Die Rheinpfalz vom 8. Februar beinhaltete einen auch online verfügbaren Artikel über eine neulich gegründete Bürgerinitiative in Winzeln. Diese ist im Netz leider nur bei einer großen, us-amerikanischen Datenkrake zu finden (weshalb es von mir auch keinen Link gibt). Jene BI strebt vor allem eine verkehrliche Entlastung der Ortsdurchfahrt an, inbs. entlang der Kreisstraße 6 (Gersbacher Straße und Bottenbacher Straße). Die ich fast jeden Tag befahre. Weitere Probleme seien Raser und landwirtschaftliche Transporte. Grundsätzlich kann ich die Sorgen der Bürgerinitiative nachvollziehen und würde mir bspw. auch als Radfahrer Tempo 30 oder eine Ortsumgehung wünschen. Allerdings muss ich als radfahrender „Exot“ hier dann auch mal exemplarisch ein wenig des Teufels Advokat spielen. 😉
Denn es regt mich ehrlich gesagt immer ein wenig auf, wenn in dieser völlig aufs Kfz fixierten Gesellschaft einzelne Gruppen von den damit verbundenen Nachteilen befreit werden wollen, weil es ihnen dann doch zu viel wird. Damit hätte ich auch allgemein keine Probleme und hielte das auch für uneingeschränkt unterstützenswert. Wenn genau diejenigen, die beispielsweise vom lauten, stinkenden, dreckigen und gefährlichen automobilen Durchgangsverkehr entlastet werden möchten, selber kein Auto daheim stehen hätten. Mit dem sie eben nicht ganz selbstverständlich selbst an den Wohnungen der anderen vorbeifahren würden. Man blendet aus, dass man selbst Teil des Problems ist und will es nur von sich wegschieben. Sollen doch die anderen drunter leiden.
Kurzum: Ich kann diese Nimby-Mentalität nicht leiden. Selbst bei sinnvollen Verkehrsprojekten, wenn beispielsweise eine Bahnstrecke reaktiviert oder ausgebaut werden soll, ist das Geschrei vorprogrammiert. Ich halte es schon für ein wenig egoistisch, beispielsweise bei sich vor der Haustür wegen der Kinder Tempo 30, einen verkehrsberuhigten Bereich oder gar eine eigene Anliegerstraße zu fordern. Sich dann aber bspw. trotzdem täglich in seinen Straßenpanzer zu hocken und den Nachwuchs zur Schule oder zum Fußballtraining fahren und dort dann mit anderen ein völlig unnötiges und gefährliches Verkehrschaos zu verursachen. Und Rad könne man ja sowieso nicht fahren – das wär ja wegen der vielen bekloppten Autofahrer ja viel zu gefährlich…! Es grüßt der Geisterfahrer auf der Autobahn! 😉
Das ist mir dann doch ein wenig zu kurz gedacht. Ja, es ist nicht schön, an einer Durchgangsstraße zu wohnen. Aber dass da viel Verkehr ist, wusste man ja schon, als man dahinzog. Genauso wie die Leute, die an eine Bahnstrecke ziehen und sich drüber beschweren, dass da Züge fahren. Deshalb sind dort halt u. a. auch die Mieten geringer. Ja, eigentlich könnte man da auch mal ein sozialpolitisches Fass aufmachen; dass es vom Geldbeutel abhängt, ob man in einem ruhigen, vom Durchgangsverkehr abgeschirmten Neubaugebiet wohnt – oder in einer Wohnung an einer städtischen Hauptverkehrsstraße. Irgendwo muss der Verkehr halt eben durch, den die Leute in der Summe ja grundsätzlich nicht infrage stellen wollen.
Oder aber: Man erkennt, dass das alles Wahnsinn ist – und steigt vielleicht einfach selber öfters mal für die 2 bis 5 km aufs Fahrrad – statt wegen der 3 Brötchen ins Auto…?!
Forderungen der BI
Ich möchte mich auch noch ein wenig mit den mir bislang bekannten Ideen der Bürgerinitiative auseinandersetzen. So halte ich die Hoffnungen, ein Anschluss von Gersbach an die L 600 würde die Winzler Ortsdurchfahrt nennenswert entlasten, für relativ unbegründet. Dazu reicht schon ein Blick auf die Landkarte; der Anschluss würde in der Senke zwischen Gersbach und dem Eischberg entstehen (in Höhe der dortigen Feldweg-Überführung). Das wäre aber für fast alle Einwohner Gersbachs vollkommen uninteressant, da man hier einen recht deutlichen Umweg (mitten durch 30er-Zonen) fahren müsste. Jener Anschluss brächte nur für die Gersbacher etwas, die in Richtung A 8 oder A 62 wollen. Das sind zu wenige, weshalb damals vom Land auch kein Anschluss gebaut wurde. Nebenbei bemerkt würde dies dann natürlich auch zu einer zusätzlichen Belastung der Zubringerstraßen innerhalb Gersbachs führen.
Auch die Hoffnungen auf eine „Tempo-30-Zone“ werden wohl nicht realisierbar sein. Schon allein aus dem Grund, dass eine klassifizierte, dem überörtlichen Verkehr gewidmete Kreisstraße gem. § 45 (1c) StVO und der entsprechenden Verwaltungsvorschrift nicht Teil einer solchen Zone sein darf. Das Argument, die Ortsdurchfahrt der B 427 in Hinterweidenthal sei eine „Tempo-30-Zone“ ist auch sachlich falsch.
In der OD gilt nur teilweise Korrektur: Inzwischen gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung ganztägig in der gesamten OD. Eine deutlichere Kennzeichnung von vorhandenen 30er-Zonen bringt meines Erachtens gar nichts, denn die meisten Autofahrer ignorieren das einfach. Ich werde ja selbst mit dem Rad auch in diesen Zonen trotz Tempo 30 oft genug überholt. Da helfen nur regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen – aber die sind halt nicht machbar, wenn man weiter im neoliberalen Kostensenkungswahn ohne jeden Sinn und Verstand auch bei der Polizei Personal „einspart“. – und dies auch nur von 22 bis 6 Uhr.
Auch wenn hier im Blog in den Kommentaren schon auf einzelne Gemeinden verwiesen wurde, in deren Ortsdurchfahrten (ganztägig) angeordnet wurde – ich kann mir nicht vorstellen, dass die Pirmasenser Straßenverkehrsbehörde hier eine dafür nötige „Gefahrenlage“ im Sinne des § 45 (9) S. 3 StVO feststellen – und dies auch vor Gericht standhalten würde. Die Verkehrsbelastung ist in Winzeln vor allem auch im Vergleich zu anderen Kreis- und Landesstraßen in der Stadt auch nicht sonderlich hoch.
Deshalb wird auch die Forderung, auf dem Abschnitt der K 6 zwischen Winzeln und Gersbach statt gegenwärtig
anzuordnen, nicht zu realisieren sein. So sehr mir das wegen meiner Widerstände bzgl. des parallelen „Feldweg-Radwegs“ entgegenkäme. Aber ja, derzeit darf man eh nur auf einem Abschnitt von 400 Metern mit 70 km/h fahren. Was auch meinerseits eins der vielen Argumente gegen die Um-die-Ecke-Feldwegbenutzungspflicht ist. Ob aber mal ganz nebenbei die Platzierung der Ortstafeln von Winzeln und Gersbach gegenwärtig so wirklich den VwV entsprechen, wage ich mal anzuzweifeln…
Außerdem sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass weder der Winzler Ortsbeirat noch der Pirmasenser Stadtrat die StVO außer Kraft setzen können, da können die beschließen, was sie wollen. 😉
Die landwirtschaftlichen Transporte zum Biomasse-Kraftwerk bei Winzeln gehen mir allerdings auch als Radfahrer selber regelmäßig auf die Nerven. Im letzten Herbst hatte ich deshalb auch mal das Ordnungsamt angeschrieben, weil ein Landwirt während der Maisernte mal wieder die K 6 fürchterlich mit grobklumpigem Erdreich eingesaut und die Straße anschließend nicht gereinigt hatte. Schon Schade, dass es in der StVO keine „Feldweg-Benutzungspflicht“ für landwirtschaftlichen Verkehr gibt, oder? 😉 Radfahrer gelten doch auch als „Verkehrshindernisse“, die man hin und wieder (so auch zwischen Winzeln und Gersbach) mittels blauer Schilder auf solche Feldwege zwingt.
Hingegen machbar halte ich eine deutliche Verschwenkung am Ortseingang. Das wird allerdings wohl mit dem Verlust von Friedhofsparkplätzen oder eines Teils des (noch) blaubeschilderten „Links-und-Rechts-ums-Eck„-Feldwegs einhergehen; ggf. müsste man jene dann auch bereits vor dem von der geschlossenen Bebauung etwas abgesetzten „Einsiedlerhäuschen“ anlegen.
Auch prinzipiell nicht ganz unmöglich wäre der Bau einer Umgehungsstraße zwischen der Anschlussstelle der L 600 und der K 6 bei Gersbach. Allerdings müsste die Stadt hierfür wohl eine weitere große Talbrücke weitestgehend selbst finanzieren. Ob sich das für ca. 4.702 Kfz (lt. Verkehrsstärkenkarte 2015) am Tag wirklich lohnt…?
Ich hatte die BI am Freitag mal per e-mail angeschrieben, bislang aber keine Antwort erhalten.