Und noch ’ne Einbahnstraße!

Ich habe mir für die feierliche Verkehrsfreigabe der OD Winzeln und dem damit verbundenen Ende der illegalen Umleitung bereits ein kleines Plakat gebastelt. Um den Termin nicht zu verpassen, schaute ich neulich nach längerer Zeit mal wieder auf der Internetseite der Stadt vorbei. Die jeglichen kritischen Journalismus‘ unverdächtigen lokalen Käseblätter lese ich ja nicht. Hierbei fiel mir eine Meldung auf, die perfekt zur sogenannten „Verkehrspolitik“ der Stadt passt, wie grober Schotter auf eine „Umleitung“ für Radfahrer. Im September „experimentiert“ man in der (steilen) Zwingerstraße mit einer Einbahnstraßenregelung. Und man hat – wie sollte es auch anders sein – den Radverkehr gleich mit verboten!

Ein gewaltiges Maß an Schuld auch daran tragen meines Erachtens die Richter der dritten Kammer des VG Neustadt an der Weinstraße. Sie betätigten sich am 27. März lieber als Anwalt einer unfähigen und sich für keinerlei geltendes Recht interessierenden Verwaltung, als jene u. a. an den Regelungsgehalt des § 45 (9) S. 3 StVO zu erinnern. Mit keinem Wort ging man in der Verhandlung und im Urteil auf das gar völlige Fehlen der verkehrsbehördlichen Anordnung, noch das der besonderen örtlichen Gefahrenlage in der Schillerstraße konkret in Bezug zum Radverkehr ein. Die (neben dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) Grundvoraussetzung für die Anordnung von Verkehrsverboten (wie einer Einbahnstraßenregelung) ist.

All dies interessiert diese Verwaltung nicht; sie meint, sie könne Verbote anordnen, wo und wie sie gerade lustig ist. Sie muss sich nicht einmal irgendeine (auf den Radverkehr bezogene) „Gefahr“ aus den Fingern saugen. Sie macht es einfach, ohne zu differenzieren. Auf Zuruf einer „Bürgerinitiative“. Und mit dem Wohlwollen des VG Neustadt.

In jener Meldung vom 28. August heißt es unter anderem:

Ab Freitag, 1. September 2023, wird in der Zwingerstraße probeweise eine Einbahnstraßenregelung in Fahrtrichtung Rodalber Straße zum Robert-Schelp-Platz eingerichtet.

Nach einem Monat erfolgt eine Evaluation durch die Straßenverkehrsbehörde. Je nach Ergebnis wird darüber entschieden, welche der getesteten Maßnahmen dauerhaft in Betracht kommt.

Hintergrund: Die Zwingerstraße ist rund 160 Meter lang und hat ein Gefälle von über acht Prozent. Sie führt vom Dr.-Robert-Schelp-Kreisel zur Rodalber Straße. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Gefahrensituation bzw. Beschädigungen an parkenden Autos gekommen, weil die Straße zu eng ist. Deshalb weichen Fahrzeuglenker häufig im Begegnungsverkehr auf den Gehweg aus.

Das ist ja eigentlich (auch im Hinblick auf diese Backpfeife der damals noch einigermaßen funktionierenden 3. Kammer des VG) löblich, dass man tatsächlich mal auf die (allerdings insbesondere von der hiesigen Ordnungsbehörde ja auch massiv geförderte) Unsitte, in Pirmasens überall mit dem Auto zu parken und zu fahren, wo man gerade lustig ist, in irgendeiner Weise reagiert.

Doch warum musste man, wenn man hier doch tatsächlich probeweise eine Verkehrsregelung testet, erneut (und deutlicher als es – insbesondere nach meiner Klage in Sachen Schillerstraße – kaum mehr möglich ist!) zeigen, dass einem die Interessen des Radverkehrs im grauen verkehrsbehördlichen und -planerischen Alltag vollkommen am Arsch vorbeigehen? Und dass die im großartigen „Radverkehrskonzept“ angekündigte Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer nichts anderes, als hohle Propaganda ist?

Warum ordnete man gerade hier nicht gleich „versuchsweise“ die erste freigegebene Einbahnstraße für Radfahrer im gesamten Stadtgebiet an? Schließlich war es der Verwaltung ja noch nicht einmal peinlich, vor dem VG ernsthaft damit zu argumentieren, dass man die Schillerstraße jetzt noch nicht freigeben könne, weil man die hiesigen (hinterwäldlerischen) Autofahrer erst einmal daran „gewöhnen“ müsse, dass es so neumodischen Kram nun auch hier bei uns gibt.

Ich kann mir das sehr gut vorstellen, wie die handelnden Personen (die ich ja alle persönlich kenne – und denen ich teilweise jegliche Fachkompetenz abspreche) da im Rathaus saßen und beratschlagten, was sie da nun mit der Zwingerstraße machen sollen? Und dass niemand, auch nicht der sogenannte „Radverkehrsbeauftragte“, darauf hinwies, dass man mit der oben zu lesenden „Begründung“ dem Radverkehr nicht ebenfalls verbieten darf, diese Straße weiterhin in beiden Richtungen zu benutzen. Diese Einbahnstraßenregelung wurde einzig und allein getroffen, um Parkraum auf der Fahrbahn zu schaffen. Genau das ist nach § 34 (2) LStrG generell unzulässig. Eine Vorschrift, die das VG Neustadt übrigens ebenfalls nicht interessierte.

Würde ich auf dem Horeb wohnen und regelmäßig in Richtung Husterhöhe, Sommerwald oder Rodalben fahren, würde mich das besonders ankotzen. Denn nun kann man nicht mehr einfach vom Dr.-Robert-Schelp-Platz den direkten Weg die steile Zwingerstraße hoch nehmen, sondern muss sich in die (nun logischerweise auch deutlich längere) Schlange vor der roten Ampel an der Kreuzung Dankelsbachstraße / Gärtnerstraße / Schloßstraße / Zweibrücker Straße einreihen, um einmal zusätzlich links um den gesamten Block zu fahren (Siehe Google Maps oder OSM). Man fährt dann 350 statt 170 Meter; hat also sogar eine Verdopplung der Wegstrecke auf diesem Abschnitt. Auch als radfahrender Anwohner der Zwingerstraße freut man sich sicher über die Extra-Schleife!

Viel fällt mir dazu nicht mehr ein. Diese Verwaltung zeigt dem Radverkehr – und vor allem dessen einzigen ernsthaften Vertreter – einen Mittelfinger nach dem anderen. Ich schrieb vor einer Weile schon einmal, dass wenn diese Stadt überhaupt etwas könne, dann Einbahnstraßen. Es verwundert in diesem Zusammenhang übrigens auch nicht, dass die Stadt die Fake-News, sie habe die Fußgängerzone für Radfahrer geöffnet, weiterhin selbst verbreitet.

Aber: Ich bin hier in dieser Autostadt halt nun einmal der einzige, der sich über solche Sachen aufregt. Der sich gegen eine derartige Willkür wehrt. Ein Querulant, den man einfach ignorieren kann. Ich hatte erst überlegt, dem „ADFC“ nochmal eine e-mail zu schicken, was man davon hält, dass die Anzahl nicht freigegebener Einbahnstraßen in Pirmasens sogar noch zunimmt. Es wäre eh wieder nichts, und wenn, nichts Gescheites retour gekommen.


Folgebeitrag

Die Freigabe der Schillerstraße


Siehe auch

„Verkehrswende“ in der Provinz

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