Freigabe „Am Rathaus“ in Rodalben?

Unlängst hatte ich in einem Beitrag zur Freigabe einer Einbahnstraße in Frankreich auch über den vorerst gescheiterten Versuch berichtet, die sowieso nur unechte Einbahnstraße „Am Rathaus“ in Rodalben für Radfahrer freizugeben. Genau das hätte ich mir vor allem während der längeren Vollsperrung der Bärenhalde gewünscht. Aber auch sonst könnte man es meiner Ansicht nach Radfahrern dort erlauben, sich den über 740 m langen(!) und höhenmeterreichen Umweg über die Bruderfels- und Baumbuschstraße zu sparen.

Unechte Einbahnstraße

Wie bereits erwähnt, handelt es sich (siehe das Beitragsbild) in östlicher Richtung nur um eine „unechte“ Einbahnstraße, da von der L 482 kommend keine Einbahnstraße angeordnet wurden. Das Zeichen 267 Verbot der Einfahrt regelt gem. lfd. Nr. 41 der Anlage 2 zur StVO Folgendes:

Wer ein Fahrzeug führt, darf nicht in die Fahrbahn einfahren, für die das Zeichen angeordnet ist.

Einfahren. Nicht Befahren. Man darf als Radfahrer somit absteigen, das Rad an dem Verkehrszeichen (auch auf dem Gehweg) vorbeischieben und hinterher (auf der Fahrbahn) wieder aufsteigen. Man darf auch aus westlicher Richtung einfahren und dann umkehren, so wie ich das praktizierte, als ich die Fotos angefertigt hatte. Denn es fehlen ja am anderen Ende korrespondierende Zeichen 220 Einbahnstraße im Sinne der lfd. Nr. 9, welche Folgendes regeln:

Wer ein Fahrzeug führt, darf die Einbahnstraße nur in Richtung des Pfeils befahren.

Das gilt im Grunde auch für die mit dem Verbot der Einfahrt korrespondierenden, angeordneten Abbiege-Gebote, die in der Bruderfelsstraße Vorgeschriebene Fahrtrichtung Links, als auch „Am Rathaus“ Vorgeschriebene Fahrtrichtung Rechts stehen. Vorbeischieben ist erlaubt. Wie in Dahn.

Es ist also in Rodalben gegenwärtig so, dass Radfahrer (wenn sie das alberne Auf- und Absteigen-Ritual beachten), formell ganz legal aus der Straße „Am Rathaus“ fahrend die folgende Kreuzung in Richtung der L 497 überqueren oder in die L 482 abbiegen dürfen. Das eint Radfahrer mit Fußgängern, die dort ebenfalls die Kreuzung überqueren dürfen, denn es gibt auf der rechten Seite extra einen Gehweg, der zu dieser hinführt.

Besondere Gefahrenlage?

Bernd Sluka fasst die rechtlichen Hintergründe zum Thema Einbahnstraßen-Freigaben auf seiner Internetseite wie gewohnt sehr kompetent zusammen. Auch eine unechte Verbot der Einfahrt ist eine Beschränkung des fließenden Verkehrs, die nur zulässig ist, wenn eine „Gefahrenlage“ im Sinne des § 45 (9) S. 3 StVO vorliegt:

Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

Nun hatte die zuständige Verbandsgemeindeverwaltung Rodalben (die zufälligerweise in genau jener Straße „Am Rathaus“ residiert) ja (wie im vorherigen Beitrag bereits erwähnt) das Festhalten an der (inkonsequenten) Regelung folgendermaßen begründet:

Die Sperrung der Straße Am Rathaus in Richtung L482 dient der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und somit auf der Fahrradfahrer, da die Zufahrt zur viel befahrenen Landesstraße gerade an dieser Stelle aufgrund der Unübersichtlichkeit sehr gefährlich ist. Hierdurch soll das Unfallrisiko minimiert und vermieden werden, dass Menschen zu Schaden kommen. Fahrradfahrern, die ohne abzusteigen und das Fahrrad das kurze Stück zu schieben auf die L482 gelangen möchten, ist der Umweg über die Baumbuschstraße durchaus zumutbar.

In einer längeren e-mail an den Verbandsgemeinde-Bürgermeister Wolfgang Denzer monierte ich dann die meines Erachtens widersprüchliche Art und Weise, wie mit dieser (behaupteten) Gefahrenlage umgegangen wird. Denn man hat hier grade nicht die „Sicherheit“ aller Verkehrsteilnehmer im Blick gehabt. Wenn ich Radfahrern hier (auch nur halbherzig) die Einfahrt in diese Straße verbiete, muss ich auch konsequent sein – und den zur Kreuzung führenden Gehweg rechts verbarrikadieren und ggf. mittels Verbot für Fußverkehr sperren. Denn für (auch Räder schiebende) Fußgänger gelten dort die gleichen Sicht- und Hörverhältnisse, wie für Radfahrer, die ja – wie die VG-Verwaltung selber feststellt – mangels Einbahnstraße nur einmal kurz ab- und wieder aufsteigen müssen.

Ermessen?

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob diese Sichtverhältnisse hier ausreichend sind, um Radfahrern eine gefahrlose Querung der Kreuzung zu ermöglichen? Das folgende Foto zeigt in etwa die Perspektive, die ein Pkw-Fahrer hat, der wegen seiner nach vorne ragenden Motorhaube ein gutes Stück vor der gestrichelten Linie halten muss. Man kennt das Prinzip ja von anderen Einmündungen, wenn die Autofahrer dann immer wieder gerne für eine bessere Sicht auf „Schutzstreifen“ anhalten:

Radfahrer hingegen können bis ganz nach vorne an die gestrichelte Linie heranfahren, was den Blick nach links deutlich verbessert:

Die Sichtweite auf den von links kommenden Fahrstreifen entlang der Hauskante beträgt etwa 50 bis 60 m. Nun kann man einwenden, dass ein 50 km/h fahrendes Kfz diese Strecke in ca. 3,5 bis 4 Sekunden zurücklegt. Allerdings haben Radfahrer im Gegensatz zu Autofahrern einen weiteren Vorteil: Ihr Gehör! Aufgrund der dichten Bebauung ist ein von links kommendes Auto auch sehr zeitig hörbar.

Darüber hinaus wäre es hier meiner Ansicht nach auch ohne Weiteres möglich, auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Zerrspiegel hinzustellen, der Radfahrern eine zusätzliche Übersicht verschaffen könnte. Die Anordnung eines Stop-Schild für den Radverkehr reicht hier aus; unter Umständen kann man für den bergauf fahrenden Verkehr vor der Kreuzung (auch zum Schutze der Fußgänger!) 30 km/h oder eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h anordnen.

Denn die behauptete „Gefahrenlage“ betrifft hier ja den Einmündungsbereich – und grade eben nicht die eigentliche (unechte) Einbahnstraße. Folglich hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde auch gem. des Urteils des VwG Aachen (zu einem Verkehrsverbot mittels Verbot für Radverkehr wegen einer „komplexen“ Kreuzung) im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ganzheitlich zu prüfen, ob diese „Gefahrenlage“ vor allem die unterschiedlichen Verkehrsarten betreffend überhaupt in gleichem Maße vorliegt – und ggf. auch anderweitig (individuell) gelöst werden kann. Im Grunde hat sie das ja bereits getan, denn bei ihrem Auswahlermessen hielt sie eine Regelung den Fußgängerverkehr betreffend für völlig überflüssig. Auch eine „Verschärfung“ der Regelung durch die Anordnung von Einbahnstraße hielt man ebenfalls nicht für nötig. Man ist sich ja bewusst, dass Radfahrer die unechte Einbahnstraße auch fahrend verlassen dürfen.

Dr.-Lederer-Straße

Nun kann man einwenden, dass es sicherlich „bessere“ Einbahnstraßen mit weniger gefährlichen Kreuzungen gibt, um Freigaben einzufordern. Allerdings ist es leider auch so, dass die VG-Verwaltung eine Freigabe der erst vor kurzer Zeit eingerichteten Einbahnstraßenregelung (mittels Verbot der Einfahrt, etwa ab der Mitte der Schulstraße in Richtung Hauptstraße) in der Dr.-Lederer-Straße weiterhin ablehnt. In einem sehr ausführlichen Schreiben vom 16. Juli 2019 dankt mir der VG-Bürgermeister Denzer vorab erst einmal für mein Engagement – was von politischer Seite bislang nur äußerst selten vorkam.

Der Bürgermeister zitiert hierbei auch aus der verkehrsbehördlichen Anordnung:

Aus vorgenannten Gründen ist der Erlass dieser verkehrsrechtlichen Anordnung erforderlich. Der Umweg für Autos über die Kirchbergstraße, der nach der Einbahnregelung von Fahrern, die von der Schulstraße in die Hauptstraße gelangen möchten, künftig auch in Kauf genommen werden muss, ist im Übrigen mit 360 m relativ kurz und somit durchaus zumutbar. Fahrradfahrer werden von der Einbahnregelung bewusst auch erfasst, da sie im unübersichtlichen Kreuzungsbereich besonders gefährdet sind. Ihnen bleibt es jedoch überlassen, für dieses kurze Stück abzusteigen und ihr Fahrrad auf dem Gehweg zu schieben. Für Fußgänger ergeben sich keinerlei Änderungen bzw. Einschränkungen.

Immerhin hat man den Radverkehr überhaupt erwähnt. Aber: der Einmündungsbereich in die Hauptstraße ist vor allem aus Radfahrerperspektive alles, nur nicht „unübersichtlich“ oder gefährlich. Die Breite der Straße ist ebenfalls völlig ausreichend für Begegnungsverkehr mit Fahrrädern! Dazu benötigt man nicht einmal ein Foto, denn dies erkennt man bereits auf dem verlinkten Luftbild. Der Rat, Radfahrer könnten hier ihr Rad auf dem Gehweg schieben, ist (vor allem die Belange von Fußgängern betreffend) ebenfalls recht witzig, wenn man sich das Foto im ebenfalls weiter oben verlinkten Rheinpfalz-Artikel anschaut. Die Nichtfreigabe ist hier meiner Ansicht nach ein weiteres, krasses Beispiel für einen völligen Ermessensfehlgebrauch den Radverkehr betreffend.

Das können wir nicht anders machen…

Die Argumentation des Bürgermeisters auch andere Einbahnstraßen in Rodalben betreffend, habe ich leider nicht den Eindruck gewonnen, dass die VG Rodalben hier in Zukunft zeitgemäß handeln wolle. Man tut sich (aus Gewohnheit und Furcht vor „Neuem“) vor allem „auf dem Land“ weiterhin unheimlich schwer damit, Einbahnstraßen endlich für den Radverkehr freizugeben. Auch wenn sich die Freigabe fast aller Einbahnstraßen in recht vielen Großstädten inzwischen mehr als bewährt hat – auch, weil die erwarteten Unfälle ausblieben.

So bleibt die Mühlgasse in Dahn weiterhin die einzige (wenn auch nur stümperhaft) freigegebene Einbahnstraße im gesamten Kreis Südwestpfalz. Die VG-Verwaltung Dahner Felsenland hat mir aber kürzlich zugesagt, die Beschilderung zu ergänzen bzw. zu ändern.

Auch das Thema Einbahnstraßen wäre ja meiner Ansicht nach Arbeit, die ein beim Kreis ansässiger Radverkehrsbeauftragter (auch zuständig für die kreisfreien Städte Zweibrücken und Pirmasens) erledigen könnte…! Und ich schlage hierfür ganz ungeniert meine Wenigkeit vor. Aber hierfür müsste halt auch erst einmal von Seiten der Politik auch nur der geringste Wille bestehen, das Fahrrad eben nicht nur als Spielzeug für den „Freizeitspaß“ an schönen Wochenenden zu sehen, sondern endlich zur Kenntnis zu nehmen dass auch auf dem (besonders autoverrückten) Land (vor allem auf Kurzstrecken) das Rad eine ernsthafte Alternative für einen Pkw sein kann. Und dass es hierfür auch in der Verwaltung Personen braucht, die sich gezielt darum kümmern.

2 Gedanken zu „Freigabe „Am Rathaus“ in Rodalben?“

  1. Das kann, muss aber nicht sein; die Kompetenzen könnte man ja entsprechend regeln. Sitzt er beim Kreis, hätte er schon einmal die Fachaufsicht über die Verbandsgemeindeverwaltungen.

  2. Warum nicht…!? Damit läge man doch voll im neoliberalen Zeitgeist; dem Bürger erzählt man doch auch ständig, dass „Reformen wehtun müssen“! Und ein echter Radverkehrsbeauftragter macht seine Arbeit meiner Ansicht nach auch nur dann gut, wenn sich die üblichen Verdächtigen vor „Schmerzen“ nur noch so winden! 😉

    Ich hab keine Ahnung, mit welchen Kompetenzen die meisten „Radverkehrsbeauftragten“ ausgestattet sind; das ist ja keine gesetzlich definierte Stelle im ÖD. Ich vermute mal, dass es meistens auch keine klassischen Verwaltungsbeamten sind, die derartige Posten bekleiden. Vermutlich arbeiten die den Straßenverkehrsbehörden, Planungs- und Tiefbauämtern zu. Ob und was die davon umsetzen, wird vermutlich halt auch davon abhängen, ob z. B. der Bürger- oder Oberbürgermeister, aber auch der Stadtrat / Kreistag dessen Arbeit unterstützt oder nicht. Wenn jetzt ein Kreis-Rvb Sachen in den VG’en bemängelt, könnte das die Kreis-StVB im Rahmen ihrer Fachaufsicht im Einzelfall dann auch durchsetzen.

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