Oje, le bleu!

Die „Equipe Tricolore“ ist ja im Gegensatz zu Jogis Gurkentruppe noch im Titelrennen. Die Überschrift ist eine Anspielung auf den klassischen Anfeuerungsruf „Allez, les bleus“! ;o)

Nachdem ich am 22. Juni nochmal (weitgehend erfolglos) Nutrias geknipst hatte, ging es mit dem Rennrad über Hauenstein, Bad Bergzabern und Steinfeld noch für ein paar Kilometer durch Frankreich, um mal zu zeigen, dass auch im Land der Tour de France trotz der Möglichkeit, Radwege ohne Benutzungspflichten zu beschildern, hier und da immer noch runde, blaue Schilder an miesen Wegelchen ihr Dasein fristen und dem Radfahrer die Fahrbahnnutzung verbieten. Insgesamt ist es in Frankreich mit dem Wegelchen-Wahn aber nicht mal annähernd so schlimm wie in Deutschland; südlich der Grenze im Bitscherland fällt mir bspw. spontan kein einziger straßenbegleitender Radweg ein!

Wissembourg mit seiner sehenswerten Altstadt dürfte eins der touristisch meistbesuchten Ziele im nördlichen Elsass sein. Und wo Touristen sind, sind meist auch irgendwo Radwege. So auch an der D 534 (Rue des Quatre Vents) in Richtung der französisch-deutschen Grenze am Windhof. Dass es hier einen ziemlich aberwitzigen „Radweg“ gibt, liegt wahrscheinlich hauptsächlich am Stanislas-Gymnasium am östlichen Ende des Wissembourger Stadtgebiets. Eine touristische Radroute führt zudem Richtung Altenstadt.

Rue des Quatre Vents

In Frankreich gibt es übrigens auch kein Pendant zum deutschen Gemeinsamer Geh- und Radweg, d. h. dieser Mischmasch ist dort grundsätzlich nicht vorgesehen. Leider gibt es dann doch ein rundes Radweg an der Rue Rosselmühle, hier der Blick Richtung Osten:

Was es da genau bewirken soll, ist mir nicht so ganz klar. Auch nicht, ob es nach französischer StVO nun die Fußgänger auf die Fahrbahn verbannt? In welche Richtung(en) gilt es? Interessant sind übrigens die grünen Striche im Zebrastreifen – das ist die französische Variante eines kombinierten Fußgängerüberwegs mit einer Radfahrerfurt. Ich deute das Zeichen so, dass es lediglich den Radweg, der aus der Stadtmitte kommt, Richtung Rue du Lycée fortführt. Es könnte aber auch bedeuten, dass man in der Rue de Rosselmühle einen linksseitigen 2-Richtungs-Streifen benutzen müsste!? Das Weiterklicken lohnt sich.

Keine Ahnung; blicken wir mal in Richtung Stadtmitte:

Ganz interessant, im Grunde eine kleine 2-Richtungs-Fahrradstraße, sogar mit Dooring-Sicherheitsräumen. Allerdings halt nicht so wirklich als „Radweg“ beschildert. Und viel ein- und ausfahrender Verkehr zum dortigen Supermarkt; würde mich nicht wundern, wenn es dort regelmäßig knallen würde. Ein Stück weiter vorne wieder der Blick Richtung Osten:

Und der Blick zum Ende des Weges an der Kreuzung der D 434, ab dort darf wegen des quadratischen Schilds der Radfahrer den Bürgersteig benutzen. Auch hier weiß ich nicht, ob das quadratische Radwegschild eigentlich ein Verbot für andere Verkehrsarten bewirkt oder ob es nur einen rein erlaubenden Charakter hat? Leider bin ich der französischen Sprache nicht mächtig, sonst hätte ich selber mal recherchiert.

In Richtung Osten (Blick vom freilaufenden Rechtsabbieger der Rue Bannacker in die D 434) müsste man den Weg wohl benutzen (trotz angeordnetem Tempo 30). Man beachte auch die vielen Fahrrad-Malereien:

Der Weg ist jedenfalls in Richtung Stadmitte wohl nicht benutzungspflichtig, ansonsten dürfte es an der gegenüberliegenden Ampel (Ecke D 534 – D 264) ja z. B. auch kein Druckknöpfchen extra für Radfahrer geben:

Ob das nur eine Beschäftigungstherapie ist, weiß ich nicht. Ich stand da eine Weile für die Fotos und die Ampel wechselte auch ohne Betätigung des Knöpfchens recht rasch von Rot zu Grün zu Rot. Verwirrend sind nebenbei auch hier wieder die auf fast jedem Gehweg erkennbaren, teils verblichenen Fahrradsymbole. Gehwegradeln hat auch in Wissembourg Tradition und ist wohl aufgrund der bepinselten Bürgersteige auch so gewollt. Beim Knipsen ist bspw. ein Jugendlicher auch nur sehr knapp an mir vorbeigerauscht.

Schön ist, dass man keine übliche Genickstarre kriegt, sondern die Ampel auf Augenhöhe des Radfahrers angebracht ist. Es geht dann geradeaus über die Rue Bannacker und Rue Nationale in die Wissembourger Altstadt. Der Kirchturm im Hintergrund gehört zur St. Peter und Paul.

Durch die Altstadt von Wissembourg

Die Einbahnstraße ist für Radfahrer per Zusatzschild „Sauf Cyclistes“ freigegeben. Ein Symbol fände ich da besser. Deutsche Radfahrer könnten es ja auch als Aufforderung verstehen, sich zu betrinken. Spaßig ist die Durchfahrt nicht unbedingt, da recht schmal – und der Gegenverkehr nimmt auch nur bedingt Rücksicht. Von wild die Straßenseiten wechselnden Touristen mal ganz abgesehen.

Faubourg de Bitche

Den Trubel im Zentrum (die DSGVO gilt ja leider europaweit) habe ich mir nicht angetan, es gibt dort auch wieder mehrere für Radfahrer freigegebene Einbahnstraßen. Am Ende des „Quai de 24 Novembre“ findet man erneut eine freigegebene (unechte) Einbahnstraße, Radfahrer dürfen hier in der Straße „Faubourg de Bitche“ also links und rechts der kanalisierten Lauter fahren.

Wobei; das stimmt so nicht ganz. In der Gegenrichtung (dem Wieslauter-Radweg folgend) muss man in Richtung Altstadt definitiv auf die rechte Seite der (in Frankreich nur noch) Lauter (statt Wieslauter) wechseln.

Aber auch die Franzosen vergessen gerne mal die Freigabe des Radverkehrs. Der Weg ist hier nur für Anlieger freigegeben. Gelungen finde ich übrigens die blauen Hinweisschilder auf radelnden Gegenverkehr – ist m. E. verständlicher als das deutsche ZZ 1000-32.

Wissembourg – Weiler

Der eigentliche Grund, warum ich meine große Kamera mitgeschleppt hatte, war das Wegelchen entlang der D 334 zwischen Wissembourg und dem Vorort Weiler. Als ich die Rue de Weiler Richtung Deutschland befuhr, dachte ich im ersten Moment, ich hätte die Kamera für nix mitgenommen, denn in dieser Richtung gibt es nur (noch) eine Freigabe per quadratischem Radwegschild:

Man erkennt aber auch: Das ist doch ziemlich schmal für Zweirichtungs-Radverkehr. Ich war aber schon fast richtig glücklich, als ich sah, dass auf der Rückseite ein rechteckiges Radweg-Ende-Schild hängt:

Da es ein quadratisches, und kein rundes ist, müsste dies ja bedeuten, dass ich dieses finstere, schmale und „romantische“ Wegelchen von Weiler in Richtung Wissembourg nicht mehr benutzen müsste. Etwa in der Mitte einmal Richtung Wissembourg:

Und einmal ein Blick Richtung Weiler (hinten erkennt man das Ortsschild):

Halt! Da hab ich mich zu früh gefreut:

Also doch rein in den finsteren Wald. 🙁 Man erkennt vielleicht auch die Tempo-30-Zonen-Ende-Schilder – Tempo 30 gilt in der gesamten Ortsdurchfahrt von Weiler. Kann man sich in Deutschland so nicht vorstellen. Wie Tempo 80 auf Landstraßen – seit 1. Juli 2018 in Frankreich die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts.

Weiler – Grenze St. Germanshof

Auch auf dem letzten Stück Richtung Staatsgrenze steht am Ortsausgang von Weiler ein linksseitiges rundes Radwegschild. Auch hier wieder die Frage, wo dann die Fußgänger gehen müssen?

Also verdrücken wir uns halt wohl ober übel (für etwas mehr als grandiose 350 Meter) wieder hinter die Hecken auf ein schmales Wegelchen:

Aus Deutschland kommend endet hier die Benutzungspflicht:

Allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass es gegenwärtig am Anfang des Weges (wo der abgesetzte Wieslauterradweg auf die D 334 trifft) gar kein (rundes) Radwegschild gibt. Bei Google Maps erkennt man zwar eines – jenes habe ich während meiner Tour allerdings nicht auffinden können.

Ich hatte mangels Sprachkenntnissen vor einer Weile einfach mal das Wissembourger Touristikbüro darum gebeten, die zuständige französische Verkehrsbehörde darauf hinzuweisen, dass man hier doch bitte auch quadratische Schilder aufstellen sollte, da die Wege sehr schmal sind und eine Benutzungspflicht überflüssig. Vielleicht hat der Hinweis ja doch was genutzt – und ich habe somit hier nur ein Zwischenstadium dokumentiert.

5 Gedanken zu „Oje, le bleu!“

  1. Ich war wohl schon ein paar Wochen nicht mehr in Wissembourg, die eckigen Schilder habe ich noch gar nicht gesehen.
    Rue des Quatre Vents: der Gegenverkehr-Radweg links halte ich nicht für so gelungen. Ich komme da meist vom Windhof runter, muss dann links auf den Radweg und an der Ampel über den (Ampel-)Zebrastreifen auf den rechten Gehweg, dann nochmal über den Zebrastreifen, um zur Altstadt zu kommen, und noch eine Überquerung um zum Bahnhof zu kommen. Oder sind die blauen Schilder alle weg?
    Rue Rosselmühle: dort ist Richtung Ost links ein Zweirichtungsradweg mit gestrichelter Linie von der Fahrbahn abgetrennt
    OD Altenstadt: Auch hier, im Luftbild gut erkennbar, der Zweirichtungsradweg, mit durch Mittellinie getrennten Schmalspur-Fahrbahnen.
    Prinzipiell fahre ich in Frankreich lieber als in Deutschland, ist insgesamt entspannter. Aber gerade die Strecke von Altenstadt bis zur Rue Bannacker finde ich jetzt nicht so gut.

    1. Ich komme da meist vom Windhof runter, muss dann links auf den Radweg

      Also vom Windhof runter fahr ich ausschließlich auf der Fahrbahn und seh links auch nur das eine runde Blaue längs zur Fahrbahn, welches in die Rue Rosselmühle zeigt. Weiß auch nicht, ob da früher deutlich mehr blaue Schilder rumstanden; ich war ja in meinen jungen Jahren Blaublind. ;o)

      Rue Rosselmühle: dort ist Richtung Ost links ein Zweirichtungsradweg mit gestrichelter Linie von der Fahrbahn abgetrennt

      Jep, den meinte ich ja, sieht man ja gut auf der Streetview-Aufnahme. Den Weg Richtung Altenstadt bin ich noch nie gefahren. Aber apropos, da fällt mir grade noch was ein: als ich die L 546 befuhr sah ich an der Einmündung der L 547 zum Neuhof bzw. nach Altenstadt wieder mal ein Z 250 mit „Anlieger frei“ (hier müsste man die Rückseite erkennen)!

      Aber gerade die Strecke von Altenstadt bis zur Rue Bannacker finde ich jetzt nicht so gut.

      Ich nehm da immer die D 3.

      Prinzipiell fahre ich in Frankreich lieber als in Deutschland, ist insgesamt entspannter.

      Stimmt! Der Franzose ist allgemein etwas lockerer drauf als der Deutsche.

  2. Das „Anlieger frei“ nach Neuhof gibt es gefühlt seit letztem Jahr. Vorher gab es auch schon ein durchfahrtverbot an der Grenze (das aber niemanden interessiert hat). Vermutlich will man damit den Durchgangsverkehr nach Frankreich und durch Altenstadt einschränken. Aber Z250 ist da natürlich nicht die beste Wahl.

  3. „Echte“ Journalisten waren doch eh von den DSGVO-Regelungen ausgenommen – und sind somit die lästige Konkurrenz der semi-Pro’s los. Solange es kein Urteil gibt, wonach auch für Fotos von „normalen“ Bürgern weiterhin das KunstUrhG gilt, bleibt das alles höchst unzufriedenstellend.

    1. Es kommt aber halt hin und wieder vor, dass sich Regelungen widersprechen und abgewogen werden muss, was mehr wiegt. Die DSGVO steht in vielen Punkten im Widerspruch zum KunstUrhG. Das hätte die deutsche Regierung klar in die DSGVO schrieben können (um Rechtssicherheit zu erhalten), hat sie aber (vorsätzlich) nicht. Daher muss nun irgendein hohes Gericht entscheiden, was mehr wiegt. Artikel 5 GG schützt ja nicht den Journalismus, sondern nur die „Pressefreiheit“ – und die ist nach Paul Sethe letzten Endes:

      Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.

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