Anordnung zur Sperrung der B 10

B-10-Radwege im Winter

Gestern Früh hatte ich ja den Termin zur Akteneinsicht gem. § 29 VwVfG bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz. Im Fraktionszimmer ließen mich dann Sachgebietsleiter und Sachbearbeiter eine ganze Weile im Aktenordner herumlesen. Vorab gab es noch kleine Meinungsverschiedenheiten bzgl. der Frage, was daraus ich in meinem Blog veröffentlichen dürfe. Gegen die der verkehrsbehördlichen Anordnung selbst spräche nichts, den Rest hält man wohl für besonders schützenswert; warum auch immer. Ich fand nach dem Ende meines Studiums der Akte sowieso viel interessanter, was sich alles nicht in dieser befand.

Man meinte, die Juristen der Kreisverwaltung würden auch deshalb nun ein waches Auge auf meinen Blog werfen. Das stimmt vermutlich, denn ich registriere vor allem seit gestern ziemlich viele Zugriffe einer ganz bestimmten IP-Adresse. Auf jeden Fall möchte ich jene recht herzlich willkommen heißen! 😉

Chronologie der 90er Jahre

Die eigentliche Anordnung stammt vom 23. Juni 1993, damals hieß der Landkreis Südwestpfalz übrigens noch Kreis Pirmasens – und ich war zarte 11 Jahre alt. Also noch ein wenig zu jung, um gegen willkürliche Verkehrsverbote für Radfahrer vorgehen zu können. Allerdings fiel der Kreisverwaltung im Laufe des Jahres auf, dass man das Verbot gar nicht realisieren könne, da „ein Teil des Radweges im Ortsbereich Hinterweidenthal wegen einer Baumaßnahme gesperrt“ sei. Immerhin kam man am 2. September 1993 so zum Schluss, dass es „nicht vertretbar sei, derzeit den Radfahrern die B 10 vorzuenthalten“. Oh – das war offenbar damals schon ein „Radweg„. Und ich dachte, dieser sei heute immer noch ein „Forst- und Wirtschaftsweg„! Ja – was denn nun…!?

Der damalige Sachbearbeiter erkannte, dass für den Radverkehr andernfalls gar keine Möglichkeit mehr bestünde, diesen Abschnitt zu passieren und stellte somit den Vollzug der Anordnung zurück. Es fand dann ein Ortstermin statt und die Bauarbeiten waren dann irgendwann abgeschlossen. Interessant: das, was die Kreisverwaltung damals hinderte, die Anordnung zu vollziehen (Bekanntgabe durch Aufstellen der Verbot für Radverkehr durch den Baulastträger) – also eine zeitweise tatsächliche Unbenutzbarkeit (hier wegen einer Baustelle), wird von der Kreisverwaltung in Sachen fehlenden Winterdienstes jedoch heute ignoriert. Okay, Winterdienst wurde natürlich damals auch nicht geleistet, der so genannte „Radweg“ wurde ja erst im Jahr 2005 asphaltiert.

Die Akte war wohl ein wenig durcheinander sortiert. Um den 1. März 1994 herum ging wohl ein von der Straßenverkehrsbehörde noch einmal korrigierter Entwurf einer Pressemitteilung an das Referat für Öffentlichkeitsarbeit der Kreisverwaltung Pirmasens. Darin kündigt die Kreisverwaltung an, dass die B 10 ab den Osterferien zwischen Wilgartswiesen und Hinterweidenthal für Radfahrer gesperrt wird. Das wird dann auch durch zwei Kopien von Zeitungsausschnitten bestätigt.

Der Baulastträger (das Straßenbauamt Kaiserslautern) teilte der Kreisverwaltung am 15. April 1994 mit, dass die verkehrspolizeiliche Anordnung im März 1994 vollzogen wurde.

Eine Mitteilung der Verbandsgemeindeverwaltung Hauenstein vom 18. Juli 1995 an die Kreisverwaltung Pirmasens beinhaltete den Antrag, ein Verbot für Radverkehr zu versetzen. Und zwar in Fahrtrichtung Pirmasens von der Einmündung bei Wilgartswiesen an den Abzweig B 48 bei Rinnthal. Jene liegt allerdings auf dem Gebiet des Kreises Südliche Weinstraße. Laut Telefonat bestünden von deren Seite keine Bedenken.

Die Kreisverwaltung Pirmasens schrieb am 24. August 1995 die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße an und bat jene, auch noch den letzten, für Radfahrer freien Abschnitt zwischen der B 48 und Wilgartswiesen für Radfahrer zu sperren. Diese reagierte darauf aber wohl nicht mehr – und deshalb blieb der Abschnitt von Rinnthal bis Wilgartswiesen bis heute für den Radverkehr frei. Doch dazu später mehr.

Als Letztes findet sich im „Bündel“ der ursprünglichen Anordnung aus den 90er Jahren noch eine Gesprächsnotiz vom 19. November 1996, wonach sich die Polizei über Radfahrer auf der B 10 „beschwert“. Damals wurde wohl vergessen, an der Einmündung der K 56 in Richtung Pirmasens ein Verbot für Radverkehr aufzustellen. Interessant hierbei: Es gibt dort bis heute keinen der B 10 folgenden Radweg. Man muss ja stattdessen einen (schmalen) Umweg fahren und Knöpfchendrücken

Dann verstaubte die Akte zur Sperrung der B 10 für Radfahrer über mehrere Jahrzehnte im Archiv. Eine Überprüfung von Amts wegen fand in all den Jahren nie statt, obwohl die Straße mehrfach ausgebaut und erweitert wurde. Bis ein gewisser Dennis Schneble aus Pirmasens begann, sich in Sachen Radverkehrspolitik zu engagieren. Inzwischen ist die Akte wohl 20 mal so dick. 😉 Darin befand sich übrigens auch ein sehr lustiger, mir noch unbekannter Leserbrief zum Rheinpfalz-Artikel damals, den ich bei Gelegenheit noch kommentieren werde.

Allgemeinverfügung

Kommen wir aber nun zum interessanten Teil – dem Inhalt der verkehrsbehördlichen Anordnung vom 23. Juni 1993 selbst. Also das, worauf es bei einem Gerichtsverfahren hauptsächlich ankäme. Eine eingescannte Kopie des Dokuments kann als pdf hier heruntergeladen werden (344 KB).

Ich zitiere und kommentiere:

die B 10 wird zwischen Wilgartswiesen und Hinterweidenthal für Radfahrer gesperrt. Wir bitten, im Zuge der B 10 in Fahrtrichtung Pirmasens vor dem Ast, der in die Ortslage Wilgartswiesen führt, und in Fahrtrichtung Landau einstweilen vor der Einmündung der Wartbachstraße in die B 10 Zeichen 442 und unmittelbar nach diesen Einmündungen Zeichen 260 aufzustellen. Am Eingang der Wartbachstraße ist Zeichen 267 gegen Zeichen 250 mit dem Zusatzschild „Radfahrer frei“ aufzustellen und auf der gegenüberliegenden Fahrbahn ca. 100 m vor dem Einmündungsbereich Zeichen 138 aufzustellen. Nach Abschluß der Baumaßnahme in der Wartbachstraße ist dort der alte Zustand wieder herzustellen und die Radfahrerbeschilderung an den Kreuzungsbereich B 10 / B 427 vorzuziehen. Die Verbandsgemeindeverwaltung Hauenstein wird gebeten, die Wegweisung für Radfahrer mit der allgemeinen Radwegebeschilderung zu ergänzen.

Dies ist der erste Absatz, in welchem hauptsächlich Anweisungen an den Straßenbaulastträger ergingen, wo er welche Verkehrszeichen aufzustellen habe. Die Nummerierung kann ich allerdings nicht nachvollziehen, selbst wenn ich in die veraltete Bildtafel der StVO vor 1992 blicke. So fände ich ein Zeichen 260 Verbot für Kraftfahrzeuge dort heute ja auch mehr als fantastisch! 😉 Aber kommen wir nun zur eigentlichen Begründung des Verkehrsverbots für Radfahrer:

Die Maßnahme ist zum Schutze der Radfahrer geboten. Aus der allgemeinen Gefahr, die einem schwachen Verkehrsteilnehmer bei der Benutzung stark befahrener Straßenzüge drohen, kommt auf dem besagten Streckenabschnitt hinzu, dass ein Ausweichen erschwert oder unmöglich ist.

Tja. Das wars schon. Mehr kommt da auch nicht. Nur in der finalen Pressemitteilung wurde noch Folgendes ergänzt:

Noch enger wird es werden, wenn die Arbeiten zum Ausbau der dritten Fahrspur zwischen dem Horbacherhof und Hauenstein in Gange kommen.

Das muss man sich mal überlegen! Auf dieser „Grundlage“ wurde im Jahr 1994 eine auch für den Radverkehr sehr wichtige Bundesstraße gesperrt. Und nur für diesen! In keinster Weise wurde geprüft, ob das Verkehrsverbot auch für ähnlich schnelle Mofa-Fahrer dringend erforderlich sei. Die Akte weist auch keinerlei dokumentierten „Prolog“ auf. Das heißt, es gab überhaupt keine aktenkundigen Beschwerden anderer Verkehrsteilnehmer oder Unfälle mit Radfahrern, die die Kreisverwaltung überhaupt dazu gebracht hätten, sich hier zu entschließen, Ermessen in Form eines Verkehrsverbots für den Radverkehr auszuüben. Auch keine Daten von Verkehrszählungen. Es wird lediglich auf die „allgemeine Gefahr„(!) verwiesen. Die einem „schwachen Verkehrsteilnehmer“ drohe. Ja – warum hat man dann aber die B 10 nur für Radfahrer gesperrt? Warum nicht auch für Mofas und vor allem Fußgänger? In einer meiner Wanderkarten ist bspw. immer noch ein (alter) Wanderweg eingezeichnet, der den Fußgänger am Katharinenhof quer über die B 10 führte! Auch Alternativen zum Verkehrsverbot spielten keinerlei Rolle.

Der relativ unverblümte Grund für das Radfahrverbot war, dass Autos Radfahrer nicht überall sofort überholen konnten!

Ich würde ja gerne mehr dazu schreiben – aber da ist einfach nichts, was ich großartig zerpflücken könnte. Diese Anordnung besteht im Grunde nur aus heißer Luft – und ist damit ein derart brachiales Beispiel für Ermessensnicht- und -fehlgebrauch, dass wohl selbst das Verwaltungsgericht in Neustadt, welches damals die Sperrung der B 270 für rechtmäßig erklärte, wohl nicht umhin käme, das Verbot aufzuheben.

Wir kommen daher wieder zu dem, was alles nicht in der Akte steht: die Kreisverwaltung hat diese „Begründung“ von damals bislang auch nicht weiter „vertieft“. Außer dem ständigen Verweis auf die aktuellen Verkehrszahlen (die auch in der Stellungnahme aus Mainz erwähnt werden). So befinden sich in der Akte vor allem seitenweise Ausdrucke meiner zahlreichen e-mails, Blogartikel und auch Urteile, auf die ich die KV hingewiesen hatte. Allerdings (noch?) nicht das Urteil des VG Aachen, obwohl man mir versicherte, man habe es „zur Kenntnis genommen“. Es findet sich rein gar nichts, was darauf hindeutet, dass die Kreisverwaltung angesichts des Winterdienstproblems in irgendeiner Weise Alternativen zum Verkehrsverbot auch nur in Erwägung ziehen – oder zumindest diese Verbote auf Fußgänger und Mofafahrer ausweiten würde. Nichts! Wie bereits beim Gespräch im vergangenen Oktober.

11 Jahre Schotterbenutzungspflicht

Im Beitrag zur Stellungnahme aus Mainz hatte ich ja auch erwähnt, dass der „Radweg“ (vor allem jener zw. Hauenstein und Hinterweidenthal) damals noch gar nicht asphaltiert – und somit wohl wirklich noch genau das war, was man mit „Forstwirtschaftsweg“ bezeichnet. Diese Willkür ist atemberaubend: um den Radverkehr von einer öffentlichen Straße zu kriegen, wird plötzlich immer alles urplötzlich zum „Radweg“, da reicht es dann, an einem Schotterweg ein paar Plastikschildchen mit Fahrrädern drauf hinzustellen.

Wenn es hingegen darum geht, bspw. Winterdienst zu leisten oder den Weg allgemein in einem verkehrssicheren Zustand zu halten, werden solche „Radwege“ dann wieder zu „Forst- und Wirtschaftswegen“. Ja klar – wir drehen es uns so, wie wir es grade benötigen…!

Die Stellungnahme deutet ja auch an, dass die straßenverkehrsrechtliche Freigabe wohl auch erst nach der Asphaltierung erfolgt ist. Auch hier muss man sich fragen, was sich ein Sachbearbeiter einer Straßenverkehrsbehörde dabei denkt, eine (asphaltierte) Straße für den Radverkehr zu sperren (damit Kraftfahrzeuge nicht mehr von Radfahrern aufgehalten werden) und jene auf irgendwelche Waldwege zu verbannen?

Achja; von wegen Überholen: es wurde ja in der Pressemeldung noch explizit der Ausbau im 2+1-System nachgeschoben: Nein, dadurch wird es grade nicht „noch enger“, sondern das Überholen von Radfahrern wieder deutlich einfacher…!

Hauenstein – Hinterweidenthal

Joachim hat ja grade erst in einem Kommentar erwähnt, dass man als Radfahrer die B 10 von Hauenstein Richtung Hinterweidenthal derzeit ja immer noch befahren darf. Das ist mir selbst ja auch schon seit Jahren bekannt. 😉 Ich hielt es nur für taktisch unklug, das in der Öffentlichkeit zu erwähnen, denn so hätte ich ja immer noch ein Hintertürchen gehabt. Mir war ja klar, dass das Verkehrszeichen dort einfach nur „vergessen“ wurde.

Was ich in diesem Zusammenhang aber auch gar nicht nachvollziehen kann ist, dass der Kreisverwaltung das auch schon seit längerer Zeit (und somit wohl auch dem LBM) bekannt ist. Nun halte ich es für besonders widersprüchlich, dass man, nachdem man das Fehlen bemerkt hat, sich mit der Aufstellung eines Verkehrszeichens hier so extrem lange Zeit lässt. Ich weiß nicht, wie aktuell deine Info ist, Joachim? Hier jedenfalls ein Foto vom letzten Sommer – ohne Verbot für Radverkehr:

B 10 Auffahrt Hauenstein

Wenn doch die B 10 so abartig gefährlich für Radfahrer ist und man jene doch „schützen“ müsse: wie kann es dann sein, dass sowas erst ewig lange niemandem auffällt – und dann trotzdem nicht umgehend ein neues Verkehrszeichen aufgestellt wird…!?

Rinnthal – Wilgartswiesen

Bevor ich am Montag früh zur Akteneinsicht startete, hatte ich für einen Moment ein schlechtes Gewissen. Denn ich hatte den Sachbearbeiter der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße (SÜW; mit dem ich bislang fast durchweg nur positive Erfahrungen machte) wegen des schweren Unfalls bei Wilgartswiesen eine ziemlich kritische e-mail geschrieben. Wie es die KV SÜW verantworten könne, dass Radfahrer die geräumte und gestreute B 10 nicht befahren dürften, obwohl es an einer ganzjährig nutzbaren Alternative fehle. Denn beim o. g. Gespräch hatte mir die KV Südwestpfalz nämlich seinen Namen genannt und mir mitgeteilt, dass sich alle im Abstimmungsprozess (netter Euphemismus übrigens…) Beteiligten (u. a. ein ADFC-Mitglied) dafür ausgesprochen hätten, das Verkehrsverbot aufrechtzuerhalten. Die KV SÜW hierzu am 4. Februar 2019:

Wir haben am 13.09.2018 gegenüber der Kreisverwaltung Südwestpfalz eine Stellungnahme abgegeben.

Wir haben uns nicht für eine Auftrechterhaltung der Sperrung der B 10 per Zeichen 254 ausgesprochen, weil es eine solche Sperrung auf dem Gebiet des Landkreises nicht gibt.

Wir haben uns auch nicht für die Anordnung eines entsprechenden Verkehrszeichens ausgesprochen, weil dies nach unserer Auffassung rechtlich angreifbar wäre, gerade weil es an einer dauerhaft nutzbaren Ausweichstrecke fehlt.

Auch dort war mir ja bekannt, dass ein Verbot für Radverkehr fehlt. Ich mir aber auch nicht sicher, ob es nur „vergessen“ wurde. Der Einblick in die Akte brachte dann auch die Bestätigung. Die Bedenken und Einwände der KV SÜW wurden von der KV Südwestpfalz einfach ignoriert. Zumindest kann man diese Straßenverkehrsbehörde nicht hoch genug dafür loben, das Ansinnen allein deshalb abzulehnen, weil eben derzeit keine Alternative vorliege!

Freund oder Feind?

Die zwischenzeitlich etwas unterkühlte Atmosphäre zu Beginn („formloser Antrag auf Neuverbescheidung“?) konnte ich am Ende wieder etwas auflockern. Auch deshalb, weil ich noch einmal klarstellte, dass es mir nicht primär darum geht, dass die Behörde unbedingt das Verkehrsverbot aufhebt, sondern ich einen Winterdienst für die Radwege fordere. Das diskutierten wir dann auch noch kurz anhand des schweren Unfalls bei Wilgartswiesen. Andererseits habe ich auch weiterhin kein Verständnis dafür, dass die KV hier nach meinem Eindruck weiterhin die Wünsche vor allem des LBM erfüllen will und (offenbar wie viele Straßenverkehrsbehörden) „Angst“ davor hat, diesem zu widersprechen. Da könnte sie sich ja an der StVB des Kreises SÜW mal ein Beispiel nehmen.

Insgesamt will ich auch anmerken, dass der Sachgebietsleiter eine wirklich nette und aufgeschlossene Person ist. Ich stimme ihm auch zu, wenn er mir sagt, dass er „nicht mein Feind“ sei. Leider bemüht er (bzw. die Behörde) sich aber auch nicht grade um eine große und innige „Freundschaft“…! Denn dann hätte man mir bspw. auch im Rahmen meiner unzähligen Einwände gegen die Blaubeschilderung im Kreis einen Einblick in die Weisung an alle rheinland-pfälzischen Straßenverkehrsbehörden gewährt, die kürzlich erlassen wurde. Hat man leider nicht. Stattdessen soll ich einfach weiter nur warten und warten und warten…

Nun. Wer noch Interesse am sonstigen Inhalt der Anordnung hätte: einfach per Kommentar anfordern.

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