In Flandern hat es „Moordstrookje“ zum Wort des Jahres gebracht. Wörtlich übersetzt bedeutet es „Todesstreifchen“ und bezeichnet das, was in Deutschland seit einigen Jahren auch an sehr viele Straßenränder gepinselt wird. Hierzulande sind diese unter der amtlichen Bezeichnung „Schutzstreifen“ bekannt – was einen wiederum an George Orwells Roman „1984“ und den darin beschriebenen „Neusprech“ erinnert. Auch in Pirmasens hatte man vor einigen Jahren damit begonnen, solche Streifen auf die Fahrbahnen einiger Straßen zu pinseln. Dass ich von jenen überhaupt kein Fan bin, kam in den Alltagserlebnissen ja auch schon mehrfach zur Sprache.
Schutzstreifen Blocksbergstraße
Die beiden Streifen in der Blocksbergstraße befahre ich auf meinen Touren am häufigsten – und wurde dort schon unzählige Male trotz Gegenverkehr sehr eng überholt. Dabei ist es ja grade das, was ängstliche Radfahrer in der Regel davon abhält, auf der Fahrbahn, statt auf dem Gehweg zu fahren. „Schutzstreifen“ fördern nämlich bei sehr vielen Autofahrern das Spurdenken und begründen durch die Abgrenzung der „Territorien“ ein darauf aufbauendes Revierverhalten. Die meisten haben auch keine Ahnung, was einen „Radweg“, einen „Schutzstreifen“ oder einen „Radfahrstreifen“ unterscheidet. Die sehen eine breite Spur links, eine schmale Spur (mit Fahrradpiktogrammen) rechts – und meinen, damit wären die „Reviere“ eindeutig gekennzeichnet. Und dann könne man auch im Zentimeterabstand am Radfahrer vorbeischrammen; die Markierung gibt einem ja zusätzliche Gewissheit, dass das noch passt.
Dass allerdings auch Radfahrer laut Rechtsprechung einen „Sicherheitsabstand“ zu parkenden Autos (in der Regel mind. 1 Meter) halten müssen (ansonsten kürzt die Autofahrer-Rechtsprechung ungeniert die Ansprüche des Unfallopfers…), wissen offenbar nicht nur Autofahrer nicht, sondern auch die, die derartige Streifen verkehrsbehördlich anordnen. Das sind nämlich nicht nur einfach irgendein paar Striche – diese Streifen (per Zeichen 340 StVO) müssen natürlich auch „sauber“ von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden. So werden dann auch in der Blocksbergstraße Radfahrer dazu angeleitet, genau in der sogenannten „Dooring-Zone“ zu fahren.
Der „Schutzstreifen“ stadteinwärts ist dort genau 1,5 m breit; der Fahrstreifen daneben wohl knapp 3 Meter. Wegen des Schwenks aufgrund des Schutzstreifen-Stummels auf der Gegenseite kommen später nochmal ein paar Zentimeter hinzu. Der danebenliegende Seitenstreifen wird überwiegend als kostenloser Anlieger-Parkplatz genutzt. Es besteht daher zwar keine sehr hohe Frequenz an Ein- und Aussteigevorgängen, was jedoch nicht für den vorderen Teil gilt, da auf der gegenüberliegenden Seite eine Bäckerei mit Stehcafe liegt und sich dort grade früh morgens gerne der ein oder andere mit Kaffee und Brötchen versorgt.
Wenn ich nun hier also mit meinem MTB mit ca. 70 cm breiten Lenker fahre und mit der rechten Lenkerspitze mindestens(!) einen Meter Abstand zu den teils auf dem Breitstrich parkenden Kfz halte, kuckt mein linkes Lenkerende bereits über den Schmalstrich des Streifens hinaus! Ein Autofahrer muss nun (laut Rechtsprechung) wiederum 1,5 m Abstand halten, wenn er mich überholt. Und er überholt mich – denn ein Schutzstreifen ist ein Teil der Fahrbahn. Das wird bei einem etwas mehr als 2 m breiten Auto auf einem knapp 3 Meter breiten Richtungsfahrstreifen dann mathematisch schon etwas „kniffelig“.
Zufälligerweise kam grade einer der Anwohner und suchte wohl etwas in seinem Auto; so konnte ich noch schnell ein aussagekräftiges Foto schießen, wie viel Raum eine geöffnete Autotür in Anspruch nimmt – und was das für einen Radfahrer im Falle eines Unfalles bedeutet. Im Grunde markiert dieser Streifen hier eigentlich also genau den Bereich, den man besser gar nicht befahren sollte!
Das erwähnte Stehcafe gegenüber war wohl auch der Grund, warum in der Gegenrichtung (stadtauswärts) die Radfahrer, die zuvor auf dem per
freigebenen Gehweg gefahren sind, am Ende jener Freigabe mit einem starken Schwenk auf die Fahrbahn geführt werden (sollen). Dort würden sie dann ebenfalls wieder genau in der Dooring-Zone fahren, denn der dort angelegte Längs-Parkstreifen reicht für ca. 3 bis 4 Pkw – allerdings ragen jene wegen der geringeren Breite oft seitlich deutlich in den Schutzstreifen hinein (vor allem mit den Rückspiegeln). Besonders nervig ist dann auch wieder der schlagartige Versatz nach rechts vor der Einmündung „In der Walsterwiese“. Ich habe auch hier übrigens schon Schutzstreifen-Geisterradler beobachtet. Was hier auch immer wieder mal nervt, sind Pkw-Nutzer, die die Haltelinie des
überfahren und dann halt auf dem „Schutzstreifen“ warten, bis sie dann irgendwann mal links abbiegen können.
Kommen wir noch schnell zum Ende des stadtauswärts führenden Streifens; in jenem spiegelt sich noch der vorherige Zustand wider, denn anschließend musste man dort früher wegen eines den schmalen Hochbord-Bürgersteig benutzen. In beide Fahrtrichtungen wohlgemerkt. Ich hab denen all die Jahre was gehustet und bin auf der Fahrbahn gefahren! Gegenwärtig führt dieser „Schutzstreifen“ Radfahrer immer noch auf den nur noch freigegebenen Gehweg. Wenn ich als Radfahrer dann am Ende nach links ziehe, ist das nicht grade angenehm, vor allem, weil wie hier (am 1. Weihnachtsfeiertag) ständig geparkte Fahrzeuge stehen. Ich muss dann natürlich wegen der Dooring-Gefahr gleich einen ordentlichen Satz nach links machen – was aber auch recht unangenehm wird, wenn mich grade in dem Moment einer überholen will und auch wegen der Markierung nicht unbedingt damit rechnet, dass ich meine Fahrt auf der Fahrbahn fortsetze. Deshalb hatte ich vor dem 2. Gespräch mit der Pirmasenser StVB einen Vorschlag eingereicht, der eine Verlängerung des gegenwärtigen Streifens (über ca. 4 bis 5 Pkw-Längen) zwecks „sanfter“ Wiedereingliederung zur Fahrbahn hin vorsieht.
Schutzstreifen Zeppelinstraße
Nachgetragen am 21. Juni 2019 zwei Fotos vom stadteinwärts führenden Dooring-Streifen in der Zeppelinstraße. Man erkennt gut, wie Radfahrer genau in die Gefahrenzone geführt werden – und das Überholen ohne ausreichenden Sicherheitsabstand regelrecht gefördert wird. Man muss dazu erwähnen, dass sich rechts vom Streifen das Messegelände befindet und somit bei Veranstaltungen dort durchaus auch viel ein- und ausgestiegen wird. Hier die Ansicht berghoch:
Und der Blick zurück:
Sonstige „Schutzstreifen“
Es sind ja leider nicht die einzigen Streifen dieser Art in Pirmasens. So gibt es auch noch im sanierten Teil der Lemberger Straße welche; immerhin weitestgehend ohne Längsparkstände; mal von einzelnen Parkflächen (rechts, dunkel gefärbtes Pflaster) stadteinwärts abgesehen (der Benz und der dahinter parkten illegal auf dem Gehweg):
Den südlichen Teil der Lemberger Straße von der Ruhbank stadteinwärts (kaum 1 m schmal, mit durchgezogener Linie markiert, ohne Piktogramme) hatte ich ja schon im Bericht zum 1. Gespräch erwähnt – jener solle ja noch bei einer passenden Gelegenheit komplett entfernt werden. In der Bahnhofstraße gibt es noch einen sehr kurzen Dooring-Stummel, auch nervig sind die Zickzack-Streifen um Längsparkstände herum in der Arnulfstraße oder auch das teils sehr schmale Ding in der Zweibrücker Straße (wenigstens ohne Längsparker):
Ich hoffe zumindest, dass durch mein Engagement das Thema „Schutzstreifen“ erst einmal ad acta gelegt wurde. So kommt bspw. die grade sanierte Winzler Straße nun auch ohne überflüssige Pinseleien aus.
Benutzungspflicht?
Nebenbei möchte ich in diesem Zusammenhang auf einen Beitrag in der „Fahrrad-Zukunft“ verweisen, da immer wieder behauptet wird, dass solche Streifen (wegen des Rechtsfahrgebots) für Radfahrer benutzungspflichtig seien.
Der auf Verkehrsrecht und Radverkehr spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Dietmar Kettler thematisiert darin das Urteil des OVG Lüneburg vom 25.07.2018 (Aktenzeichen 12 LC 150/16). Jenes besagt, dass es Radfahrern an einer Klagebefugnis fehle, um Behörden dazu zu zwingen, „Schutzstreifen“ entfernen zu lassen – denn die StVO verlange von Radfahrern auch im Hinblick auf Rechtsfahrgebot nicht, dass jene Streifen immer und jederzeit zu benutzen wären. Jetzt müsste das nur noch irgendwer den Leuten erzählen, die dafür im Bußgeldkatalog sogar extra eine Tatbestandsnummmer (siehe lfd. Nr. 3.4 der Anlage zur BKatV) festgelegt haben:
Gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen durch Nichtbenutzen eines markierten Schutzstreifens als Radfahrer (15 bis 30 Euro).
So wie dem Kläger erging es mir ja im Grunde auch, als ich bereits im 1. Gespräch mit der Pirmasenser StVB bat, die Murks-Streifen in der Blocksbergstraße wieder entfernen zu lassen, weil sie ihr Ziel gänzlich verfehlen. Man lehnte dies aber ab, da die Mindestbreite von 1,25 m sogar überschritten sei.
Mir gefällt das Urteil trotzdem nicht – denn auch wenn es keine „Benutzungspflicht“ gibt – die ungewünschten Nebenwirkungen dieser „Todesstreifchen“ bleiben (solange sie markiert bleiben) an der Tagesordnung.