Ich musste kürzlich mal wieder einer Straßenverkehrsbehörde den Einsatz der Bürgerbeauftragten des rheinland-pfälzischen Landtages androhen, um auf eine schon am 5. Mai(!) gestellte Anfrage endlich eine inhaltliche Antwort zu erhalten. Ich hatte hier im Blog im Zuge der Dokumentation der Vollsperrung der B 270 auch mal angerissen, dass in Hohenecken eine Tempo-30-Zone eingerichtet wurde, obwohl diese Zone auch die Kreisstraße 3 umfasst. Und das ist nun einmal leider, leider gem. § 45 (1c) S. 2 StVO unzulässig. Doch dem nicht genug, wird in der Burgherrenstraße zu allem Überfluss auch noch durchweg gegen den Satz 4 dieser Vorschrift verstoßen.
Kreisstraße 3
§ 45 (1c) Satz 2 StVO regelt Folgendes:
Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken.
Tja. Wie bereits erwähnt, ist die Burgherrenstraße erstaunlicherweise immer noch als Kreisstraße 3 dem überörtlichen Verkehr gewidmet. Das erstaunt mich wirklich, denn wenn ich mir ansehe, welche teils abstrusen Lücken der LBM im (auch vom Landesrechnungshof befeuerten) Wahn der neoliberalen Kostensenkung (oder eher: -abwälzung auf eh schon klamme Gemeinden) inzwischen ins Netz der Landesstraßen gerissen hat, kann ich mich nur wundern, warum die weitestgehend parallel zur B 270, mitten durch den Ort führende Burgherrenstraße immer noch Kreisstraßen-Status besitzt?
Ein Grund hierfür könnte sein, dass dem LBM die Herabstufung von Kreisstraßen tendenziell eher egal ist, weil die Baulast hier ja bei den Kreisen (und nicht beim Land) liegt. Hinzu kommt, dass der „Kreis“ hier gleichzeitig die kreisfreie Stadt Kaiserslautern ist. Der wiederum ist es aber als Baulastträgerin für Kreis- und Gemeindestraßen wohl auch eher egal, ob das nun eine K- oder G-Straße ist, da sie am Ende so oder so die Rechnung bekommt. Als einzigen, relevanten Vorteil könnte man sich hier vielleicht noch das LVFGKom vorstellen – wo es auch vom Land hin und wieder Zuschüsse für Kreisstraßen gibt. Oder die Stadt bzw. auch der Stadtteil Hohenecken hatte andere Gründe, eine Herabstufung abzulehnen.
Bei Pirmasens gibt es z. B. nach Petersberg keine Verbindung mehr auf einer Kreisstraße und auch bei Albersweiler klafft ebenfalls eine Lücke im Landesstraßen-Netz – aber neben der B 270 in Hohenecken gibt es immer noch eine Kreisstraße, die auch noch Teil einer gemeindeweiten Tempo-30-Zone ist? Und der LBM will ernsthaft behaupten, dass er dbzgl. in den letzten Jahren nicht völlig willkürlich agiert? Hier das südliche Zonen-Ende vor der Einmündung zur B 270 im Mai:
De-facto-Vorfahrtstraße
Doch dem nicht genug – diese in der Tempo-30-Zone liegende Kreisstraße ist auch noch durchgehend mit einer Vielzahl von de facto als Vorfahrtstraße ausgewiesen! Steht dies im Einklang mit § 45 (1c) S. 4 StVO?
An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten.
Nein. Die Beschilderung kann man auch bei mapillary bewundern; wenn auch in sehr schlechter Qualität, weil die Aufnahmen Nachts angefertigt wurden. Im Grunde wollte die Stadtverwaltung hier wohl kreativ das -Verbot aus Satz 2 umgehen. Dabei ist die mehrfache Aneinanderreihung von
gemäß der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 301 Vorfahrt, Rn. 4 eigentlich auch nicht vorgesehen:
Das Zeichen ist für Ortsdurchfahrten und Hauptverkehrsstraßen nicht anzuordnen. Dort ist das Zeichen 306 zu verwenden. Im Übrigen ist innerhalb geschlossener Ortschaften das Zeichen 301 nicht häufiger als an drei hintereinander liegenden Kreuzungen oder Einmündungen zu verwenden. Sonst ist das Zeichen 306 zu verwenden. Eine Abweichung von dem Regelfall ist nur angezeigt, wenn die Bedürfnisse des Buslinienverkehrs in Tempo-30-Zonen dies zwingend erfordern.
Der letzte Satz verweist auf eine Ausnahme für den Buslinienverkehr, auf die auch in der Verwaltungsvorschrift zu § 45 StVO, Rn. 41 noch einmal verwiesen wird. Jene Linie 111 verkehrt auch in dieser Straße. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es im Sinne dieser Regelung sein kann, allein wegen dieser Linie gleich eine 2,2 km lange De-facto-Vorfahrtstraße einzurichten. Hier geht es wohl eher um Einzelfälle an „problematischen“ Kreuzungen.
Stadtverwaltung
Die Stadtverwaltung Kaiserslautern äußerte sich hierzu folgendermaßen:
Der Ausbau der Burgherrenstraße wurde Anfang der 1990 Jahre durchgeführt.
Damals wurde die heute noch bestehende Beschilderung aufgestellt und angeordnet.
Grundsätzlich müsste in der Burgherrenstraße 50 km/h angeordnet sein, da es sich um eine Kreisstraße handelt. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit kann auf überörtlichen Straßen dort angeordnet werden, wo besondere Bedingungen vorliegen. Tatsächlich ist es richtig, dass die bestehende Beschilderung nur bedingt rechtskonform ist. Die grundsätzliche Überlegung zum damaligen Zeitpunkt war, den „Ausweichverkehr“ von der Bundesstraße zu verhindern und den Anwohnern nur den zielgerichteten notwendigen Ortsverkehr zuzumuten und vor allem das Durchfahren von Schwerlastverkehr zu verhindern bzw. massiv zu reduzieren. Zur damaligen Zeit lag auf der Bundesstraße B270 noch weit mehr Schwerlastverkehr, da zu der damaligen Zeit auch noch viel Verkehr der US-Streitkräfte über die B270 abgewickelt wurde. Die Staugefahr war relativ hoch.
Wenn die Zonenbeschilderung an den Ortseingängen weggenommen, müsste eine 30 km/h – Beschilderung an jeder Einmündung erneuert werden. Für den Verkehrsteilnehmer und den Anlieger wäre es nur schwer nach zu vollziehen, wenn die Beschilderung geändert würde mit einem hohen Material- und Personalkostenaufwand, das Ergebnis jedoch gleichbleibend wäre. Zudem würde ein „Schilderwald“ entstehen, den die Straßenverkehrsbehörde an anderen Stellen massiv unterbinden versucht.
Selbst die angedachte „Lösung“ mit einer Vielzahl von hielte ich im Hinblick auf den § 45 (9) S. 3 und S. 4 Nr. 6 StVO (da immer noch Kreisstraße) für relativ fragwürdig.
Die relativ simple Alternative „Herabstufung“ scheint für die Stadtverwaltung aber weiterhin undenkbar zu sein? Im Grunde verfährt hier jene hier nach dem (bei der Benutzungspflicht von Radwegen üblichen…) Motto: „wo kein Kläger, da kein Richter“. Dabei ist das ganze relativ „mutig“, bei Koblenz musste nämlich vor nicht allzu langer Zeit genau deshalb eine Tempo-30-Zonen-Regelung wieder aufgehoben werden: Verwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 5. August 2014, 5 L 615/14.KO.
Nur um es klarzustellen: Ich setze mich hier nicht dafür ein, dass die 30er-Zone da unbedingt wegkommt. Ich möchte aber, dass dort dann eben auch generell „Rechts vor Links“ gilt. Und ganz nebenbei möchte ich der Stadtverwaltung eigentlich auch eine ähnliche Blamage wie im Koblenzer Urteil ersparen.