Ich habe ja ganz allgemein – nach unzähligen Justizskandalen insb. im Bereich der Wirtschaftskriminalität, aber auch fragwürdigen Urteilen zur Gefährdung von Radfahrern oder Radwegbenutzungspflichten – keine wirklichen Erwartungen mehr an das hiesige Rechtssystem. Insbesondere die Tatsache, dass eine Klage gegen eine einzelne Radwegebenutzungspflicht oder ein Radverkehrsverbot einen bis zur 2. Instanz schon locker 5.000 Euro kosten kann, zeigt mir, dass wir „den besten Rechtsstaat haben – den man sich für Geld kaufen kann.“ So hatte ich auch keine wirklich positiven Erwartungen, als ich im Februar bei der Staatsanwaltschaft Zweibrücken beantragte, wegen des Unfalls auf dem vereisten B-10-Radweg zwischen Wilgartswiesen und Rinnthal vom 31. Januar ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung einzuleiten.
Der Einfachheit halber dokumentiere ich hier meinen Antrag (vom 7. Februar). Den ich übrigens über die Generalstaatsanwaltschaft (am 28. Februar) gleich noch einmal einreichen musste, weil man mir den Eingang der 1. e-mail trotz Nachfrage überhaupt nicht bestätigen wollte. Das galt übrigens auch für die Polizeiinspektion Dahn, die es ebenfalls nicht für nötig hielt, zu antworten, ob jene Ermittlungen eingeleitet hätte. Fahrlässige Körperverletzung ist bei öffentlichem Interesse ein Offizialdelikt.
Mein Antrag (vom 28. Februar)
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte die Staatsanwaltschaft Zweibrücken bitten, von Amts wegen ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen gesetzlich vorgeschriebener Verkehrssicherungspflichten (in diesem Fall Räum- und Streudienst) einzuleiten, sofern vom Verunfallten selbst keine derartige Anzeige erhoben wurde oder werden sollte.
Die zuständige Polizeiinspektion Dahn wollte mir bis heute nicht bestätigen, dass jene überhaupt Ermittlungen in diese Richtung eingeleitet hätte. Daher möchte ich mich nun direkt an die zuständige Staatsanwaltschaft Zweibrücken wenden.
Hier besteht meiner Ansicht nach ein öffentliches Interesse. Ich möchte dies wie folgt begründen:
Die B 10 ist zwischen Pirmasens und Landau fast durchgängig als Kraftfahrstraße ausgebaut oder per Zeichen 254 StVO für den Radverkehr gesperrt. Dies gilt auch für den Abschnitt Wilgartswiesen – Rinnthal, auf dem am 31. Januar 2019 ein 68-jähriger Radfahrer schwer stürzte. Allerdings wird auf ausnahmslos allen parallel verlaufenden Ersatzwegen (für Langsamfahr- und Radverkehre) kein Winterdienst geleistet, was für den Unfall hier unzweifelhaft mitursächlich war.
Ich engagiere mich seit ca. 2 Jahren in mehreren Kreisen und Städten radverkehrspolitisch, vorwiegend wegen der rechtswidrigen Anordnung von Radwegbenutzungspflichten. Das bedeutendste Thema ist jedoch der fehlende Winterdienst auf den der B 10 folgenden Radwegen. Mein Engagement dokumentiere ich deshalb auch in meinem Blog – und werde im Folgenden per Link auf die entsprechenden Beiträge hinweisen. Das Problem wurde u. a. auch schon im Januar 2018 von der Tageszeitung Rheinpfalz aufgegriffen.
Um zu erreichen, dass Radfahrer im Winter nicht mehr über gefährliche, vereiste Wege fahren müssen, habe ich mir zur Lösungsfindung den verkehrlich bedeutsamsten Abschnitt zwischen Hinterweidenthal und Hauenstein ausgesucht, um mittels diverser Eingaben die zuständigen Stellen dazu zu bringen, hier eine Lösung zu finden. Mangels Erfolgs schaltete ich dann nach einer Weile auch die Bürgerbeauftragte des rheinland-pfälzischen Landtages ein (…).
Alle Beteiligten (der LBM Kaiserslautern, die Straßenverkehrsbehörde des Kreis Südwestpfalz als auch die Verbandsgemeinde Hauenstein) sind diese Zustände bekannt – und sie halten jene für rechtmäßig. Die VG Hauenstein hat dies bspw. dadurch zum Ausdruck gebracht, indem sie erst kürzlich ein neues Zusatzzeichen am Beginn des Radweges in Hinterweidenthal angebracht hat.
Der wesentliche Grund, warum alle Beteiligten sich weigern ist, dass (nach deren Ansicht) die Rechtslage sie nicht dazu verpflichte, Winterdienste zu leisten oder die Sperrung der B 10 für den Radverkehr aufzuheben. So verweist u. a. auch das zuständige rheinland-pfälzische Ministerium darauf, dass der Weg zw. Hinterweidenthal und Hauenstein immer noch ein „Forst- und Wirtschaftsweg“ sei. Das widerspricht allerdings der Tatsache, dass in der verkehrsbehördlichen Anordnung aus dem Jahre 1993 zur Sperrung der B 10 für den Radverkehr die Wege, auf die der Radverkehr verwiesen wurde, ausdrücklich als „Radwege“ bezeichnet werden. Leider haben es die zuständigen Behörden teils wohl bis heute unterlassen, diese Wege dem öffentlichen Verkehr zu widmen, obwohl sich auch der Bund an den Ausbaukosten beteiligte.
Meiner Ansicht nach ergibt sich die Verkehrssicherungspflicht auf diesen Wegen aus den §§ 5 und 7 FStrG in Verbindung mit dem § 16 LStrG Rheinland-Pfalz. Diese Ansicht wird auch von einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (WD 5 – 3000 – 048/17) vom 8. Juni 2017 gestützt. Darin wird u. a. auf die „Grundsätze 2008“ des Bundesverkehrsministeriums verwiesen. In diesen wird eindeutig klargestellt, dass auch auf den Wegen entlang der B 10 Winterdienste erfolgen müssten. Für Details verweise ich auf meinen Blogartikel.
(…) Da hier nun ein Mensch schwer verletzt wurde, weil sich alle Beteiligten seit Jahren weigern, für dieses Rechtsproblem eine Lösung zu finden, sehe ich hier auch strafrechtlich eine dringend notwendige Klärung der Frage, wer auf Wegen dieser Art letzten Endes verkehrssicherungspflichtig ist? Meines Wissens nach gibt es bislang keine Urteile, die sich zu dieser Frage in irgendeiner Weise eindeutig geäußert hätten. Weder verwaltungs- noch zivilrechtlich.
Ich möchte auch noch anmerken, dass ich die Alkoholisierung des Radfahrers hier für nicht unfallursächlich betrachte, da der Mann offensichtlich erst in dem Bereich des Radweges zwischen Wilgartswiesen und Rinnthal stürzte, der aufgrund der schattigen Lage tagsüber nicht vollständig abtrocknete.
Ich würde Sie bitten, mir den Eingang zu bestätigen und mich darüber zu unterrichten, ob die StA Zweibrücken ein solches Verfahren eröffnen wird oder nicht.
Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken teilte mir in einem Schreiben vom 9. Mai 2019 u. a. Folgendes mit:
in dem vorbezeichneten Verfahren wurde heute folgende Entscheidung getroffen:
Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wird gemäß § 152 Abs. 2 StPO abgesehen. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verfahren liegen nicht vor.
Die Staatsanwaltschaft zweifelt in diesem Schreiben auch aufgrund der vorliegenden Alkoholisierung des Radfahrers an, dass die Glätte für den Sturz verantwortlich gewesen sei. Außerdem habe der Radfahrer sein Rad nach eigenen Angaben geschoben. Es spielt aber meiner Ansicht nach keine Rolle, inwieweit die Alkoholisierung den Sturz begünstigt hat – die Glätte war so oder so der wesentliche Auslöser. Außerdem sollte es auch (alkoholisierten) Fußgängern möglich sein, im Winter sicher von Wilgartswiesen nach Rinnthal zu gelangen, ohne auf der B 10 laufen zu müssen (was man ja absurderweise auch darf).
Die Staatsanwaltschaft weiter:
Ausschlaggebend für das Absehen von der Einleitung eines Verfahrens ist weiterhin die Tatsache, dass es sich bei dem Weg zwischen Wilgartswiesen und Rinnthal um einen Wirtschaftsweg handelt, auf dem die Durchführung von Räum- und Streuarbeiten nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 des rheinland-pfälzischen Landesstraßengesetzes. Danach ist Winterdienst nur auf öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage durchzuführen. Diese Voraussetzungen treffen auf den hier in Rede stehenden Weg nicht zu.
Die Staatsanwaltschaft stellt hier klar, dass sie meinen Antrag überhaupt nicht verstanden und meine Argumente schlicht und ergreifend gar nicht geprüft hat. Denn sie stellt es hier als „Tatsache“ dar, dass dieser Weg nur ein „Wirtschaftsweg“ sei. Genau diese Frage hätte meiner Ansicht nach eben richterlich geklärt werden müssen – ob es sich hier „nur“ um einen „Wirtschaftsweg“ handelt. Die StA hat auch nach Analyse meiner Blog-Seitenzugriffe übrigens vermutlich keinen einzigen der eingerichteten Links angeklickt.
Besonders abstrus ist der Folgende Absatz:
Der Weg ist auch ordnungsgemäß mit einem Warnhinweisschild beschildert (…). Das Warnhinweisschild trägt folgende Aufschrift: „Wirtschaftsweg! Radfahrer frei – auf eigene Gefahr!“
Dass man mit in die Landschaft gesetzten Plastikschildern keine gesetzlichen Pflichten aufheben kann, sollte der Staatsanwaltschaft eigentlich bekannt sein.
Aus den genannten Gründen bersteht bereits kein Anfangsverdacht bezüglich einer fahrlässigen Körperverletzung. Ein Ermittlungsverfahren wird daher nicht eingeleitet.
Meinetwegen. Dann reiht sich die Staatsanwaltschaft eben auch noch in die lange Reihe derer ein, denen die Verkehrssicherheit und die Gleichberechtigung des Radverkehrs entlang von für den Radverkehr gesperrten Bundesstraßen völlig gleichgültig ist. Weil man sich um die Beantwortung der Frage herumdrückt, welche Verkehrssicherungspflichten eben auf genau dieser Art von Ausweichwegen vorgeschrieben sind!
Es ist nebenbei auch bedauerlich, dass der Gestürzte selbst offenbar nicht juristisch gegen die Verantwortlichen vorgehen wollte. Aber er hätte sich wohl nur die gleiche Backpfeife abgeholt.
Ergänzend noch ein Foto vom „Warnhinweisschild“ anderen Ende des Weges; es steht direkt hinter der Grenze des Kreises SÜW und scheint somit eine Spezialität des Kreises Südwestpfalz zu sein:
Nachtrag: Es handelt sich hier höchstwahrscheinlich genau um den Abschnitt des Weges, auf dem der der Radfahrer am 31. Januar schwer stürzte.
Den Radverkehr betreffend herrschen in Deutschland Zustände wie in einer Bananenrepublik. Wobei es mir fern liegt, echte Bananenrepubliken damit beleidigen zu wollen.
Folgebeitrag
Übersicht
Ich unterstütze ausdrücklich das Anliegen dieses Beitrags aus Verantwortung für die Rad fahrenden. Die Fürsorgepflicht der Behörden, Verwaltung wie Staatsanwaltschaft, gegenüber Fahrrad fahrenden wird meiner Meinung nach hier nicht erfüllt. Wer die Grundlagen des Rechtsstaats kennt, weiß, dass im vorliegenden Fall zwei der drei Pfeiler (Legislative, Exekutive, Judikative) betroffen sind.
Das ist sehr, sehr ernst!
Danke, Dennis, dass du solche Fälle aufgreifst und nicht locker lässt.
Benutzungspflichtige Radwege ohne Streckenalternative sind nie und nimmer Wirtschaftswege, die auf eigene Gefahr zu benutzen sind! Diese Aussage ist vernünftig, meine ich.
Da das Schild mit einem VZ verwechselt werden kann, besteht seitens der Straßenverkehrsbehörde die Pflicht, diesen Nicht-Akt umgehend vom Zuständigen entfernen zu lassen, da nur zulässige Zeichen angeordnet werden dürfen durch die SVB und die ist – bis auf klar definierte Ausnahmen – die einzige Stelle, die anordnen darf im öffentlichen Verkehrsraum, der auch nicht gewidmete Wirtschaftswege umfasst.