Ich halte das rheinland-pfälzische HBR-System bekanntlich für einen generellen Betrug an Radfahrern. Es ist auf der rechtlichen Ebene faktisch inexistent und ignoriert zahlreiche maßgebliche Gesetze, woraus sich im Detail auch unzählige weitere Probleme ergeben. Eines davon ist die weit verbreitete Unsitte, derartige „Radrouten“ im Rahmen von Forstarbeiten einfach durch private Forstunternehmen zu sperren und Radfahrer in einer Sackgasse stranden zu lassen. Genau das ist mir im letzten Jahr wieder mehrfach passiert. Unter anderem quasi direkt vor der Haustür, als die Route des sogenannten „Dynamikum-Rundwegs“ durch das nördlich von Windsberg verlaufende Blümelstal wegen Forstarbeiten mehrmals über mehrere Tage gesperrt wurde.
Natürlich wurde darauf in keiner Weise hingewiesen. Weder durch eine Pressemeldung, noch eine HBR- oder gar StVO-Umleitung. Man fährt dann halt einfach teils über mehrere Kilometer in eine Sackgasse rein, um vor einem rot-weißen Flatterband mit irgendeinem Hinweisschild zu stranden, welches einem die Weiterfahrt verbieten möchte. Dieses Problem ist natürlich auch nicht neu. Im Frühjahr 2024 war jener Abschnitt zwischen der K 6 bei Windsberg und Hengsberg bzw. Petersberg mehrfach gesperrt. Dessen legale Benutzung ich übrigens einstmals auch erst straßenverkehrsrechtlich erwirken musste.
Und genau hier fangen die rechtlichen Probleme an, denn der Weg ist bis heute von der K 6 her immer noch mit einem Zeichen 260 StVO für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Freigegeben ist lediglich Anliegerverkehr. Und somit ist dort eigentlich auch kein land- und forstwirtschaftlicher Verkehr erlaubt. Wie kommen dann Forstunternehmen bitteschön auf die Idee, jenen Weg einfach mal eben zu sperren, weil sie dort Holz ernten und abtransportieren wollen? Wie u. a. am 2. Mai unterhalb der Blümelsbachtalbrücke.
Man muss sich hier zuallererst die Frage stellen, worum es sich bei diesem von der Stadt Pirmasens hergerichteten Weg überhaupt handelt? Wie so viele „Radrouten“ wurde jene niemals als selbständiger Geh- und Radweg im Sinne des § 3 Nr. 3 LStrG gewidmet. Ein „Wirtschaftsweg“ im Sinne des § 1 (5) LStrG ist dieser Weg allerdings offenkundig auch nicht. Wie bei der Piste zwischen Schönau und Wengelsbach handelt es sich hier also auch eher um eine mit wassergebundener Decke hergestellte Fläche ohne straßenrechtliche Eigenschaften.
Dennoch zeigt das Zeichen 260 StVO, als auch die HBR-Beschilderung, dass hier öffentlicher Verkehr zu Fuß und mit Fahrrädern stattfindet. Dieses Verkehrszeichen eröffnet den Geltungsbereich der StVO. Schauen wir noch einmal in die VwV zu § 1 StVO:
I. Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) regelt und lenkt den öffentlichen Verkehr. (…)
II. Öffentlicher Verkehr findet auch auf nicht gewidmeten Straßen statt, wenn diese mit Zustimmung oder unter Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich allgemein benutzt werden. (…)
III. Landesrecht über den Straßenverkehr ist unzulässig (vgl. Artikel 72 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 74 Nr. 22 des Grundgesetzes). Für örtliche Verkehrsregeln bleibt nur im Rahmen der StVO Raum.
Und genau hierüber stritt ich mich bereits im Jahre 2018 mit der Zentralstelle der Forstverwaltung in Neustadt zur allgemeinen Problematik, Waldwege rechtswidrig mit Zeichen 250 StVO zuzustellen.
Mein neuerlicher Kommunikationsversuch mit jener Zentralstelle im Frühjahr 2024 lief nicht wirklich konstruktiver als damals ab, denn man verweigerte mir erst einmal über eine längere Zeit eine Antwort auf meine Anfrage vom 19. April, wie es überhaupt sein könne, dass Forstunternehmen sich fortwährend anmaßen, HBR-Routen zu sperren und weder darauf hinzuweisen, noch umzuleiten. Eine solche erhielt ich erst nach mehrmaliger Erinnerung am 2. Juni vom selben Mitarbeiter, mit welchem ich mich bereits damals zum Thema Zeichen 250 ergebnislos ausgetauscht hatte.
Das Erfordernis von Waldwege-Sperrungen aufgrund von forstwirtschaftlichen Arbeiten beruht auf verschiedenen Rechtsgrundlagen vom Landeswaldgesetz über Regeln zur Arbeits- und Waldbesuchenden-Sicherheit bis hin zum BGB; die Beachtung solcher Sperrungen sollte aber bereits im eigenen Interesse auch auf Grundlage des gesunden Menschenverstandes sowie des Gebotes der Rücksichtnahme auf im Wald Nutzungsberechtigte erfolgen.
Grundsätzlich sollen bei ausgewiesenen Wander- oder Radwegen Umleitungen ausgeschildert sein; wenn das im Einzelfall nicht optimal gewährleistet ist, kann das an Kommunikationspannen zwischen den dabei beteiligten Stellen (Forstamt, beauftragte Unternehmen, Tourismusbüros etc.) liegen. Solche Fälle bieten dann Anlass, sich über künftige Verbesserungs- und Abhilfemaßnahmen Gedanken zu machen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben. Sollten Sie Ihre Meinung aufrecht erhalten, Sperrungen von Waldwegen könnten nur im Rahmen der Straßenverkehrsordnung realisiert werden und müssten daher inkl. straßenverkehrsrechtlichen Umleitungsausschilderungen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden, darf ich Sie zuständigkeitshalber an die entsprechenden Stellen verweisen.
Das hat mir natürlich nicht gereicht. In meiner ersten Antwort vom selben Tage verwies ich u. a. auf den § 45 (6) StVO. Auch auf meine wiederholt geäußerte Rechtsauffassung, dass bei derartigen Vollsperrungen grundsätzlich straßenverkehrsrechtliche Anordnungen einzuholen seien, erhielt ich wiederum keine Antwort. Gedanken über „Verbesserungs- und Abhilfemaßnahmen“ hatte man sich nachweislich in den folgenden Monaten allerdings auch keine gemacht.
Anlässlich einer erneuten unangekündigten Sperrung der HBR-Route des „Dynamikum-Rundwegs“ bei Hengsberg (das Beitragsbild entstand am 12. September an der Hengsberger Pumpstation) versuchte ich im September und Oktober noch einmal, die nicht wirklich fruchtbare Diskussion wieder aufzunehmen. Und scheiterte an der üblichen Arroganz deutscher Behördenvertreter. Der folgende Clip entstand übrigens am 18. September.
Auch wenn ich dem HBR-System an sich keine Bedeutung beimessen möchte, die es meines Erachtens rechtlich gesehen auch gar nicht hat, kann es dennoch nicht schaden, auf die Widersprüche hinzuweisen, die sich da draußen in der freien Wildbahn eben permanent ergeben. Und das betrifft eben vor allen Dingen „spontane“ Vollsperrungen ohne Hinweise oder Umleitungen aufgrund von Forstarbeiten. Im sogenannten Fachportal von radwanderland.de findet man u. a. die folgende Aussage:
Die Abstimmung der HBR-Umleitungen sind u. a. zusammen mit den Verkehrsbehörden durchzuführen.
Ja, eben. Weil öffentlicher Verkehr betroffen ist. Warum macht es dann aber keiner? Die HBR-Fortschreibung 2021 (pdf, 7 MB) enthält gar ein ganzes Kapitel (Nummer 11), welches sich mit dem Thema Umleitungen befasst.
Die nachhaltige Qualitätssicherung des Landesradwegenetzes wird zur Förderung der Nah- und Fernmobilität immer wichtiger. Bei jeder (auch kurzzeitigen) Unterbrechung von radgeeigneten Verbindungen ist eine der Bedeutung des Radweges angemessene Führung bzw. Umleitung vorzusehen sowie eine entsprechende Umleitungsbeschilderung für den Radfahrer zu gewährleisten.
Außerdem kann man auf der Download-Seite einen kompakten Flyer zur Thematik finden. Den allerdings kaum jemand beachtet; vor allem nicht Forstunternehmen. Ja, nicht einmal der LBM selbst. Warum nicht? Vielleicht, weil sich diese Ausführungen in erster Linie auf Bau- aber nicht explizit auch auf Forstarbeiten beziehen?
Da die Zentralstelle der Forstverwaltung kein Interesse an einem konstruktiven Dialog hatte, bat ich ebenfalls die HBR-Abteilung des LBM um eine Stellungnahme zu dieser Problematik. Diese Abteilung hat das getan, was sie grundsätzlich immer tut: Meine Anfrage ignorieren. Also musste ich erneut die Dienste der Bürgerbeauftragten des Landes in Anspruch nehmen, um vom LBM eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob und wie Forstunternehmen HBR-Routen überhaupt (und dann auch noch ohne HBR- oder StVO-Umleitungen) sperren dürfen. Der LBM behauptete in seiner Antwort dann das Folgende.
Dazu führt der LBM aus, dass anders als bei einer Wegweisung nach der Straßenverkehrsordnung eine Wegweisung nach den landeseinheitlichen HBR keiner verkehrsbehördlichen Anordnung bedarf. Infolgedessen seien die örtlichen Straßenverkehrsbehörden nicht zuständig.
Der LBM gibt hier relativ unumwunden zu, dass sein HBR-System Betrug ist und es gerade kein Netz ist, über welches öffentlicher Verkehr im Sinne des Straßen- und Straßenverkehrsrechts geführt wird. Der LBM ignoriert daher auch die Tatsache, dass im Zuge von HBR-Routen sehr wohl die StVO gilt. Wenn ich Radfahrern ein mittels Bundesrecht gewährtes Recht, einen mit Zeichen 260 beschilderten Weg zu befahren, einschränke, brauche ich hierfür auch eine bundesrechtliche Befugnis durch die hierfür zuständige Straßenverkehrsbehörde.
Ihrer Erwartung sei in der aktuellen Fassung der HBR von 2021 bereits Rechnung getragen worden. Hier werde explizit darauf hingewiesen, dass bei Nutzung von Forst- und Waldwegen im Vorfeld ein Gestattungsvertrag zwischen den vor Ort Beteiligten abgeschlossen werden muss. Bestandteil dieses Vertrags sei auch, dass bei einer möglichen Sperrung des Weges schon vorab eine für den Radverkehr annehmbare Umleitungstrecke festzulegen ist.
Keine Ahnung, was der LBM mir mit diesem Geschwurbel sagen möchte? Die hier aufgestellte Behauptung lässt sich mittels Blick in die HBR 2021 im Übrigen auch schlicht nicht belegen, denn in dieser taucht das Wort „Gestattungsvertrag“ gar nicht auf. Zumal es bzgl. etwaiger Forstarbeiten oder anderweitiger Sperrung keiner derartiger individuellen Regelungen bedarf, da die allgemeinen und aktuellen HBR-Regularien bzgl. des Themas Umleitungen gelten.
Und welche „Beteiligten“ sollten das denn bitteschön – vor allem im Einzelfall – auch sein? Die Stadt Pirmasens hatte hier im Jahre 2014 ausdrücklich einen „Radweg“ angelegt, diesen aber nie als solchen gewidmet. Sie wusste auch selbst nichts davon, dass ihre Radroute mehrmals durch Forstunternehmen gesperrt wurde. Niemand hat diese Sperrungen „genehmigt“. Es fand auch keinerlei „Abstimmung“ statt.
Der LBM erklärt weiter, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Radverkehrsführung handelt, die bereits in den Anfängen der HBR als Themenroute ausgewiesen wurde. Hier habe eine entsprechende Regelungsgestaltung, wie ausgeführt, noch nicht bestanden.
Der LBM lügt. Ich kann das nicht anders bezeichnen. Der „Dynamikum-Rundweg“ wurde im Jahr 2014 fertiggestellt. Die HBR wurden in Rheinland-Pfalz im Juni 2004 eingeführt. Selbst wenn es bzgl. des Themas Sperrungen damals keine derartige individuelle „Regelungsgestaltung“ gegeben hätte, sind jetzt die aktuellen allgemeinen HBR-Regularien gültig. Zumal das alles überhaupt nichts mit der Frage zu tun hat, ob und wie derartige Routen durch private Forstunternehmen gesperrt werden dürfen oder nicht. Reine Ablenkung, weil man sich sonst nichts Passenderes zur Thematik aus den Fingern saugen konnte.
Ungeachtet dessen wäre es wünschenswert, wenn die lokalen Akteure (Forst-, Landwirtschaft und Kommunen) generell bei etwaigen Sperrungen bzw. Einschränkungen oder Umleitungen von Radverkehrsführungen dies frühestmöglich öffentlich kommunizieren. Der LBM sei hier jedoch nicht der richtige Adressat.
Aha, es wäre also „wünschenswert“? Und der LBM sei also gar nicht der richtige Adressat bzgl. berechtigter Kritik daran, dass seine ach so tollen „Radrouten“ immer wieder von irgendwelchen Forstunternehmen willkürlich (und ohne Rechtsgrundlage) gesperrt werden? So, wie es mir auch am wieder erging, als man mal eben am 10. März erneut die HBR-Route des „Dynamikum-Rundwegs“ im Felsalbtal zwischen Dusenbrücken und der Eichelsbacher Mühle wegen Forstarbeiten gesperrt hatte? Siehe hierzu meinen Faden bei X.
Danke, mehr muss man über das HBR-System wirklich nicht wissen! Das Problem ist übrigens auch grenzüberschreitend. Am 22. Oktober strandete ich, dem sogenannten, sich in einem fürchterlichen Zustand befindlichen „Rückenwind-Radweg“ folgend, kurz hinter der deutsch-französischen Grenze vor dieser mit einem Wachhund und einem Auto abgesicherten Absperrung.
Hinweise oder gar eine Umleitung gab es auf beiden Seiten der Grenze überhaupt keine. Wie das halt so ist, auf „Radrouten“.