Tipps der Polizei zum Weltfahrradtag

Rennrad Nachts

Von mir kommentierte Pressemeldung des PP Westpfalz vom 31. Mai 2019:

Kaiserslautern (ots). 2018 haben die Vereinten Nationen den 3. Juni zum Weltfahrradtag erklärt. Damit soll die Bedeutung des Fahrrads für die Gesundheit der Menschen, die Lebensqualität in den Städten und das weltweite Klima herausgestellt werden.

Aha. Für mich persönlich ist ja jeder Tag ein Weltfahrradtag. 😉

Fahrräder gewinnen auch im Straßenverkehr eine immer größere Bedeutung. Dabei ist es wichtig, dass alle Verkehrsteilnehmer aufeinander Rücksicht nehmen. Insbesondere Zweiradfahrer sind einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt, weil sie ohne „Knautschzone“ unterwegs sind.

Fahrräder hatten (vor dem Aufkommen des Automobils) und haben in vielen Städten bereits eine große Bedeutung. Das Verletzungsrisiko ist halt leider auch deshalb höher, weil so viele andere mit tonnenschweren Gefährten unterwegs sind – und die gleichzeitig viele Verkehrsregeln missachten. Was am Ende fast ausschließlich der Radfahrer ausbaden muss.

Zur Vermeidung von Unfällen können die Radfahrer aber schon durch einfache Verhaltensregeln beitragen.

Man ahnt bereits, was nun kommen wird:

Tragen Sie einen Helm! So banal diese Aussage klingt, so sehr zeigt die Realität im alltäglichen Straßenverkehr, dass diese Botschaft noch nicht bei allen Radlern angekommen ist. Helmträger verringern das Risiko für schwere Kopfverletzungen bei einem Sturz erheblich. Deshalb: Helle Köpfe tragen Helm.

In der Tat sehr „banal“: mit Helmen kann man also sogar Unfälle vermeiden. Und Helmträger(!) selbst verringern das Risiko. Köstlich! Nach einem Beleg für diese Behauptungen fragt man die Polizei besser nicht. Denn da kam noch nie was anderes als „das weiß man doch!“

– Tragen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit einen geeigneten Helm, um Ihren Kopf vor schweren Verletzungen zu schützen.
– Neue Modelle haben durch moderne Materialeigenschaften einen hohen Tragekomfort.

Diese „Fahrradhelme“ können aber leider gar keine schweren Kopfverletzungen verhindern, denn dafür sind sie gar nicht konstruiert. Auch ganz witzig: „Moderne“ Materialeigenschaften. Dieses Styropor ist wahrhaft ein phantastischer Kunststoff, der entwickelt sich scheinbar immer weiter…

Seien Sie ein Vorbild für Ihre Kinder.

Ich hab zwar keine. Aber ich sehe mich in der Tat als Vorbild: Darin, nicht jeden Schwachsinn zu glauben, der einem erzählt wird. Auch von den Eltern oder der Polizei. Also, liebe Kids: lasst euch nicht verrückt machen! Radfahren ist eine der (vor allem für den Kopf) ungefährlichsten Tätigkeiten, die man ausüben kann. Geht raus und habt Spaß. Fallt hin und wieder hin, steht auf – und fahrt weiter. Wie ich in meiner Kindheit auch.

– Achten Sie auf intelligent angebrachte Reflektoren am Helm, um zusätzlich die Sichtbarkeit zu erhöhen.
– Tragen Sie nur zertifizierte Helme.

„Intelligent“ angebrachte Reflektoren. Jetzt müssen also inzwischen auch noch Fahrradhelme mit Lametta „verschönert“ werden…!? Und wer stellt denn dieses „Zertifikat“ aus? Der Hersteller? Oder das Kartell der Verband der Fahrradhelm-Hersteller?

Sehen und gesehen werden

Eine einwandfrei funktionierende Beleuchtungsanlage mit Nabendynamo und LED-Technik sowie reflektierende Elemente an Kleidung und Taschen erhöhen die Sicherheit im Straßenverkehr um ein Vielfaches. Eine fest montierte dynamobetriebene Lichtanlage ist für alle Fahrräder und E-Bikes vorgeschrieben.

Ohje. Jetzt wird es wirklich ärgerlich: Dynamobetriebene Lichtanlagen sind schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr vorgeschrieben. Man muss tagsüber (wenn man nicht grade durch längere Tunnel fährt) sogar gar kein Front- und Rücklicht mehr mit sich führen! Es scheint, als ob das Polizeipräsidium Westpfalz die aktuelle Fassung des § 67 StVZO selber nicht zu kennen scheint…!?

Blinklichter sind verboten. Für alle Fahrräder gilt, dass sie mit Reflektoren ausgestattet sein müssen: Zwei gelbe Rückstrahler pro Pedal, je zwei gelbe in den Speichen des Vorder- und Hinterrades, zwei rote am Heck und ein weißer Rückstrahler an der Vorderseite. Front- und Heckreflektor dürfen in Scheinwerfer oder Rückleuchte integriert sein. Statt der Speichenreflektoren sind auch so genannte „Reflexstreifen“ auf den Reifenflanken zugelassen. Für die Beleuchtung wird die Verwendung moderner LED-Technik empfohlen. Sie ist deutlich heller als herkömmliche Beleuchtung und zudem wartungsärmer und langlebiger. Durch die Nutzung eines effektiven Nabendynamos, Standlichtfunktion vorne und hinten sowie Tagfahrlicht können Radfahrer Ihre Sichtbarkeit auch tagsüber merklich verbessern. Auch die Kleidung sollte hell und im Optimalfall mit reflektierenden Elementen versehen sein.

Der zweite Reflektor hinten ist ebenfalls nicht mehr vorgeschrieben. Außerdem sind auch Speichensticks zulässig. Scheinbar fällt der Polizei mit ihrem Verweis auf moderne LED-Technik auch nicht auf, dass sie einen Absatz zuvor mit der Dynamopflicht totalen Unsinn verzapft hat…!?

– Achten Sie darauf, dass alle vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen angebracht und funktionstüchtig sind.
– Wer gut gesehen wird verringert das Unfallrisiko erheblich.
– Tragen Sie helle Kleidung mit Reflektoren.

Man könnte natürlich alternativ auch Autofahrer dazu anhalten, beim Fahren die Augen aufzumachen. Da fordert man lieber von den Radfahrern, sich und ihr Fahrrad zu „schmücken“ wie einen Weihnachtsbaum. Ich bin ja der Ansicht, dass der ganze Reflektorenblödsinn aus der StVZO gestrichen gehört. Die Aufnahme dieser Lametta-Vorschriften hatte noch nie was anderes im Sinn, als hinterher victim-blaming betreiben zu können. Dazu passt auch der Verweis auf „helle Kleidung mit Reflektoren“: Es ist schließlich auch die Polizei, die in ihren Pressemeldungen immer wieder moniert, dass ein von einem Autofahrer im Blindflug abgeschossener Radfahrer „dunkle Kleidung“ getragen hatte. Da schließt sich der Kreis…

Weitere Hinweise zur Verkehrssicherheit:

– Fahren Sie vorausschauend und halten Sie sich stets bremsbereit.
– Vergewissern Sie sich, dass die Bremsanlage Ihres Rades funktionstüchtig ist.
– Benutzen Sie ausschließlich Fahrbahnen, die für Fahrräder geeignet und zugelassen sind.

Ähm. Was sind denn für Fahrräder „geeignete und zugelassene“ Fahrbahnen…? Touristische HBR-Wege sind es dann glaube ich schon einmal nicht? 😉

– Umfahren Sie keine rote Ampel mit dem Fahrrad. Dies stellt nicht nur eine Ordnungswidrigkeit dar, sondern birgt zusätzlich ein hohes Unfallrisiko für Sie und andere Verkehrsteilnehmer.
– Steigen Sie an Fußgängerüberwegen von Ihrem Fahrrad ab, um diesen für alle erkennbar, bevorrechtigt und sicher überqueren zu können.

Es ist durchaus nicht verkehrt, darauf hinzuweisen, dass man als Radfahrer auf einem Zebrastreifen keinen Vorrang hat. Allerdings ist es nicht selten auch so, dass man die allermeisten Zebras ja nur erreichen kann, wenn man zuvor bereits rechtswidrig auf dem Gehweg unterwegs war…

– Verzichten Sie in Ihrem und im Sicherheitsinteresse anderer auf Alkohol und Drogen auch beim Radfahren.
– Das Einnehmen von Medikamenten vor der Teilnahme am Straßenverkehr sollten Sie mit Ihrem Arzt absprechen.
– Telefonieren Sie nicht während der Fahrt. Ihr Leben ist zu kostbar, um es durch ein Telefongespräch zu gefährden.
– Verzichten Sie auf die Benutzung von Kopfhörern. Durch das Tragen eines Kopfhörers können Sie die Verkehrsgeräusche nicht mehr störungsfrei wahrnehmen.

Okay, ich persönlich halte von Kopfhörern beim Radfahren auch nix. Aber: schallisolierte Autofahrer in ihrem Straßenpanzer mit Dolby-Surround-Anlage dürften von der Umwelt noch weniger mitkriegen, als jemand, der sich mittels Kopfhörern ein wenig berieseln lässt.

Diebstahlschutz

Fahrräder und vor allem E-Bikes sind beliebt wie nie zu vor. Doch leider nicht nur bei ihren Fahrern, sondern auch bei vielen Langfingern. Die Fallzahlen von Fahrraddiebstählen sind seit Jahren unverändert hoch. Untersuchungen zeigen, dass etwa jedes sechste gestohlene Fahrrad gar nicht oder nur unzureichend gesichert war. Hochwertige Räder, Pedelecs und E-Bikes kosten nicht selten mehrere tausend Euro – der Aufwand eines dieser Zweiräder zu entwenden bleibt jedoch derselbe. Aus diesem Grund sollten Sie Ihren Drahtesel und vor allem auch das elektrische Zweirad ausreichend sichern und auch versichern.

Kleine Billigschlösser halten einen geübten Langfinger nicht auf. Denn mit einem Seitenschneider und anderen Hilfsmitteln ist ein Low-Budget-Schloss in der Regel schnell geknackt und der Dieb samt Bike über alle Berge.

Der beste Diebstahlschutz ist ein stabiles Fahrradschloss. Achten Sie beim Kauf auf nachfolgende Aspekte:

– Kaufen Sie ein Bügel- oder Panzerkabelschloss
– Entscheiden Sie sich für „geprüfte Qualität“.

Hinweise zu den zertifizierten Sicherheitsnormen wie TÜV, CE, DIN und VsD finden Sie hier: https://s.rlp.de/AW6sy

– Wählen Sie das Schloss so groß, dass Sie den Rahmen ohne Mühe an einem fest verankerten Gegenstand anschließen können (Laternenpfahl, Fahrradständer etc.)
– Die Polizei empfiehlt den Einsatz einer Kombination von mindestens zwei Schlössern – „doppelt hält besser“. Besonders sicher ist das Fahrrad mit einem Bügel- oder Faltschloss.

Erweitert man dieses mit einem flexiblen Schloss, um leicht demontierbare Anbauteile zu sichern, macht man es dem Dieb besonders schwer.

Eine Möglichkeit, um gestohlene Räder dem Eigentümer wieder zuordnen zu können, sind Fahrrad-Codierungen. Darüber hinaus sind codierte Fahrräder im Falle eines Diebstahls schwerer weiter zu veräußern und dadurch für Diebe uninteressant. Die Fahrrad-Codierung sollte ausschließlich von Fachpersonal ausgeführt werden, um die zur Codierung notwendigen Methoden den Materialien anzupassen. Verschiedene Institutionen wie zum Beispiel der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC), Versicherungen oder der Fahrradhändler vor Ort bieten eine solche Codierung an.

Ebenso unterstützt ein autarker oder am Rad fest verbundener GPS-Tracker unter Nutzung einer entsprechenden App die Ortung des Fahrrades im Diebstahlsfall. Die Modelle variieren von gut getarnt bis hin zur Unübersehbarkeit. Lassen Sie sich im Fachhandel beraten. Nutzen Sie den Fahrradpass!

Eine weitere Hilfe für die Klärung der Eigentumsverhältnisse ist ein Fahrradpass. Hier können Sie neben der Rahmennummer und Codierung auch Name und Anschrift des Fahrradbesitzers angeben. Ein vollständig ausgefüllter Fahrradpass mit einem Foto des Drahtesels sollte sicher aufbewahrt sein. Wer im Besitz eines Smartphones ist kann die kostenlose FAHRRADPASS-App der Polizei für iOS- und Android-Smartphones nutzen. Mit der App können alle für eine Identifizierung wichtigen Daten problemlos gespeichert werden: Die Rahmen- und Codier-Nummer, Angaben zu Fahrradtyp, Hersteller und Modell, eine genaue Beschreibung des Fahrrads sowie Fotos. Darüber hinaus lassen sich die Angaben mehrerer Räder über die App problemlos verwalten. Alle Daten können ausgedruckt oder per Mail im Textformat oder als PDF-Anhang verschickt werden. So lassen sie sich im Notfall schnell an die Polizei oder den Versicherer weiterleiten. Und: Der Radbesitzer hat die Daten auf dem Smartphone immer dabei.

Hier können Sie Ihr Fahrrad registrieren: Link zum App Store: http://itunes.apple.com/de/app/fahrradpass/id438072942?mt=8

Link zum Google Play Store: https://play.google.com/store/search?q=fahrradpass&c=apps

Weitere Tipps wie Sie Ihr Fahrrad sichern können finden Sie unter:
https://s.rlp.de/1TSfC

Den letzten Abschnitt lasse ich mal unkommentiert. Es wurde jedenfalls leider noch kein unknackbares Schloss entwickelt.

Fazit

In der Summe zielt diese Pressemeldung natürlich auf den Durchschnitts-Radfahrer ab. Meiner Ansicht nach wäre es allerdings wesentlich wichtiger, bei den Gefährdern anzusetzen. Warum gibt es denn anlässlich dieses „Weltfahrradtages“ keine Meldung, die sich explizit an Kraftfahrzeugnutzer richtet?

Warum sollen vielmehr Radfahrer unnütze Helme und Reflektorenkleidung tragen? Nur, damit man später in einer der nächsten Unfallmeldungen wieder victim-blaming betreiben kann, indem man erwähnt, dass der vom Kfz-Nutzer schwerverletzte Radfahrer keinen Helm oder „dunkle Kleidung“ getragen hatte…!?

Ein Gedanke zu „Tipps der Polizei zum Weltfahrradtag“

  1. Ich glaube, ich verkaufe meine Fahrräder.
    Allein mit dem Gewicht der mitzuführenden Schlösser überschreite ich das zulässige Gesamtgewicht.
    Gedacht war mit dem Tag wohl Werbung für´s Radfahren. Richtig wäre hier, wie Du schon geschrieben hast, mal den Zeigefinger gegen die Autofahrer zu erheben und zu erklären, dass Radler auch Verkehrsteilnehmer sind und kein Freiwild.
    So ist es leider nur ein Armutszeugnis für die Polizei.

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