Zur Befristung von Führerscheinen

Vorgestern drehte ich aufgrund der doch recht grimmigen Kälte nur eine relativ kurze Runde mit dem MTB entlang der Grenze. Bei Kröppen wollte ich mir im (erst 2020 eröffneten) Edeka noch eine kleine Portion Hackfleisch (zum Angebotspreis) für ein wahrhaft luxuriöses Abendessen mitnehmen. So fuhr ich die relativ steile Stichstraße „Bellevue“ hoch – und wurde allen Ernstes noch knapp vor der Zufahrt auf den Parkplatz sehr eng (vielleicht 30 oder 40 cm) überholt und brutal geschnitten; am rechten Fahrbahnrand tat zudem noch der aufgehäufte Schnee sein Übriges. Hätte ich nicht ebenfalls rechts abbiegen wollen, hätte mich der ältere Herr schlicht und ergreifend umgemäht bzw. zur Vollbremsung genötigt. Das anschließende Gespräch hätte jedenfalls gut in meine schon zu Beginn des Corona-Wahns eingestellte Alltagserlebnis-Reihe gepasst.

Ich fuhr auf dem Parkplatz langsam links neben ihm her, ehe er vor dem Eingang stehenblieb und sich nach einer Parkmöglichkeit umschaute. Ich deutete ihm, er möge doch mal die Seitenscheibe runterlassen. Offenbar hatte er Angst vor mir (einem wahrhaft einschüchternd wirkenden 60-kg-Koloss!), denn er verriegelte erst einmal sicherheitshalber die Tür. Es dauerte auch ein Momentchen, ehe ich mich erkundigen konnte, was diese Aktion gerade hätte bezwecken sollen? Er saß auch nicht allein im Auto; seine neben ihm sitzende Gattin schien schon zu wissen, was ihr Gatte falsch gemacht haben könnte.

Ich fragte, ob das denn wirklich nötig gewesen wäre, mich mit derart geringem Abstand direkt vor der Zufahrt noch überholen zu müssen? Ob ihm bewusst sei, dass sogar in der StVO stünde, dass man Radfahrer generell nur mit einem Abstand von 1,50 m (innerorts) überholen dürfe? War es das jetzt wirklich wert, mich zu gefährden, um nur 2 Sekunden früher auf den Parkplatz zu kommen? Was hätte er getan, wenn in dem Moment gerade jemand vom Parkplatz runtergefahren wäre?

Darauf fiel ihm im Endeffekt nur die Frage nach meinem Alter ein. Er entgegnete mir, dass er bereits in den 50ern den Führerschein gemacht hätte und 84 Jahre alt sei! Aha. Das sollte wohl bedeuten, dass ich seine unfassbare Erfahrung und Fahrkünste niemals hätte bezweifeln dürfen? Schließlich sei doch auch nix passiert. Ich entgegnete, ein anderer Radfahrer (ggf. ein Kind, welches nicht eine derartige Scheiße tagtäglich erlebt) hätte sich bei so einer Aktion ggf. erschrocken und wäre gestürzt oder mit dem Auto kollidiert.

Ich wies darauf hin, dass man auch als langjähriger Führerscheinbesitzer nicht das Recht hätte, andere Menschen (und dann auch noch völlig unnötig; m. E. war das der typische Autofahrer-Reflex, Radfahrer aus Prinzip immer überholen zu müssen, auch wenn es keinerlei Sinn ergibt) zu gefährden; vor allem dann nicht, wenn man – das sprach seine Frau auch an – sich zunehmend schwer damit tut, im Straßenverkehr noch den Überblick zu behalten. Ich bat ihn zum Abschluss, derartige Aktionen zukünftig zu unterlassen; es sei nicht jeder derart abgehärtet wie ich und in der Lage, auf so etwas angemessen zu reagieren und einen Unfall zu vermeiden.

Während meines Einkaufs lief mir dann noch einmal seine Frau über den Weg (er wartete wohl im Auto). Sie sprach deutlich offener, entschuldigte sich für den Vorfall und meinte, dass sie nie damit gerechnet hätte, dass ihr Mann mich an der Stelle noch überholen würde – und dass sie ihn auch generell nicht mehr allein Auto fahren lässt. Im hohen Alter werde das ja leider alles schwieriger. Es war ihr sichtlich unangenehm; sie erlebt so etwas also öfters. Sie wünschte mir noch eine gute Zeit. Und ich wünsche beiden, dass er nicht irgendwann einen Menschen tötet, weil er den Zeitpunkt verpasst, den Lappen freiwillig abzugeben.

Im Rahmen meiner Kommentierung einiger Pressemeldungen in den täglichen Empfehlungslisten während des Corona-Terrors habe ich das Thema auch hin und wieder kurz angerissen. Ich persönlich würde es sehr begrüßen, wenn man Führerscheine zukünftig bis zum 60. Lebensjahr befristen würde. Spätestens dann muss alle 2,5 Jahre nachgewiesen werden, dass man geistig, physisch und psychisch überhaupt noch in der Lage ist, gemäß den geltenden Bestimmungen der StVO ein Kfz zu führen.

Wer das nicht kann, der muss, so leid mir das gerade für die abgehängte Bevölkerung auf dem Land auch tut, sich Alternativen suchen. Aber ich persönlich habe auch nicht vor, mich irgendwann einmal von so einem Menschen ins Krankenhaus oder in die Kiste fahren zu lassen. Kraftfahrzeuge – und darauf wies ich den älteren Herrn auch hin – sind grundsätzlich gefährliche Maschinen, mit denen man sehr leicht andere Menschen töten oder fürs restliche Leben verkrüppeln kann. Auch wenn das in dieser Gesellschaft generell kaum jemandem wirklich bewusst ist; auch nicht den jüngeren. Man verfällt da ja viel lieber reflexartig ins Gruppendenken.

Ich habe das damals vor allem auch bei den Bekannten meiner Großeltern erlebt. Diese hatten zwar selbst keinen Führerschein und auch kein Auto, ließen sich aber im Endeffekt jedes Wochenende von ihren langjährigen Freunden mitnehmen. Es hätte mich damals nicht überrascht, wenn meine Mutter mir eines Tages mitgeteilt hätte, dass es einen schweren Unfall gegeben hätte. Nicht nur wegen der nachlassenden Fähigkeiten der Fahrer und Fahrerinnen, sondern auch wegen der ziemlich lässigen (aber ebenfalls weit verbreiteten) Haltung gegenüber der Straftat, „angeheitert“ Auto zu fahren. Sie hatten Glück; vor allem auch, dass sie nie in eine (auch viel zu seltene) Kontrolle gerieten.

Folgt man der Corona-„Logik“, ist es eh unverständlich, dass es niemals einen generellen Kfz-Lockdown gegeben hat. Aber an diese Art von „Gefährdern“ haben wir uns ja gewöhnt. Nicht wahr?


Bonus-Anekdoten

Wenn ich gerade dabei bin, nach längerer Zeit mal wieder aus meinem tristen Radfahrer-Alltag zu berichten, dann erwähne ich doch noch schnell einen nicht minder exemplarischen Vorfall am Montag. Ich war in der Gärtnerstraße am Postdreieck unterwegs, als ich vom Fahrer eines weißen „Stromers“ engüberholt und geschnitten wurde. Ich konnte allerdings aufgrund der roten Ampel an der folgenden Kreuzung und der Sperrung des linken Fahrstreifens die Gelegenheit nutzen, um links an dem etwa 30 bis 35 Jahre alten Mann vorbeizufahren und ihn darauf anzusprechen. Und was erkennen hierbei meine staunenden Augen? Der Typ glotzte tatsächlich gerade auf seine elektronische Hirnkrücke! Nachdem er die Scheibe heruntergelassen hatte, wies ich ihn auf sein Engüberholen und Schneiden hin. Und dass er im Straßenverkehr nicht auf das Handy, sondern auf den Verkehr zu glotzen hätte. Seine Verteidigung war, er habe nur eine Sprachnachricht aufgenommen. Ja, ist klar. Genauso verboten! Ich bat ihn, zukünftig rücksichtsvoller zu fahren und die Griffel vom Handy zu lassen. Und dass er (aufgrund der inzw. grünen Ampel) losfahren könne.

Heute Nachmittag ergab sich ebenfalls ein weiteres Beispiel dafür, warum ich jegliche Form von „Radinfrastruktur“ verabscheue; auch wenn sie nur aus irgendwelchen Strichen besteht. Sie spornt automobile Übermenschen zur spontanen Selbstjustiz an. Ich bin mir nämlich zu 100 % sicher, dass mich das – nebenbei auch viel zu schnell fahrende – Arschloch, welches mich die Lemberger Straße runter mit auch nicht mehr als 30 oder 40 cm Abstand rasierte, dafür „züchtigen“ wollte, dass ich den teils etwa hälftig mit Schneematsch und Dreck überzogenen und daher unbenutzbaren (und auch generell undefinierbaren, aber gerne anderweitig genutzt werdenden) Streifen am rechten Fahrbahnrand nicht benutzt habe. Dessen Entfernung ich übrigens ebenfalls schon Anfang 2018 vom damaligen Leiter der städtischen Straßenverkehrsbehörde eingefordert hatte.

Und ich schiebe noch schnell einen Nachtrag vom Donnerstag dazwischen; da war ich gegen Einbruch der Dunkelheit die Winzler Straße bergauf in westlicher Richtung unterwegs. Am Zebrastreifen vor der Kreuzung Uhlandstraße steht ein Mann und sein ca. 8-jähriger Sohn. Eine mir in ihrem Pkw entgegenkommende, ca. 25 bis 30 Jahre alte Trulla interessiert das jedoch nicht im Geringsten, denn sie brettert mit unvermindertem Tempo an beiden vorbei. Ich strecke ihr zwecks Kommentierung ihrer überaus rücksichtsvollen Fahrweise den erhobenen Daumen entgegen.

Heute ging übrigens auch ein weiteres Schreiben an das Verwaltungsgericht in Sachen Schillerstraße. Jenes will dieser seit 2018 untätigen Verwaltung mal eben sieben weitere Monate Zeit geben, sich diese Straße mal genauer anzuschauen. In Behörden kommt angesichts der unterschiedlichen Wahrnehmung von Zeit selbst Einsteins Relativitätstheorie an ihre Grenzen.

6 Gedanken zu „Zur Befristung von Führerscheinen“

  1. „Ich persönlich würde es sehr begrüßen, wenn man Führerscheine zukünftig bis zum 60. Lebensjahr befristen würde.“

    Wieso erst ab 60? Befristung auf 5 Jahre ab Ausstellung des Führerscheins. So gibt es auch keine Disskussion über den Gleichheitsgrundsatz. Über die Details kann man diskutieren.

    1. Unschuldsvermutung und Unzulässigkeit eines Generalverdachts. 😉 Man kann aber statistisch und evident herleiten, dass das Risiko (und die Gefahr für die Allgemeinheit) spätestens ab 60 deutlich ansteigt. Natürlich sollte allerdings auch anlässlich anderer Zwischenfälle deutlich häufiger die Eigenschaft, ein Kfz führen zu können, überprüft werden. Vor allem, wenn der Unfallverursacher verkündet, er habe den anderen „übersehen“ (und die Polizei es in ihren Presseberichten wiederkäut).

          1. Nein, das glaube ich eher nicht. Ansonsten würden die sich hier in Sachen B 10 oder Schillerstraße auch nicht so anstellen. Das sind nicht nur Rückzugsgefechte von zurückgebliebenen Dorftrotteln. Man hat nicht vor, diese Triebfeder kapitalistischer „Wertschöpfung“ aufzugeben und durch wesentlich weniger Profit abwerfende Fahrräder zu ersetzen. Man schafft mit der ganzen E-Scheiße ja auch bei Fahrrädern einfach eine neue ursprüngliche Akkumulation.

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