Rechtliche Radweg-Hürden?

Ein aktueller Beitrag in der LTO über die vorgesehenen Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes und der StVO verlangt an dieser Stelle dann doch mal wieder eine etwas ausführlichere Kommentierung; werden doch auch im Rahmen dieses Beitrages Behauptungen aufgestellt und multipliziert, die schlicht nicht den Tatsachen entsprechen. Vor allem im Hinblick auf das Geschrei vor allem umweltpolitisch orientierter Gruppierungen nach „Radwegen“ als der einzig relevanten und denkbaren Form der Radverkehrsförderung, möchte ich klarstellen, dass das gegenwärtige Bundesrecht (zu meinem Bedauern) weder den Bau, noch die Markierung oder sonstige Ausweisung von „Radwegen“ be- oder verhindert.

Ein zentrales Argument meiner leider vor dem VG Neustadt gescheiterten Verpflichtungsklage zur Öffnung der ersten Einbahnstraße für den Radverkehr in Pirmasens überhaupt war auch in der Sitzung des Rechtsausschusses zur Zurückweisung meines Widerspruchs das Urteil 3 C 42/09 des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010. In jenem erinnerte das Gericht die Behörden daran, dass seit Abschaffung der allgemeinen Radwegbenutzungspflicht im Jahre 1997 „Radwege“ gemäß § 45 StVO nur dann (mittels blauer Schilder) mit einer Benutzungspflicht ausgewiesen werden dürfen, wenn eine besondere örtliche Gefahrenlage besteht.

In zahlreichen Städten und Kreisen ziert entgegen dieser nun auch schon vor über einem Jahrzehnt gefällten höchstrichterlichen Entscheidung immer noch teils uraltes blaues Blech unzählige, teils abenteuerliche bis gemeingefährliche „Radwege“. Diese Schilder wurden dort aufgestellt, obwohl die Behörden auf diesen Straßen niemals eine solche „Gefahrenlage“, noch eine zwingende Erforderlichkeit im Sinne des Satzes 1 festgestellt haben. In Bad Dürkheim weist man beispielsweise entgegen § 45 (1c) sogar in Tempo-30-Zonen immer noch benutzungspflichtige „Radwege“ aus, auf denen regelmäßig Radfahrer verunfallen.

Wir sehen in der Praxis also, dass, insofern es nicht irgendwelche nervenden Radfahrer wie mich gibt, die sich gegen diesen Mist wehren, es in der alltäglichen Praxis überhaupt kein Problem ist, „Radwege“ rechtlich anzuordnen oder angeordnet zu lassen. Denn wo kein Kläger, da kein Richter. Die Regelungen des § 45 (9) StVO wenden sich ausdrücklich nicht gegen „Radwege“ an sich, sondern den Zwang, jene benutzen zu müssen.

Nun ist das mit diesen „Radwegen“ vor allem ja auch ein gewaltiges begriffliches Problem. Viele Autofahrer sehen bekanntlich auch dort „Radwege“, wo keine sind. Oder die man nicht benutzen muss. Als ich diese Woche Abends in die Stadt gefahren bin, um die Fotos am Schillerplatz zu machen, rief mir mal wieder ein unterbelichteter Autofahrer auf der K 6 zwischen Winzeln und Pirmasens aus dem Seitenfenster zu, dass „do driwwe e Raaadwäääg“ sei. Mag sein, das Ding da auf der linken Seite ist aber mangels Gemeinsamer Geh- und Radweg nicht benutzungspflichtig. Und du darfst mich wegen der durchgezogenen Linie dort eigentlich auch gar nicht überholen. Und ja, es ist auch nicht wirklich logisch, dass ich den Blödsinn in der einen Richtung benutzen muss, in der anderen aber nicht. Egal.

§ 45 StVO als Radweg-Hindernis?

Kommen wir zum aktuellen LTO-Artikel. In jenem wird die ominöse „Deutsche Umwelthilfe“ dargestellt, als wäre sie eine objektive und neutrale Vereinigung. Und als wäre es überhaupt von besonderer Bedeutung, was dieser Lobbyistenverein fordert. In den Augen zahlreicher grün unterwanderter und großstädtisch geprägter Vereinigungen und Initiativen (zu denen man auch den ADFC zählen muss) ist eben vor allem jener § 45 (9) S. 3 StVO ein Ärgernis, dessen Anwendung vom BVerwG gerade bei der Anordnung von Radwegbenutzungspflichten im Jahre 2010 bekräftigt wurde.

Diesem Spektrum ist diese eigentlich sogar recht sinnvolle Vorschrift, die vor allem auch einen nicht mehr nachvollziehbaren, aus unzähligen örtlichen Anordnungen bestehenden Verkehrszeichen-Flickenteppich (bzw. Schilderwald) verhindern soll, schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Bereits im ersten Absatz des Artikels heißt es unter anderem:

Verwaltungsgerichte kassieren Radwege auf viel befahrenen Straßen ein, wenn eine Gefahrenlage nicht konkret belegt wird. Das Recht drückt auf die Bremse.

Stimmt das?

Pop-up-Radwege

LTO verweist hierbei exemplarisch auf den Beschluss 11 L 205/20 des VG Berlin zu sogenannten „Pop-up-Radwegen“, welche während „Corona“ im Jahre 2020 angelegt wurden. Das VG hatte in seiner Eilentscheidung im Wesentlichen das Fehlen des Nachweises einer rechtlichen Begründung bemängelt; denn die Berliner Behörden taten in diesem Falle das, was viele Behörden auch hier in Rheinland-Pfalz standardmäßig tun: Wenn irgendwo ein „Radweg“ gebaut (oder markiert) wird, dann wird der einfach bebläut. Ob da eine „Gefahrenlage“ existiert oder nicht, interessiert in der Praxis niemanden; da verliert auch in den Anordnungen niemand ein einziges Wort drüber. Und mit guten Argumenten kommt man, wie z. B. in Ixheim, wenn das Zeug dann einmal steht, auch nicht mehr gegen an.

Das Problem mit den „Pop-up-Radwegen“ bestand (und das schreibt auch das Gericht) vor allem auch darin, dass die Berliner Verwaltung hier ausdrücklich Radfahrstreifen mittels Zeichen 237 Radweg als benutzungspflichtig ausgewiesen – und somit dem Radverkehr(!) gleichzeitig die Benutzung der übrigen Fahrbahn verboten hat.

Das fehlende Bewusstsein dafür, dass durch die meisten „Radwege“ gleichzeitig ein Fahrbahnverbot verhängt wird, ist es, welches mich beim Thema „Radwege“ und der Berichterstattung hierüber generell in den Wahnsinn treibt. Denn auch der Autor des LTO-Artikels verschwendet keinen einzigen Gedanken daran, dass gerade durch die Anlage von derartigen „Radwegen“ (vor allem in Gestalt von per Radweg benutzungspflichtigen Radfahrstreifen) Radfahrer eben nicht nur einen (vermeintlich exklusiven) „Radweg“ erhalten, sondern, dass man jenen auch gleichzeitig die Benutzung der übrigen Fahrbahn verbietet! Mit allen Nachteilen (wie z. B. das Recht auf direktes Linksabbiegen), welche damit verbunden sind.

Selbst im LTO-Artikel über die Entscheidung des VG Berlin verkürzt das sich auf juristische Berichterstattung spezialisiert habende Portal dessen Beschluss unter anderem auf den folgenden Satz:

Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und deren Anordnung damit zwingend erforderlich sei.

Das ist in dieser Pauschalität so leider falsch. „Radwege“ dürfen erst einmal überall angeordnet oder angelegt werden; was hingegen nicht geht, ist eine Verpflichtung, diese auch benutzen zu müssen.

Die Stadt Pirmasens hatte beispielsweise im Jahre 2019 in der Teichstraße mittels Breitstrich und Markierungen einen mangels Beschilderung mit Radweg nicht benutzungspflichtigen(!) „sonstigen Radweg“ im Sinne des § 2 (4) Satz 3 Straßenverkehrsordnung angelegt, der dort auch bis heute so existiert. Und den man als Radfahrer nicht benutzen muss. Vermutlich lag dies jedoch nicht an der Herzensgüte der zuständigen Behörde, sondern deren fehlendem Wissen, dass die aufgemalten(!) Radweg keine Benutzungspflicht dieses Streifens bewirken. Egal.

Grundsätzlich kann die Behörde überall baulich, aber vor allem auch mittels Markierungen den Straßenraum so aufteilen, wie sie es für sinnvoll erachtet. Das gilt auch für jede Art von (nicht benutzungspflichtiger) Radverkehrsführung; wie z. B. ganz aktuell der brandneue (und -gefährliche), direkt hinter Parkflächen(!) vorbeiführende „Schutzstreifen“ am Schillerplatz.

„Radfahrstreifen“ sind zwar gemäß § 45 (9) S. 4 StVO (willkürlich) vom Regelungsgehalt des Satzes 3 ausgenommen und können daher auch grundsätzlich erst einmal (ohne sich eine „Gefahrenlage“ aus den Fingern saugen zu müssen) angeordnet werden. Das VG Berlin stellte jedoch in seiner Entscheidung fest, dass in solchen Fällen ebenfalls eine zwingende Erforderlichkeit im Sinne des Satzes 1 nachgewiesen werden muss. Und auch diesen Nachweis hatte die Senatsverwaltung für nicht nötig gehalten.

Das VG stellte zudem fest, dass es auch nach dem Berliner Straßenrecht (also Landesrecht) erst einmal keiner Widmungsbeschränkung bedürfe, um den Verkehr auf einzelnen Fahrbahn- bzw. Straßenteilen zu regeln, zu verbieten oder zu beschränken. Eine Sperrung eines Fahrstreifens per über diesem hängenden Verbot für Kraftfahrzeuge oder einer Trägertafel wäre meiner Meinung nach rechtlich sogar wesentlich einfacher zu begründen gewesen. Hätte die Berliner Verwaltung sich die blauen Schilder gespart und auf Pinseleien beschränkt, wäre sie vermutlich sogar damit durchgekommen.

Autospuren zu Pflugscharen, äh, Radwegen?

Aber zurück zum aktuellen LTO-Artikel. Im geplanten neuen § 45 (1) S. 2 Nr. 7 StVO sollen genau diese Möglichkeiten, den Straßenraum ganz allgemein anders aufzuteilen (ohne bspw. Benutzungspflichten zu verhängen), festgeschrieben werden:

7. zur Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung, sofern die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt sind, hinsichtlich

a) der Einrichtung von Sonderfahrstreifen und bevorrechtigenden Lichtzeichenregelungen für Linienbusse und
b) der Bereitstellung angemessener Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrradverkehr sowie für den Fußverkehr.

Das reicht meiner Meinung nach mehr als aus; da die Behörden sowieso schon vor allem über die bauliche Gestaltung und Anordnung von Markierungen grundsätzlich alle Möglichkeiten in den Händen halten, auch „Radwege“ anzulegen, die nicht mit Benutzungspflichten einhergehen. Ich bedaure es viel eher, dass auch im Zuge der geplanten Änderung für gerade solche nicht benutzungspflichtigen „Radwege“ weiterhin keine rechteckigen Verkehrszeichen eingeführt werden sollen.

Der Autor des LTO-Artikels bedauert hingegen weiterhin, dass Straßenverkehrsbehörden im Hinblick auf die Anordnung von Fahrbahnverboten auch zukünftig keine völlige Narrenfreiheit genießen sollen. Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer als Grundvoraussetzung für die Anordnung von Verkehrszeichen scheint ihm auch generell nicht so wichtig zu sein? Also „Regeln“ um ihrer selbst willen?

Zudem hat sich an den allgemeinen Erlassvoraussetzungen für Verkehrszeichen nichts geändert. Diese dürfen nur „aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs“ angeordnet werden (Abs. 1) und unterliegen der zusätzlichen Voraussetzung, dass sie „auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich“ sind (Abs. 9 S. 1). All das klingt nicht danach, als sei es künftig leichter möglich, eine Autospur in eine Busspur oder einen Radweg umzuwandeln.

Lieber Herr Dr. Kolter – was ist bitteschön eine „Autospur“? Wo finde ich die entsprechende Legaldefinition hierfür? Die bittere Ironie in dieser Aussage liegt vor allem darin, dass diese ominösen „Autospuren“ ja erst durch die Anlage eines (benutzungspflichtigen) Radfahrstreifens (auch sehr gerne unscharf als „Radweg“ bezeichnet) entstehen. Bis dahin(!) sind es ganz normale Fahrstreifen, die von allen Fahrzeugnutzern gleichberechtigt benutzt werden dürfen. Der Autor arbeitet hier in einer ähnlich manipulativen / suggestiven Weise wie z. B. der LBM, der durchschnittliche Landstraßen im Rahmen seines auch sonst aberwitzigen HBR-Systems gerne mal als „Autostraßen“ bezeichnet. Auch der Nachbarblogger aus Zweibrücken schreibt immer wieder von sogenannten „Autofahrbahnen“.

Letzten Endes halte ich diese Debatte, vor allem aufgrund der einleitend geschilderten Problematik, dass Straßenverkehrsbehörden sich in der Praxis für geltendes Recht eh nicht interessieren, nur für bedingt relevant. Es reicht ja bereits die (willkürliche) Anordnung eines Gemeinsamer Geh- und Radweg aus, um Radfahrer zum (eigentlich verbotenen) Gehwegradeln zu zwingen. Selbst wenn es für die Schilder nicht einmal eine Anordnung gibt.

Es ist vielmehr der „grüne“ Zeitgeist, der mich an solchen Texten zunehmend anwidert. Weil es gar nicht mehr um sinnvolle Lösungen, sondern nur noch um hohle Ideologie geht. Für die sich abseits des großstädtischen Elfenbeinturms eh niemand interessiert. Man suggeriert, es gäbe (rechtliche) Probleme, wo faktisch gar keine sind. Und wer sich allen Ernstes wünscht, Radfahrern auf welche Weise auch immer die Benutzung der Fahrbahn zu verbieten, ist kein Freund des Radverkehrs, sondern missbraucht jenen für seine umweltpolitischen Wahnvorstellungen.

All dies geschieht, während man mich hier auf dem Land ein halbes Jahr lang mit dem Rad auf unbefahrbare Schotterpisten schickt und für den Kfz-Verkehr illegale Umleitungen einrichtet. Und alle (einschließlich des LBM, des Ministeriums und der „Presse“) so tun, als hätte das was mit geltendem Recht zu tun gehabt. Ich hatte LTO unter anderem auf dieses Thema hingewiesen. Berichten wollte man nicht hierüber; höchstens, wenn ich wieder über 500 Euro für eine Klage vor dem VG Neustadt verbrannt hätte.

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