„Grundsätze 2008“ in Baden-Württemberg

B-10-Radwege im Winter

Vor einigen Tagen erreichte mich ein interessanter Hinweis eines hier hin und wieder kommentierenden Mitstreiters. Er ist im Internetangebot der baden-württembergischen Regierungspräsidien zufällig mal wieder über die „Grundsätze 2008“ gestolpert, die vor allem die Baulast als auch den Winterdienst an „Radwegen“ im Zuge von Bundesstraßen regeln. Jene „Grundsätze 2008“ werden allerdings an den Radwegen entlang der mit Verbot für Radverkehr und Kraftfahrstraße für Radfahrer gesperrten B 10 im Pfälzerwald vom LBM Kaiserslautern und dem zuständigen rheinland-pfälzischen Ministerium (als auch dem das Verkehrsverbot erlassen habenden Kreis Südwestpfalz und der Verbandsgemeinde Hauenstein) hingegen vollkommen ignoriert.

Die Bürgerbeauftragte des rheinland-pfälzischen Landtags, mit der ich mich am 29. Juni beim Rheinland-Pfalz-Tag in Annweiler persönlich kurz unterhielt, sendete mir in der vergangenen Woche nun schon das 3. Schreiben in Folge, in welchem Sie darauf verweist, dass Sie weiterhin auf eine Stellungnahme des Verkehrsministers Wissing, als auch des LBM Rheinland-Pfalz warte.

Schreiben vom 24. Juli 2019

Im Unterkapitel 00.1 findet sich ein recht aktuelles Schreiben des baden-württembergischen Ministeriums für Verkehr mit dem Aktenzeichen 2-3942.31/118 vom 24.07.2019 (pdf, 1030 KB). In jenem Schreiben teilt das Ministerium den Regierungspräsidien unter anderem Folgendes mit:

Bis zur Fertigstellung der überarbeiteten Grundsätze bittet das BMVI bereits jetzt bei jeder neuen Maßnahme des Neu-, Um- und Ausbaus von Bundesstraßen in der Baulast des Bundes zu prüfen, ob auch unter Berücksichtigung der genannten aktuellen Rahmenbedingungen bereits eine geeignete Führung des Radverkehrs im Bereich der Bundesstraße vorliegt. Andernfalls sollte die Möglichkeit einer Neuanlage im Zuge der Maßnahme geprüft werden. Im Falle eines Verzichtes auf einen gesonderten Rad- und Gehweg ist dies künftig zu begründen.

Darin ist u. a. auch von einer „konsequenteren Entflechtung“ die Rede. Von der ich bekanntermaßen gar nichts halte; inbesondere dann, wenn diese wie an der B 10 daherkommt: Verkehrsverbot mittels Verbot für Radverkehr oder Ausschluss durch Kraftfahrstraße – und Verweis auf nicht einmal als Radwege gewidmete „Wirtschaftswege„, die schlecht gepflegt und im Winter nicht geräumt und nicht gestreut werden.

Immerhin sollen ja aber genau diese „Grundsätze 2008“ zumindest sicherstellen, dass für die Wege, auf die der Radverkehr verdrängt oder verwiesen wird, die gleichen Verkehrssicherungspflichten wie für die Bundesstraße gelten. Ein Verkehrsverbot ist in diesen Fällen jedoch auch nicht zwingend, da dies weiterhin vom § 45 (9) S. 3 StVO abhängig ist. Ebenfalls ganz interessant ist, dass diese Grundsätze derzeit überarbeitet werden. Schaut man sich an, dass jene in Rheinland-Pfalz vor allem im Zuge der B 10 überhaupt nicht angewandt werden, muss man sich allerdings einmal mehr fragen, warum der Bund keine Aufsicht über die Anwendung und Einhaltung dieser „Grundsätze“ führt, sondern dies den Ländern überlässt? Man sieht doch in Rheinland-Pfalz, dass das so leider gar nicht funktioniert.

Das baden-württembergische Ministerium weist jedenfalls seine untergeordneten Behörden an, dass jene „Grundsätze 2008“ weiterhin für Bundes-, aber auch sinngemäß für Landesstraßen anzuwenden sind:

Hiermit übersendet das Ministerium für Verkehr das Schreiben „Radwege an Bundesstraßen in der Baulast des Bundes“ des BMVI vom 19. Juni 2019 mit der Bitte um Kenntnisnahme und Anwendung bei künftigen Maßnahmen des Neu-, Um- und Ausbaus von Bundesstraße in der Baulast des Bundes. Für künftige Maßnahmen des Neu-, Um- und Ausbaus von Landesstraßen in der Baulast des Landes ist das Schreiben sinngemäß anzuwenden.

Schreiben des BMVI vom 19. Juni 2019

Das weitergeleitete Schreiben mit dem Aktenzeichen StB11/7123.10/6-1-3172053 nimmt direkten Bezug auf die „Grundsätze 2008“ vom 17.10.2008. Darin heißt es unter anderem:

(…) Unter Beachtung der Grundsätze wurden in den vergangenen 10 Jahren rund 2.200 km Radwege an Bundesstraßen in der Baulast des Bundes neu errichtet.

(…) Darüber hinaus sieht auch die Novelle der EU-Richtlinie 2008/96/EG eine stärkere Berücksichtigung der Belange von schwächeren Verkehrsteilnehmern auf den wichtigen Verkehrsachsen in Europa vor. Diese neuen Rahmenbedingungen machen eine noch konsequentere Entflechtung der Verkehre erforderlich.

Auch hier stellen sich mir bzgl. der „konsequenteren Entflechtung“ wieder die Nackenhaare zu Berge. Aber solange damit keine Verkehrsverbote wie an der B 10 einhergehen, halte ich diese Form der Radverkehrsführung auf alternativen Wegen durchaus für akzeptabel. Der Bund versucht hier allerdings ja auch relativ hinterhältig, sich einfach die Kosten für den Bau straßenbegleitender Geh- und Radwege an Bundesstraßen zu sparen. Was mir grundsätzlich nicht Unrecht ist, weil damit Fahrbahnverbote mittels Gemeinsamer Geh- und Radweg unwahrscheinlicher werden (siehe bspw. auch die Planungen an der B 270 südlich von Kaiserslautern). Aber wie bereits gesagt: Nur unter der Voraussetzung, dass diese Bundesstraßen dann nicht zunehmend mit Verbot für Radverkehr gesperrt werden.

Schreiben vom 30. Mai 2011

In diesem Zusammenhang ebenfalls sehr interessant ist das in einem komprimierten zip-Archiv (627 KB) enthaltene, an die Regierungspräsidien adressierte Schreiben des baden-württembergischen Ministeriums für Verkehr aus dem Jahre 2011 mit dem Aktenzeichen 65-3942.31/130. Dieses Schreiben beinhaltet unter anderem die Anlage 2, eine Muster-Vereinbarung für die Art von Wegen, auf die der Radverkehr im Zuge der B 10 im Pfälzerwald seit nun schon über 25 Jahren(!) verbannt wird. Auszüge daraus:

§ 1 – Gegenstand der Vereinbarung

Gegenstand der Vereinbarung ist der Ausbau, die künftige Er- und Unterhaltungs-, Verkehrssicherungs- sowie Winterdienstpflicht für den abseits der Bundesstraße verlaufenden Radweg und die unwiderrufliche Zustimmung des Wegeeigentümers / Nutzungsberechtigten zu dieser Nutzung. Der vorhandene, zu einem Radweg herzurichtende/auszubauende Weg ersetzt einen straßenbegleitenden Radweg im Zuge der Bundesstraße.

§ 7 – Eigentum, Baulast, Erhaltung, Unterhaltung, Verkehrssicherungspflicht, Winterdienst

(…)

(3) Der Radweg verbleibt in der Baulast des bisherigen Wegeeigentümers /geht in die Erhaltungslast (Unterhaltung und Erneuerung) der Gemeinde/des Landkreises über, ebenso die Verkehrssicherungspflicht sowie der Winterdienst.

Tja. So ähnlich könnte das auch in Rheinland-Pfalz laufen. Tat es – und tut es aber leider nicht. Weil vor allem das zuständige Ministerium in Mainz als auch der LBM genau jene „Grundsätze 2008“ weiterhin vollständig ignorieren – und so tun, als habe der auf „Wirtschaftswege“ verbannte Radverkehr rein gar nichts mit der B 10 zu tun. Leider werden sie hierbei zu allem Überfluss auch noch von einer untätigen Staatsanwaltschaft unterstützt.

Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister hat übrigens wegen der Fertigstellung der ausgebauten und heute für den Verkehr wieder freigegebenen L 498 zwischen Waldfischbach-Burgalben und Donsieders am 9. August sein Kommen angekündigt. Mal schauen, ob ich dort vielleicht ein paar Worte mit ihm wechseln kann.

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