Die SZ und die Helmpflicht

Die SZ befasst sich mal wieder (es beginnt ja grade die so genannte „Fahrradsaison“…) mit dem Thema „Fahrradhelm“. Die URL zeigt, dass der Artikel in der Kategorie „auto“ erschien. Da passt er ja auch hin!

Denn darum geht es dann auch einmal mehr bei der nicht tot zu kriegenden Debatte um die moderne Hasenpfote für Radfahrer. Den wesentlichen Nutzen einer Helmpflicht hätten hier einmal mehr die Fahrer (und Haftpflichtversicherer) von Kfz, die im Falle eines Unfalls auf den „fehlenden Helm“ verweisen können, um sich Schmerzensgeld und Schadenersatz zu sparen. Freundlich unterstützt von absurden Fehlurteilen der Justiz sowie unzähligen Polizeidienststellen dieser Republik, die in ihren Unfallberichten ständig orakeln, was denn ohne Helm alles hätte passieren können. Hatte ein Radler einen Helm auf und wurde trotzdem schwer verletzt oder gar getötet – liest man dazu meist: gar nichts!

Es gab schon (teils von höheren Instanzen zum Glück aufgehobene) Urteile, in denen versucht wurde, mittels einer Mithaftung helmloser Opfer von Autofahrern wegen unzureichender „Schadenminderungspflicht“ eine indirekte Helmpflicht zu bewirken. Und die Haftpflichtversicherer werden in dieser Sache keine Ruhe geben – wenn die freiwillige Tragequote ausreichend hoch ist, wird man es erneut versuchen!

Man schwatzt also einer eh ungeliebten, den „echten“ Verkehr aufhaltenden Gruppe Verkehrsteilnehmer ein mehr als fragwürdiges Utensil auf (für den auch weiterhin jeder wissenschaftliche Nachweis einer Nützlichkeit fehlt), macht sich (wie im Artikel) teils über die Gegenargumente lustig, schafft durch Penetranz und Beschwörungen des vermeintlich „gesunden Menschenverstandes“ ein gesellschaftliches Klima, in welchem es mehr und mehr verwerflich gilt, bspw. seine Kinder ohne diese albernen Styroporkappen Rad fahren zu lassen. Wer wie ich viel Rennrad oder MTB fährt, kommt ständig unter Rechtfertigungsdruck, warum er denn ohne „Helm“ fahren würde. Es gibt inzwischen gar (private) Trainingsgruppen, in denen man „ohne“ gar nicht mal mehr mitfahren „darf“.

Grade der Druck auf die Kinder wird meiner Ansicht nach auf lange Sicht (vergiftete) Früchte tragen, denn: wer Freiheit niemals kennengelernt hat, wird sie später nicht vermissen! Es ist schon absurd und erinnert an eine „Schöne Neue Welt“, wenn man als Erwachsener von 10-Jährigen in einem altklugen Ton gefragt wird, wo denn mein Fahrradhelm sei? :O

Autor Felix Reek stellt dabei eigentlich gleich schon zu Beginn durch die Beschreibung fest, dass der gemeine „Fahrradhelm“ nicht viel mehr „als ein schnödes Stück Plastik“ sei – und somit als Solcher nicht einmal diese Bezeichnung verdient hätte. Jeder mag sich dazu die geltenden (unrealistischen) Prüfnormen ansehen – wenn er seinen Glauben nicht erschüttern möchte. Trotzdem bestehen natürlich keinerlei Zweifel an der magischen, lebensrettenden Schutzwirkung dieser „Stücke Kunststoff“! Weshalb im folgenden Artikel dann doch scheinheilig und einseitig nach Gründen gesucht wird, weshalb man dann doch eine Helmpflicht einführen solle. 🙄

Schädel-Hirn-Traumata sind sicher Vieles, aber grade nicht die „häufigste Radfahrerverletzung von verunglückten Radfahrern im Straßenverkehr“. Nicht einmal, wenn man nur die Schwerverletzten und Getöteten zählt. Im Jahr 2016 verunfallten laut Statistischem Bundesamt 14.485 Radfahrer schwer – es würde mich stark wundern, wenn sich darunter gar deutlich mehr als die Hälfte (erheblich – und ausschließlich!) am Kopf verletzt hätte! Schlicht, weil es vom Bewegungsablauf her schon unheimlich schwer ist, bei einem Fahrradunfall überhaupt auf dem Kopf zu landen.

Ich werfe hier jetzt auch nicht wild mit Links um mich; wer sich informieren will, möge die Suchmaschine seiner Wahl mit den entsprechenden Schlagwörtern füttern! Die verlinkte Studie mit den „50 bis 70 %“ erinnert alleine schon von den Zahlen her an die berüchtigte „Thompson-Rivara-Thompson-Studie.“

Reek verweist sogar auf Australien und die dadurch stark gestiegene Tragequote. Was er nicht erwähnt, ist der starke Rückgang des Radverkehrs in so ziemlich allen Ländern, in denen eine solche Pflicht eingeführt wurde. Durch die verringerten Radverkehrsanteile wurde das Risiko für den einzelnen Radfahrer sogar noch erhöht!

Artikel wie dieser sind quasi vorweggenommenes victim-blaming. Sie dienen (wie Radwege auch…) nicht der „Sicherheit“ der Radfahrer, sondern derer Verunsicherung! Man will das Radfahren als möglichst gefährlich darstellen. Und wenn ein Autofahrer mal wieder Mist gebaut hat, kann der auch noch frech fragen, warum der Radfahrer sich denn nicht gefälligst selber geschützt hätte…!

Leute – zieht euch von mir aus auch ein Nudelsieb oder einen Aluhut beim Radfahren oder auch beim Beischlaf auf. Aber hört endlich auf damit, eine gesunde und sichere Fortbewegungsart wie das Radfahren andauernd als „gefährlich“ zu brandmarken! Radfahren ist (auch ohne Helm) nicht gefährlicher als alles andere, was man im Alltag so macht. Wenn überhaupt, müssten erst einmal Helme für Autofahrer und Fußgänger gefordert werden. Macht aber keiner. Damit ist eigentlich alles über die Motivation gesagt, warum ständig solche scheinheiligen, unschuldig tuenden Meinungsartikel wie dieser hier erscheinen.

17 Gedanken zu „Die SZ und die Helmpflicht“

  1. Joa, trifft auch so im Großen und Ganzen meine Ansicht. Außer, dass ich auch bei „korrekt“ getragenem Helm überflüssige Verletzungsrisiken sehe, da (grade bei Kindern) der Kopfumfang deutlich vergrößert wird. Bei Stürzen, bei denen die Reflexe und Halswirbelmuskulatur grade in aller Regel ausreichen, den Kopf vom Boden fernzuhalten – schlägt die deutlich aufgeblähte (und schwerere / trägere) Melone dann eben doch auf! Und das kann dann schon dem Genick einen Knacks verpassen. Stattdessen zeigt man stolz den eingedellten Helm und behauptet, er habe einem das Leben gerettet.

    Ich frag mich ja eh, warum trotz der ganzen Radhelm-Paranoia Kleinkinder immer noch in vor scharfkantigen Todesfallen nur so gespickten deutschen Wohnzimmern ohne Helm laufen lernen dürfen. Aber auch dafür wird sicher bald jemand eine Lösung finden. 🙄

    Die Beschleunigungen, die in erster Linie die SHT verursachen (also Hirn klatscht an die Innenseite des Schädels), bremst so ein Stück Plastik sowieso nicht in nennenswertem Umfang ab; besonders dann nicht, wenn man mit einem Auto kollidiert. Schädelbrüche verhindert so’n Ding erst Recht nicht. Statistische und Wissenschaftliche Nachweise? Fehlanzeige! Ein „echter“ Radhelm, der wirklich was nützen könnte – wird immer an der menschlichen Eigenschaft des Schwitzens scheitern. Der bunt lackierte, luftige „Kompromiss“ taugt nix. Er dient ledglich dazu, das Radfahren unattraktiv zu machen, mit Scheinsicherheit (viel) Geld zu verdienen oder zu sparen (Schmerzensgeld) – und vor Allem: victim-blaming zu betreiben!

  2. Die Meinung von Norbert deckt sich auch mit meiner: Helmtragen ja, Helmpflicht nein.
    Und schon gar nicht Umkehr der Schuld bei Unfall ohne Helm.
    Und so schwierig ist es aus eigener Anschauung wohl nicht, auf den Kopf zu fallen:
    Fall 1: mein Sohn auf dem Radweg, trocken, jedoch eine Holzbrücke gefroren – Sohn gestützt und rückwärts mit dem Kopf ins Brückengeländer eingeschlagen. Folge: Helm gebrochen, Kopf ganz.
    Fall 2: Ich im Wald gestürzt und vorwärts mit dem Kopf auf einen liegenden Baum gefallen. Folge: Brille gebrochen, Helm gebrochen, Kopf hatte blauen Ring ums rechte Auge von der Brille.
    Deshalb: das „Stück Plastik“ finde ich jetzt nicht ganz so unnütz.
    Übrigens habe ich beruflich auch öfter einen Helm auf. Auch der hat mir schon mal einen (kleinen) Stein aus 3 Etagen über mir abgehalten.

    1. *harharhar* – das Helmthema bringt immer garantierten Traffic! 😈

      Spekulatius zu Fall 1: dein Sohn hätte halt vielleicht einfach auch nur ne Beule haben können. Weiß man halt nicht. Wo werden denn bitte Radwegbrücken mit Holzböden und scharfkantigem Flachstahl als Geländerelemente installiert…? 😯 Und einen Radhelm kriegt man eigentlich recht schnell auseinander, wenn man denn unbedingt will. 😉
      Fall 2: Ebenfalls. Kopfvor haut es dich in der Regel ja dann aufs Kinn, Nase bzw. die Kauleiste – also den Bereich, den ein klassischer Radhelm überhaupt nicht abdeckt. Wegen des Vorstehens einiger Modelle kommen eher wieder Hebelwirkungen in Reichweite – war das dann bei dir auch der Fall? Oder bist du wirklich wie ein Steinbock mit der Oberseite des Helmes gegen den Baumstamm geprallt? Übrigens: Der Unfall ist ein gutes Argument für Kontaktlinsen! Glasscherben im Auge sind nämlich unfein.
      Reitunfall: Reithelme sind natürlich was anderes als Radhelme. Hier ist die (im Vergleich zum Rennrad bspw. um Welten höhere) Fallhöhe das eigentlich Gefährliche! Mit dem Hinterkopf auf den Boden knallen ist allgemein übel, passiert aber auch bei hundsgewöhnlichen Ausrutschern – wo niemals jemand auf die Idee käme, einen Helm zu tragen.
      Baustellenhelm: Genau für so Kleinkram (grade lästige Beulen durch Kopfanstoßen) werden diese Art Helme entwickelt. Bei einem größeren Stein oder Objekt nützt so einer dann aber ebenfalls nicht mehr viel!

      Auf jeden Fall Danke für die Schilderungen. Im Grunde ist es ja auch egal; soll wie du ja treffend anmerkst jeder für sich selbst entscheiden – dürfen!

      Das einzige Mal, dass mir persönlich ein Radhelm was genutzt hätte war, als mir ein Greifvogel mal zärtlich den Hinterkopf getätschelt hat! :mrgreen:

  3. Ich hab mich im Laufe der Jahre hin und wieder mal wegen wegrutschenden Vorderrads auf nasser oder glatter Fahrbahn seitlich „abgelegt“. Dabei bekam hauptsächlich die Schulter und der Hüftknochen (Prellungen) was ab – der Kopf blieb aber stets (wenn auch knapp) über dem Boden. Hätte ich in jenen Fällen einen Helm getragen, wäre jener wegen des vergrößerten Umfangs dann wohl doch aufgeditscht. Das hätte dann eine Hebelwirkung in Richtung des Nackens bewirkt… Sicher – alles subjektive Spekulation. Ich kann mir die Wirkung daher halt einigermaßen vorstellen.

    Überbehütete Kinder sind natürlich allgemein ein gewaltiges Problem, welches uns in Zukunft noch schwer zu schaffen machen wird. Hätte mich aber gewundert, wenn „der Markt“ auch nicht hierfür schon eine Lösung angeboten hätte. Jedenfalls steckt der „Säuglings- und Lauflern-Helm“ sicher auch schon in den Kinderschuhen! 👿 Schöne Neue Welt!

    Ich halte ganz allgemein nix von speziellen Schutzausrüstungen für Radfahrer. Das führt im Wesentlichen oft nur zu Risikokompensation und ist grade bei MTBern oft zu beobachten: je intensiver die Panzerung, desto bekloppter wird geheizt – und stärker sich verletzt! Könnte auch ein Grund für Unfälle von oft bewahnwesteten und -helmten Pedelec-Senioren sein. 😉 Wenn man wirklich will, dass mehr Leute Radfahren – darf man ihnen keine Angst machen, indem man sich selber übertrieben panzert. Objektiv ist das Risiko eines schweren Unfalls extrem gering. Und die 0,000x % Restrisiko sollten einem die Frei- und Unbeschwertheit dann auch wert sein!

  4. Es braucht schon eine gewisse Kraft, um einen Helm zu spalten. An Brückengeländer war´s ein scharfkantiger Flachstahl, der den Helm wir ein Messer aufgetrennt hat.
    Und bei mir hat die Brille, obwohl der Kopf schon vom Helm abgebremst war, einen heftigen, wochenlang sichtbaren Abdruck hinterlassen.
    Meine Frau musste nach einem Reitunfall (Hinterkopf auf Asphalt ohne Helm) mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus (Seitdem reitet sie auch immer mit Hut).
    Ich bilde mir da schon eine gewisse Schutzwirkung ein und fahre praktisch immer mit Helm.
    Aber eine Helmpflicht würde ich, wie schon gesagt, trotzdem nicht befürworten.

  5. @Dennis:
    Die Brücke ist in Annweiler, Queichtalradweg, die Brücke bei der Sparkasse. Das Geländer war nach Richtzeichnung Gel 4 der BAST. https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Ingenieurbau/Publikationen/Regelwerke/Entwurf/Gel-Brueckengelaender-Entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=4
    Mittlerweile ist das einem modern gestalteten Geländer gewichen, ich bin mir auch nicht sicher, ob der Holzbelag noch ist.
    Ich bin eben nicht auf die Schnauze gefallen, sondern auf die obere Gesichtshälfte. Die Brille war übrigens nur eine MTB-Schutzbrille aus Kunststoff. Die ist nicht gesplittert, nur gebrochen.

    Weil Du meinst, Reithelm wäre etwas anderes: Fallhöhe mache ich durchaus mit Anfluggeschwindigkeit wett.

    Und das Totschlagargument, keiner weiß, was ohne Helm passiert wäre, kann man genau so umgekehrt anbringen, wie viele Verletzungen gäbe es nicht, hätte man einen Helm getragen.

    Wie gesagt, ich will nicht missionieren, aber ich bin überzeugt, dass der Helm zumindest in den beiden Fällen, insbesondere beim Sohn, schlimmeres verhindert hat.

    1. Moin Joachim,

      Radwegbrücken aus Holz oder mit rutschigem Kunststoffbelag gibt es hier in der Gegend auch immer noch. Wär mal einen eigenen Beitrag wert… Jedenfalls: Doch, bei Kopfverletzungen und Stürzen von Radfahrern ist grade die Fallhöhe ein sehr wichtiger Faktor, weil man eher selten frontal horizontalbeschleunigt gegen feste Hindernisse prallt! Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Das mit der Fallhöhe war übrigens einer der Gründe, warum Hochräder (und deren Nutzer) im wahrsten Sine ausgestorben sind! 😉 Ein Reithelm ist auch deshalb was anderes, weil er anders (stabiler) aufgebaut und nicht so „luftig“ ist. SHT kann er aber auch nicht wirklich verhindern.

      Das ist übrigens kein „Totschlagargument“, wenn man nüchtern darauf hinweist, dass eben keiner genau weiß, was ohne Helm passiert wäre! Wenn es um die eigenen Kinder und deren Wohlergehen geht, sind Eltern jedenfalls in den seltensten Fällen objektiv. 😉 Es liegt daher weiter eher an den „Missionaren“, zu beweisen, dass jener Radhelm (schau dir doch mal die Prüfnormen an) wirklich dafür taugt, schwerere Verletzungen zu verhindern. Leichtere wie Beulen, Kratzer oder Platzwunden – da mag er was bringen. Die bringen einen aber auch nicht um.

      Die einfache Gleichung „Radhelm kaputt = Schädelbruch verhindert“ stimmt jedenfalls so nicht.

      Mich nervt am Radhelm, dass man eben nur beim Radfahren einen trägt, aber nicht als Fußgänger oder im Alltag. Man fängt ja auch nicht an zu überlegen, nur noch mit Helm durch die Gegend zu laufen, wenn man sich im Haushalt hin und wieder offene Küchenschranktüren in den Schädel rammt oder sich sonst wo ständig die Birne an etwas anstößt. Final und konsequent zu Ende gedacht läuft, läuft diese zunehmende Paranoia dann sowieso auf 24/7-Vollprotektoren hinaus! 😀

  6. Schade, die Chance blieb ungenutzt. Die Süddeutsche schreibt: „Experten sind sich trotzdem sicher: Zwang ist der falsche Weg.“

    Und zwar in Fettdruck im ersten Absatz direkt unter der Überschrift.

    Danke schön, Süddeutsche. Du sprichst mir (ein überzeugter Helmträger) aus der Seele. Zwang hilft nicht, nur Einsicht.

    Welche Chance? Endlich mal eine Referenz, die sich gegen eine Helmpflicht ausspricht. Aber was geschieht, wenn eine Zeitung das Thema nur anspricht? Reflexartig wird eine Helmdiskussion vom Zaun gebrochen. Im Ritual erstarrt mit den ewig gleichen Argumenten. Anstatt anzuerkennen, dass wir einen renommierten Fürsprecher gegen eine Helmpflicht haben.

    Wir werden wahrscheinlich nie den statistischen Nachweis erbringen können, ob Helme Leben retten, vor schweren Kopfverletzungen schützen oder eben nicht. Die Fallzahlen sind (zum Glück) einfach zu klein und die Unfallgeschehen zu komplex und individuell.

    Meine persönliche Statistik (n=3 in 26 Jahren) lässt mich nur mit Eierbecher aufs Rad.

    Interessant in dem Zusammenhang: Bei Jedermannrennen auf abgesperrten Strecken gilt Helmpflicht. Keine Gefahr durch andere Verkehrsarten, durch kreuzenden oder entgegenkommenden Verkehr. Nur Radler, die permanent miteinander per Handzeichen oder per Zuruf kommunizieren und vor Gefahrenstellen warnen. Hier gilt der Grundsatz: „Sorge dich um die Sicherheit deiner Nebenleute. Denn damit steigerst du deine eigene.“

    1. Man merkt, lauter echte Radsportler hier! 😛

      Hallo Mathias,

      da siehste mal, wie unterschiedlich man so einen Artikel wahrnehmen kann. 😉 Denn ich kaufe der SZ grade nicht ab, sie sei gegen eine (gesetzliche) Helmpflicht. Der Artikel soll genau das bewirken, was du mit „Einsicht“ beschreibst. „Einsehen“ ist immer eine subjektive Sache, die grade bei überzeugten Helmträgern (du bezeichnest dich ja selber so) den Blick auf die Sache vernebelt. Da erzählt jeder seine Horrorgeschichten – und trägt dann Helm. Kann man machen. Anstatt z. B. auch mal seine Fahrweise zu hinterfragen. Denn ich kann selbst nach 300.000 km grade keine derartigen Horrorgeschichten erzählen. Andere haben schon nach 3.000 km drei Helme geschrottet… Die hatten nur Pech?

      Leider entwickeln sich daraus eben gesellschaftliche Zwänge. Ich verdanke ja dem Profi-Radsport einen Großteil meiner Radel-Leidenschaft und hab damals noch selber am Col de la Madeleine und in Alpe d’Huez den unbehelmten Profis zugejubelt. Dort wurde einfach eine Pflicht eingeführt, obwohl grade der Profiradsport nur sehr wenige Tote (die an Kopfverletzungen starben) zu verzeichnen hatte. Inzwischen darf man nicht mal mehr eine poplige RTF oder eine Trainingsrunde mit dem RSV Posemuckel ohne diese albernen Dinger fahren! 😥 Sowas nehmen „überzeugte“ halt leider nicht mehr wahr – wie sehr dieses Stück Plastik schon dazu dient, Leute gegen ihren Willen zu etwas zwingen zu wollen – oder sie sonst auszugrenzen!

      Eine Art von Radhelmpflicht haben wir also offenbar schon längst – in zunehmenden Bereichen! Und die wird sich wegen scheinheiligen Artikeln wie diesen immer weiter in die Gesellschaft hineinfressen. Wenn sich dann irgendwann genügend Leute „freiwillig“ zum Affen machen (Deutsche Radtouristen erkennt man in den Niederlanden am Helm…), wird die Helmpflicht kommen. Wie immer scheibchenweise: Erst für Kinder, dann über die Haftung, dann per Gesetz! Und jeder, der freiwillig einen trägt und somit die Gefährlichkeit des Radfahrens selber suggeriert – hat dann dazu sein Scherflein beigetragen!

      Bei Radwegen wissen viele, dass sie nur Scheinsicherheit versprechen. Beim Helm hingegen…

      1. Ich habe bisher Helme nur aus Altersgründen aussortiert

        Der Witz ist ja: Sobald dir so ein Ding nur mal aus der Hand und auf den Boden fällt, müsstest du ihn gem. „Bedienungsanleitung“ sofort austauschen!

        Gut, ich fahre auch nicht Rennrad und auch nicht Mountainbike.

        Musst du auch nicht; es ist mir z. B. nicht bekannt, dass die Gruppe Rennradfahrer unter den Verunglückten besonders hervorstechen würde. Ich vermute eher das völlige Gegenteil, da grade Rennradfahrer in aller Regel top gewartete Räder verwenden und über einen gewaltigen Erfahrungsschatz verfügen. Die paar km/h, die sie im Schnitt schneller als der Durchschnittsradler sind – taugen als ultimative Unfallursache nicht besonders. Leider geben die offiziellen Statistiken nicht viel her, was die Untergruppen betrifft. Allein der Glaube, Rennradfahren sei gefährlicher als das „normale“ Radfahren, hat ja ebenfalls schon dazu geführt, dass ein Gericht ein Urteil sprach, nach welchem NUR der Gruppe Rennradfahrer für erlittene Kopfverletzungen eine Mitschuld anzulasten sei. Obwohl man am Unfall selbst überhaupt keine Schuld hatte! Es würde mich stark wundern, wenn von allen verunglückten Radlern nicht mindestens 95 % Alltagsradler wären.

        Mountainbiker-Unfälle wird man evtl. gar nicht in der Straßenverkehrsunfallstatistik erfassen (weil jene meist abseits öffentlicher Straßen unterwegs sind), sondern eher in der Kategorie „Freizeit“. Ist aber nur eine Vermutung.

  7. Es steht dir doch, deine offene Fragen an den Autoren der SZ zu adressieren. Dann besteht zumindest die Möglichkeit, Zweifel auszuräumen.

    Was Helme angeht: Helmgegner behaupten immer, dass es keine wissenschaftliche Beweise für eine Schutzwirkung geben würde. Und führen als Gegenargumente Behauptungen auf, für die es eben auch keine Beweise gibt.

    Du hast den Radsport angesprochen – unbehelmte Profis. Seit 2003 gibt es dort eine Helmpflicht. Ich kann mich noch gut an die Diskussion erinnern. Klassische Gegenargumente waren mehr Gewicht und Hitzestau unter dem Helm. Über beides wird mittlerweile nicht mehr gesprochen. Die Praxis hat die Irrelevanz bewiesen.

    Zur Chronologie:

    1995: F. Casartelli stirbt an seinen schweren Kopfverletzungen infolge eines Sturzes. Die Helmdiskussion flammt auf. Helmgegner behaupten bis heute, dass hier ein Helm nichts gebracht hätte. Ein Beweis wurde nie geführt.

    2000: M. Wüst stürzt bei einem Radrennen schwer. Schwere Kopfverletzungen, er verliert ein Auge. Ach so, er trug (freiwillig) einen Helm. In einem Interview erklärt er, dass er ohne Helm wohl nicht überlebt hätte.

    2001: Ein ukrainischer Radsportler (Kiwilev?) stürzt und stirbt. Das soll der Auslöser für eine Helmpflicht im Radsport gewesen sein. Habe ich jetzt nicht recherchiert.

    2003: Einführung der Helmpflicht.

    2016 wurde die Trainingsgruppe um J. Degenkolb von einer Geisterfahrerin zerlegt. Viele Schwerverletzte. J.D. verliert fast einen Finger.

    Das sind keine Horrorgeschichten, sondern leider Realität. Und Helmgegner behaupten einfach, dass der Helm in diesen Situationen keine Wirkung gezeigt hätte.

    Behauptungen ohne Beweis. Beweispflichtig sind nur die Helmbefürworter.

    Für die These, Helmträger wären für eine zukunftige Helmpflicht mitverantwortlich, gibt es übrigens auch keinen Beweis.

    Und zum Schluss noch ein Wort zu meiner persönlichen Statistik. Genau genommen sogar n=4

    1. Ich stürze auf einem Radweg, weil ich scharf bremsen und ausweichen muss. Den Sand, der hier rumlag, hatte ich nicht im Kalkül. Ging halt alles sehr schnell. Ich schlage mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Nichts passiert dank Helm. Ohne Helm?

    2. Eine Bekannte fährt mit ihrem MTB eine abschüssige, asphaltierte Strecke in Weinbergen. Plötzlich ändert sich der Belag zu Schotter, sie erkennt das zu spät und knallt irgendwo dagegen.

    Der Unfallchirurg sagte ihr nach der OP, dass sie den Crash ohne Helm wohl nicht überlebt hätte.

    3. Ein früherer Kunde von mir fährt mit seinem Renner durch einen Kreisverkehr. Ein Taxifahrer nimmt ihn hopps.

    Die behandelnden Ärzte äußerten sich nach mehreren OPs ähnlich wie oben.

    4. Bei einem Radrennen auf dem Hockenheimring stürzt eine Fahrerin direkt vor mir. Die Strecke war feucht. In Kombination mit dem Gummiabrieb: tückisch. Ihr rutscht das Vorderrad weg und sie knallt mit der Schläfe auf den Asphalt. Dank Helm kann sie das Rennen fortsetzen. Ohne Helm?

    Fall 1 und 2 bezeichne ich als Fahrfehler. Kann jedem mal passieren.

    Fall 3: ohne Worte

    Fall 4: einfach Pech, die 20-30 Fahrer, die die gleiche Linie gewählt hatten, sind nicht gestürzt.

    Fahrstil überdenken hilft also nicht immer.

    1. Ganz viel Text für jemanden, der nicht „bekehren“ will…!? 😛 Ich bin übrigens auch kein „Helmgegner“, sonst würde ich überzeugten Helmträgern nicht ständig vorschlagen, sie sollten den ganzen Tag (insb. aber auch als Fußgänger und Autofahrer) einen tragen. Nur soviel noch: Den Fahrradhelm, mit dem Casartelli seinen Aufprall mit dem Gesicht voran auf einen Betonblock überlebt hätte, möchte ich sehen! Aber Leichenschändung dieser Art ist mir auch schon damals in den Foren begegnet, wo das intensiv diskutiert wurde. 🙄 In über 100 Jahren Tour de France starben bis dahin nur 4 Profis. Und nur einer davon an einer Kopfverletzung! Dass Helme eher wenig bringen, zeigt, dass in den Folgejahren trotzdem Radprofis (an Kopfverletzungen) starben. Komisch…!

      Die behandelnden Ärzte äußerten sich nach mehreren OPs ähnlich wie oben.

      Ärzte haben genauso viel Ahnung von Unfallforschung oder Physik wie der Rest derer, die sich sicher sind, dass sie selbst und ihr halbes Umfeld schon längst tot wären, wenn denn der Radhelm nicht gewesen wäre. Der gemäß seiner Prüfnormen schon bei einem Umkippen aus dem Stand (Ohnmacht) seine Wirksamkeitsgrenze überschreitet! „Fall 4“ hört sich an wie die von mir geschilderten Vorderradwegrutscher. Wahrscheinlich wär der Kopf nicht einmal auf dem Boden aufgekommen.

      Beweispflichtig sind nur die Helmbefürworter.

      Ja, sind sie. Wenn sie anderen (wie auch immer) einen Helm aufzwingen wollen!

      Also: Belassen wir es dabei! Wer glauben will, gehe (weiter) in die Kirche! 😉

    2. An deinem Kommentar erkennt man gut, wie Emotionen und subjektive Erlebnisse sachliche Argumente und wissenschaftliche Nachweise ersetzen sollen! Die Radprofi-Chronologie stimmt so in etwa; mit dem Tode Kivilevs brachen dann alle Dämme.

      Die Praxis hat die Irrelevanz bewiesen.

      Hat sie; wenn auch anders, als du meinst! Bislang konnte noch kein statistischer oder wissenschaftlicher Nachweis erbracht werden, dass die Helmpflicht Radprofis vor schweren oder tödlichen Verletzungen in nennenswerter Weise schützen würde. Grade weil Radhelme so schön „luftig“ sind, sind sie halt auch quasi vollkommen wirkungslos! Im besten Fall also ein Placebo; im schlimmsten Fall verleiten sie (besonders „Gläubige“) zu risikokompensatorischen Verhalten; ich verweise da nochmal auf die MTB-Szene. In der man übrigens richtig übel gedisst wird, wenn man keinen Helm tragen will, da werden in MTB-Foren sogar Fotos von unbehelmten Bikern „zensiert“! 😎

      Anekdote: Als ich vor ein paar Jahren mal zwei Schwaben per Rennrad durch die Nordvogesen geguidet habe, war die Stimmung schon direkt zu Beginn der Tour im Eimer, weil die beiden von der Tatsache, dass ich keinen Helm trug, richtiggehend schockiert waren; ich hatte den Eindruck, die würden vor Fremdscham im Boden versinken. So sehr wurde das Klima also schon vergiftet – auch ohne gesetzliche „Helmpflicht“. Das wurde auch durch genau solche „Einsicht“ einfordernden Meinungs-Artikelchen wie jenen in der SZ erreicht!

      Das sind keine Horrorgeschichten, sondern leider Realität.

      Nein, das ist subjektives Empfinden! Von der „Sicherheit“ von separierten Radwegen zutiefst Überzeugte (und dazu gehören vor allem „Auch-radfahrende“ Autofahrer…) zeichnen auch ständig ein Zerrbild einer „Realität“, wonach massenhaft getötete Radfahrer noch leben würden, wenn es denn doch mehr Radwege gegeben hätte…! 🙄

      Für die These, Helmträger wären für eine zukunftige Helmpflicht mitverantwortlich, gibt es übrigens auch keinen Beweis.

      Natürlich gibt es jenen, nachzulesen u. a. in diesem Urteil (pdf, Rn 13). Eine ausreichende Tragequote wird dazu führen, dass jenes „allgemeine Verkehrsbewusstsein“ als Begründung für eine „Erforderlichkeit“ – und somit eine Mithaftung Unbehelmter herangezogen werden wird.

      persönlichen Statistik. Genau genommen sogar n=4

      Nein, eher: n=1. Die Erfahrungen anderer zählen nicht als eigene Erfahrung. Persönliche Fahrfehler kann man natürlich durch einen Helm (oder sonstige Rüstung) zu kompensieren versuchen – das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass eben die Ursache in der mangelnden Beherrschung des Rads samt stürzenden Körpers(!) liegt. Sich in gefährlichere Ausnahmesituationen wie z. B. Radrennen zu begeben, verzerrt ebenfalls die Objektivität zur Frage, ob man bei hundsgewöhnlichem Herumgeradel denn unbedingt einen Helm benötigt!

      @Norbert:

      Und das hätte ein Helm verhindert?

      Mit Sicherheit. 😉 Ich finde es wirklich erschütternd, dass es Leute gibt, die dem Helm selbst dann eine Wunderwirkung zusprechen, wenn wie in dem geschilderten Fall eine Autofahrerin mit ihrem tonnenschweren Gefährt in eine Gruppe Radfahrer rast. Dass sowas z. B. hin und wieder auch Fußgängern passiert, führt dann aber nicht zur persönlichen Erkenntnis, eben nur noch mit (einem echten) „Helm“ herumzulaufen!

  8. Ich kann Deinen Unmut gegenüber rücksichtslosen Autofahrern verstehen, letztendlich ist aber im Grunde genommen auch das Thema „divide et impera“. Solange sich niemand um Konzerne, Milliardäre, Banken und Angriffskriege „kümmert“, können „die da unten“ sich gerne untereinander kloppen, wie sie lustig sind. Und leider, leider werden Radfahrer immer das Nachsehen haben. Die Autoindustrie und -Lobby ist kein Vergleich zu den Radfahrern. Zumindest kannst Du noch die schöne Natur mit dem Rad genießen. In der Großstadt ist Fahrrad fahren noch mal ein anderes Thema. 😉

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