem Gehweg. Ich hätte mich sicherlich richtig beliebt gemacht, wenn ich darauf einfach nur mal hingewiesen hätte; vermutlich hat man mich auch deshalb nie einen Vortrag über das Thema halten lassen.
100% Zustimmung!
Danke. Die bislang im Vergleich deutlich geringere Klickzahl auf diesen Beitrag ist (leider) ein weiterer Beleg für meine These. 😉