Autostadt Pirmasens

VEP Weglängen

Am Dienstag war ich ja zum 2. Runden Tisch zum neuen Verkehrsentwicklungsplan ins Rathaus eingeladen. Für mich eine ganz besondere Erfahrung, mal so einer exklusiven Veranstaltung beiwohnen zu dürfen – das zeigt mir dann doch, dass mein Engagement nicht ganz so bedeutungslos ist, wie es oft den Anschein hat. Da es eine nicht-öffentliche Sitzung war, werde ich darüber im Detail natürlich nichts berichten – auch wenn da jetzt keine „geheimen“ Sachen diskutiert wurden. 😉 Kein Geheimnis ist auf jeden Fall das der Runde am Dienstag von der Planersocietät präsentierte Ergebnis der Haushaltsbefragung. Auf der Seite „mobil-in-Pirmasens.de“ findet sich ein Factsheet (pdf, 308 KB), in welchem die Ergebnisse zusammengefasst präsentiert werden.

Die von den Verkehrsplanern durchgeführte Untersuchung basiert auf der Teilnahme von über 500 Haushalten mit 1100 Personen; was etwa 2,5 % der Pirmasenser Bevölkerung entspricht. Dass hierbei natürlich gewisse Verzerrungen entstehen, versteht sich von selbst. So ist anzunehmen, dass vor allem bildungsfernere und einkommensschwächere Haushalte an derartigen Untersuchungen seltener teilnehmen, deren Verkehrsmittelwahl aber auf beschränkten finanziellen Möglichkeiten beruht. Dies ist nicht unbedeutend, da in Pirmasens bekanntlich sehr viele arme Menschen leben.

Umso mehr überrascht dann die Tatsache, dass laut Untersuchung der Anteil von Kfz-Eigentümern in Pirmasens sogar überdurchschnittlich hoch ist, während es gleichzeitig sehr viele Haushalte ohne ein einziges Fahrrad gibt. Die Zahlen hierzu liefere ich bei Gelegenheit noch nach, wenn mir von der Stadtverwaltung die Präsentation übersandt wurde. Update: In Pirmasens haben 17 % der Haushalte keinen Pkw (bundesweiter Durchschnitt: 22 %). Auf 1000 Einwohner kommen in Pirmasens 634 Pkw (Durchschnitt: 555). Allerdings gibt es auch in 43 % der Haushalte kein einziges Fahrrad! 6 % haben ein Pedelec / E-Bike. Auf 1000 Einwohner kommen nur 428 Fahrräder (Durchschnitt: 872).

Ich hatte damals leider keinen Fragebogen erhalten – aufgrund meiner täglichen Nutzung und gewaltigen Kilometerleistung hätte ich den Radverkehrsanteil vielleicht sogar um ein Prozentchen anheben können. 😉 Man hat aber wohl trotzdem noch den ein oder anderen Rennradfahrer oder Mountainbiker erwischt; denn ansonsten wäre der Radverkehrsanteil noch niedriger gewesen, als die festgestellten 2 %. Deutlich wird das an den doch relativ „hohen“ Anteilen bei Wegen über 10 km. Bei einer Verkehrszählung würde es mich jedenfalls stark überraschen, wenn der Radverkehrsanteil in Pirmasens die 1-%-Marke überspringen würde.

Diese Untersuchung bestätigte aber im Wesentlichen die alltäglichen Beobachtungen: Pirmasens ist eine fürchterlich autoverrückte Stadt! Selbst für Wege unter 500 Meter wird in 25 % (+ 6 % Mitfahrer) der Fälle das Kfz genutzt, bei Wegen zw. 500 und 1000 Metern sogar in 37 % (+ 6 % Mitfahrer) der Fälle! Also selbst für die „klassische“ Fahrt zum Zigarettenautomat oder zum Bäcker steigen viele Pirmasenser in ihr Auto. Die „Schlabbeflicker“ sind also ganz allgemein ziemlich bequeme Bewegungsmuffel – was ich durch langjährige Studien meiner Mitbürger auch auf jeden Fall bestätigen kann. 😉

Insgesamt sieht der Modal Split so aus:

VEP Modal Split

Das Auto dominiert den Pirmasenser Verkehr daher auch absolut; 74 % der Wege werden als Pkw-Fahrer oder Mitfahrer absolviert. Auch der Fußgängeranteil ist daher mit 18 % ziemlich gering. Nur 6 % nutzen den ÖPNV (in Pirmasens gibt es hier quasi nur den Bus) und nur 2 % der Wege werden per Rad zurückgelegt.

Beim 3. Runden Tisch (vermutlich im April) soll es dann um Einzelmaßnahmen gehen. Hier wird es für mich als „Radverkehrsexperten“ spannend, wie man es schaffen will, die Leute wenigstens ein klein wenig aus dem Auto raus und aufs Fahrrad zu schaffen? Man muss sich ja nicht gleich ein völlig utopisches Ziel wie „5 Prozent Radverkehrsanteil“ setzen. Tun muss sich da aber auf jeden Fall was. Ideen dazu habe ich natürlich viele. Als eher „untypischer“ Radfahrervertreter (der eher wenig von Streifenmalereien oder dem Bau von Radwegen hält) auch sehr gespannt darauf, wie diese Ideen beim Rest der Beteiligten ankommen werden. 😉

Ins Detail will ich daher hier noch gar nicht gehen; Vieles ergibt sich ja auch aus meinem primären Engagement auf der straßenverkehrsrechtlichen Ebene, ich verweise hierzu auf meine bisherigen Gespräche mit der Pirmasenser Straßenverkehrsbehörde.

Imagekampagne fürs Fahrrad

Das Fahrrad hat in Pirmasens auf jeden Fall ein Imageproblem. Und das liegt meines Erachtens insb. an der sozioökonomischen Lage der Stadt und deren Bevölkerung. So hat das Auto grade wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage hier einen besonders hohen Stellenwert als Statussymbol; man muss zeigen, dass man sich ein Auto leisten kann. Denn es gibt nicht wenige, die das eben nicht können. Umgekehrt gilt dann vor allem das Fahrrad eben umso mehr als „arme-Leute-Verkehrsmittel“.

Radfahren ist und war in Pirmasens vor allem bei den Jüngeren schon immer total „uncool“; als ich zur Schule ging, kam einfach niemand mit dem Fahrrad. Wer hier was auf sich hält, macht mit 16 einen Rollerführerschein und mit 18 den Autoführerschein. Das ist fester Bestandteil des Erwachsenwerdens und wird auch in aller Regel kaum hinterfragt. Das war auch bei mir so; insb. die Mutter drängte mich regelrecht zum Führerschein und einem Auto – obwohl für mich das Rad immer das favorisierte Verkehrsmittel blieb. Ein „Elterntaxi“ gab es für mich übrigens nicht, da musste ich nämlich selber schauen, wie ich zu meinen Zielen komme. Da mir der Bus schon als Schüler zu unflexibel war, landete ich eben beim Fahrrad!

Wer allerdings ständig durch die Gegend gefahren wird (sei der Weg auch noch so kurz) und daher auch schon als Kind nichts anderes kennt, der macht das später in den meisten Fällen genauso. Wenn man wo ansetzen sollte, dann an der noch halbwegs „unverdorbenen“ Jugend.

Autofahren unattraktiv machen

Ein nicht unwesentliches Problem ist, dass es den Autofahrern in Pirmasens meines Erachtens halt auch einfach viel zu gut gefällt. Das wird auch in der Benotung deutlich: Das städtische Verkehrsnetz erhält aus Sicht der Kfz-Nutzer die Note 1,9! Kein Wunder – wer sein Auto überall, wo er grade Lust hat, abstellen kann und auch nicht großartig befürchten muss, dafür hin und wieder eine Knolle zu kriegen, dem gefällt das natürlich! Nur so „lohnt“ es sich dann, auch für eine 400 m kurze Strecke ins Auto einzusteigen.

So ist beispielsweise auch das hemmungslose Gehwegparken in Pirmasens eine Tradition, die von Generation zu Generation weitervererbt wird. Und was macht das Ordnungsamt, wenn es mal wieder an einer ganzen Reihe halb-halb auf den Gehwegen abgestellten Fahrzeugschlangen vorbeifährt? Nichts! Denn auch hier gilt das „Pirmasenser Landrecht“: das Gehwegparken wird von Seiten der Behörde nicht eigeninitiativ beanstandet, wenn dem Fußgänger wenigstens 1 Meterchen übrig bleibt. Anzeigen muss das dann derjenige, der mit seinem Rollator, Rollstuhl oder dem Kinderwagen nicht mehr durchkommt. Abgeschleppt wird nach meinen Beobachtungen in Pirmasens auch fast so gut wie nie.

Ebenfalls „problematisch“ ist, dass es in Pirmasens nur relativ selten richtige Staus gibt – das Straßennetz (obwohl nicht einmal besonders breit ausgebaut) verkraftet die Verkehrsströme ganz gut. Die einzige bedeutendere Transitstrecke ist die Kraftfahrstraße B 10 – und die führt im Wesentlichen an der Stadt vorbei. Außerdem gibt es ja noch die „Brötchen-Taste“, man muss also an den bewirtschafteten Parkplätzen in der Innenstadt die ersten 15 Minuten nix bezahlen. Es gibt im Stadtgebiet zwei größere Parkhäuser, die (wenn ich mich nicht irre) auch recht kostengünstig zu nutzen sind.

Es wird so oder so nicht leicht werden, wenigstens einen Teil der Leute davon zu überzeugen, auch öfters mal zu Fuß zu gehen oder das Fahrrad zu benutzen. Die am häufigsten zu hörende (faule) Ausrede wird daher wohl die „Topographie“ bleiben. Dabei ist das in der „Sieben-Hügel-Stadt“ nur in den seltensten Fällen ein wirkliches Hindernis. Und mit dem E-Bike-Boom fällt diese Ausrede im Grunde auch weg.

7 Gedanken zu „Autostadt Pirmasens“

  1. Durchschnittlich 7,9 km/Weg, dafür 16 Minuten ergibt einen Schnitt von ca. 30 km/h über alle Verkehrsmittel hinweg erscheint mir sehr hoch. Ich fahre in Karlsruhe innerstädtisch gerne mit dem Rad und bin i.d.R. schneller als mit dem Auto, v.a., wenn man noch den Weg vom/zum Parkplatz oder Haltestelle mitrechnet. Und nein, ich schaffe mit dem Rad bei weitem keinen 30er Schnitt.

    1. Danke; hab ich nicht drauf geachtet. Ich finde ja die 7,9 km auch schon relativ hoch; weiß allerdings auch nicht, ob man beide (absoluten) Werte hier einfach in Relation setzen kann. Ggf. basiert das auch auf längeren Pendelstrecken (außerorts), die den Schnitt dann ein wenig nach oben ziehen. Und: wenig Fußgänger und Radfahrer ziehen den Schnitt dann halt auch insgesamt nicht so sehr runter, selbst wenn es in der Stadt mal nicht so schnell vorwärts geht.

      1. Du hast sicher recht, da sind auch Pendler in den Strecken enthalten. Und schon ist die schöne Statistik nix mehr wert. Für innerorts wäre mir der Schnitt alleine für Autos schon zu hoch.

        1. Ja, das verwirrt ein wenig; weil da bspw. auch Pendler nach KL oder LD mit drin sind. Oder halt auch Rennradfahrer, die in ihrer Freizeit eine >100-km-Tour machen. Entscheidend ist ja nur der Wohnort des Befragten in der jeweiligen Stadt; der kann dann ggf. auch kaum auf den städtischen Straßen unterwegs sein. So fehlen hier dann ja z. B. auch die Pendler von außerhalb in die Stadt völlig. Gründe, warum ich derartige Untersuchungen auch methodisch für nicht ganz aussagekräftig halte.

          1. Nee, leider durfte ich ja nicht mitmachen. Ich bin ja aber zum Glück auch nicht der einzige Pirmasenser Rennradler. 😉

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