Blaue Schilder in Tempo-30-Zonen

Eine der vermeintlich leichtesten Übungen für eine Verwaltung sollte das Entfernen von Getrennter Geh- und Radweg, Gemeinsamer Geh- und Radweg oder Radweg in Tempo-30-Zonen sein. Denn es gibt da ja den § 45 (1c) S. 3 StVO, der hierzu Folgendes besagt:

Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen.

Leider sträubt sich die Homburger Stadtverwaltung auch weiterhin gegen die Entfernung zahlreicher Getrennter Geh- und Radweg in der Talstraße, einer wichtigen Geschäftsstraße. Aber das passt ja auch perfekt zur dort allgemein herrschenden blauen Anarchie (Beitragsbild).

Ich hatte zuletzt nach längerer Zeit mal wieder eine e-mail an das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr gesendet und gefragt, wie es denn mit meiner Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Saarpfalz-Kreis (u. a. wegen der blaustrophobischen Zustände im Mandelbachtal) und die Homburger Stadtverwaltung in Sachen Talstraße aussähe? Man wich der zweiten Frage geschickt aus, weshalb ich dann doch nochmal nachhaken musste. Das Ministerium teilte mir u. a. Folgendes mit:

Es steht außer Zweifel, dass die derzeitige „Kumulation“, Tempo 30 – Zone und Radwegbenutzungspflicht, nicht der Rechtslage entspricht. Hinweise in dieser Richtung sind an die Verantwortlichen vor Ort in Homburg ergangen. Eine andere Frage ist, ob durch diese rechtliche Situation eine Gefahrenlage geschaffen wird oder wurde, die so konkret ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts größer ist, als deren ausbleiben. Dem scheint mir nicht so. Vielmehr scheinen die Rad Fahrenden vor Ort vor allem in der Talstraße eine Wahlmöglichkeit zu bevorzugen. Wer sich auf dem Radweg wegen der zu Fuß Gehenden eingeengt fühlt fährt auf der Straße. Wer dort aber nicht zwischen den Schwerlastfahrzeugen des Anlieferverkehrs oder ÖPNV fahren will, fährt lieber auf dem kombinierten Rad-/Gehweg. Das scheint mir auch der Lösungsansatz einer zukünftigen Entscheidung zu sein, wie man dem natürlichen Nutzungsbedürfnis der Rad Fahrenden in der Talstraße am ehesten gerecht wird.

Da standen mir dann leider wieder die Nackenhaare zu Berge, denn die hier suggerierte Wahlmöglichkeit liegt ja wegen der Beschilderung mit Getrennter Geh- und Radweg eben gar nicht vor. Allerdings – und das ist das, was mich am meisten frustriert: Der Mann hat ja nicht ganz Unrecht, wenn er drauf verweist, dass dort sehr viele Radfahrer das kurvige und abenteuerliche Wegelchen – ihrem „natürlichen Nutzungsbedürfnis“ entsprechend – der Fahrbahn vorziehen.

Dazu passt übrigens, dass ich vor einiger Zeit versucht hatte, mit der frisch gegründeten Ortsgruppe des Homburger ADFC eine Konversation zu beginnen. Aber das ging gründlich in die Hose. Mir schien es dabei so, als hätten sich die Homburger Radfahrer an die Zustände derart gewöhnt, dass denen dieser Wahnsinn gar nicht mehr auffällt – und man bestenfalls „Verbesserungen“ fordert. Anstatt die Benutzungspflicht zweifelhafter Wegelchen zu bekämpfen. Ein weiterer Versuch, mit dem „Radelkollektiv“ in Kontakt zu treten, schlug ebenfalls fehl. Zur allgemeinen Stimmungslage der Homburger Radfahrerschaft verweise ich einfach mal auf zwei Beiträge des Pfälzischen Merkurs zu den „Radeldemos“ vom 11. Mai.

Unfälle in der Talstraße

Jedenfalls hatte es mich dann (wegen der Erwähnung der „Gefahrenlage“…) doch mal interessiert, wie viele Radfahrerunfälle es in der Talstraße mit ihrem tollen Zwangs-Radweg in den vergangenen 10 Jahren gab? Die Homburger Polizeiinspektion lieferte mir dankenswerterweise sehr schnell die entsprechenden Daten in einer übersichtlichen Exceltabelle. Wie viele der Unfälle mit dem dortigen Radweg zu tun haben, lässt sich allerdings nicht zweifelsfrei feststellen.

Insgesamt gab es in diesem Zeitraum 35 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung. Davon 29 Unfälle mit Personenschaden (auf dieser Zahl basieren die folgenden Werte). 6 Personen wurden schwer, die restlichen 23 leicht verletzt. Dominierender Unfalltyp ist der Typ 3 (Einbiegen / Kreuzen – also: Vorfahrt). Hier wurden 10 Fälle registriert. Alleine 4 davon passierten an der Einmündung der Gerberstraße. Die vermeintliche „Lösung“ des Problems kann ebenfalls bei mapillary bewundert werden. Der zweithäufigste Unfalltyp ist der Fahrunfall (6 Unfälle). Unfälle mit Fußgängern gab es erstaunlicherweise „nur“ 5.

Ebenfalls ein wenig auffällig ist die Häufung der Unfallzahlen seit 2015. Während von 2009 bis 2014 11 Unfälle registriert wurden, sprang die Zahl seit 2015 auf 18 Unfälle.

Nur keine Eile…

Was mich an der Sache auch enorm stört ist, dass der rechtswidrige Zustand von der Stadtverwaltung nicht endlich beseitigt wird. Stattdessen belässt man alles so wie es ist, bis man vielleicht ja dann doch irgendwann mal eine Alternative gefunden hat. Vermutlich hat man auch ein wenig Angst davor, es sich mit den ihre wahnwitzigen „Radwege“ liebenden Homburger Radfahrern zu verscherzen? Weil man diesen doch tatsächlich „zumuten“ müsste, in einer Tempo-30-Zone auf der Fahrbahn zu fahren.


Siehe auch

„Gipfeltreffen“ in Homburg

Tempo-30-Zonen-Radwege in Bad Dürkheim

2 Gedanken zu „Blaue Schilder in Tempo-30-Zonen“

  1. Ja, das fahren auf der Fahrbahn stößt tatsächlich vielen auf. Ich wundere mich auch hier über Gehwegradler. Neuerdings gerne mit Motor, Helm und Weste. Wenn man diese Klientel anspricht bekommt man ähnliche Repliken, wie aus heruntergelassenen Scheiben auf der Fahrerseite von KFZ.

    Dabei haben wir hier im Ort abseits der Hauptverkehrsstraßen fast durchgängig Gebot 30 oder sogar Tempo-30-Zonen. Unsere Verwaltung hat hier zwar viele Benutzungspflichten entfernt, leider aber immer ohne entsprechende öffentliche Kommunikation.

    1. Was zeigt, dass das überwiegend eine simple Gewohnheitssache ist. Wenn die Leute einmal „verdorben“ wurden, kriegst du sie nie mehr zurück auf die Fahrbahn. Homburg ist in meinen Augen auch so ein klassisches Beispiel dafür, dass da einfach mittels unzähliger blauer Schilder (meist auch mit dem Z 241 das Falsche…) das Gehwegradeln legalisiert wurde. Die Autofahrer freut es natürlich…

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