„Gipfeltreffen“ in Homburg

Gestern trat ich in der Früh mal wieder eine etwas längere „Dienstreise“ an. Es ging zur Kreisverwaltung nach Homburg, auf Einladung des saarländischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr aufgrund meiner Fachaufsichtsbeschwerde gegen die sich beharrlich sträubende Stadt Homburg wegen der Beschilderung des meiner Ansicht nach fragwürdigen und auch nachweislich gefährlichen Getrennter Geh- und Radweg in der Talstraße. Welcher zu allem Überfluss auch noch inmitten einer Tempo-30-Zone liegt – was nach § 45 (1c) S. 3 StVO nicht zulässig ist. Ergebnis: Die Verwaltung wird exakt meinem Vorschlag folgen und somit die Benutzungspflicht aufheben!

Man bat mich gleich zu Beginn darum, vorzutragen, was mich stört und welche Alternative ich vorschlagen würde. Die Zeichen 241 sollten in beiden Richtungen entfernt werden, auch auf dem Abschnitt, auf dem der Weg entgegen der Verbot der Einfahrt verläuft. Ohne Schilder handelt es sich gemäß § 2 (4) S. 3 StVO um einen „anderen“ Radweg, den man benutzen darf. In der Gegenrichtung empfahl ich, die linksseitige Nutzung mittels alleinstehenden Radverkehr frei gemäß § 2 (4) S. 4 zu erlauben. Zum Abschluss merkte ich noch an, dass es sowieso keine blauen Schilder in einer Tempo-30-Zone geben dürfe. Verweise auf den § 45 (9) S. 3 sparte ich mir.

Die Sachbearbeiterin der Kreisverwaltung bestätigte dann auch, dass man dies exakt auf diese Art und Weise umsetzen wird. Leider wurden mir nicht alle Anwesenden vorgestellt. Der Mann neben der Sachbearbeiterin (vmtl. auch von der Kreisverwaltung) meinte scherzhaft: „Tja, dafür sind Sie jetzt aus Pirmasens 30 km mit dem Rad hergefahren!“ Man wollte aber noch wissen, ob ich die Bedenken teilen würde, dass Radfahrer vor allem stadteinwärts (also entgegen der Verbot der Einfahrt) „Gefahr laufen“ könnten, wenn der Weg nun völlig unbeschildert wäre, die Fahrbahn zu benutzen. Das könne ich mir nun überhaupt nicht vorstellen, da der Weg aus dieser Richtung kaum zu übersehen sei und ja auch noch touristische Wegweisung vorhanden ist. Außerdem würden (tragischerweise) sowieso 90 % aller Radfahrer den Radweg der Fahrbahn vorziehen.

Ich merkte auch an, dass ich es begrüßt hätte, wenn der Verwaltung die Anordnung von quadratischen Verkehrszeichen für Radwege ohne Benutzungspflicht möglich wäre. Aber dies spielt ja im Rahmen der aktuellen Novelle leider keine Rolle. So nutze ich die Gelegenheit und bat darum, dass man eben auch von Seiten der Verwaltungen und vor allem dem Ministerium nach oben Druck machen solle, dass diese notwendigen Verkehrszeichen endlich in die StVO aufgenommen werden.

Allgemeine Diskussion

So blieben immerhin noch 20 Minuten für eine allgemeine Plauderei zum Thema Radverkehr, nicht nur in Homburg. So bemängelte ich, dass es eigentlich nicht sein könne, dass ich bei der Anfahrt in der Ringstraße wegen der Gemeinsamer Geh- und Radweg den (alles andere als breiten) Gehweg benutzen musste. Außerdem wies ich auch noch auf die „Blaue Anarchie“ hin, die grade in Richtung Kirrberg noch an der Tagesordnung ist. Ich fragte auch, was die „Kunst“ auf dem Beitragsbild da eigentlich zu bedeuten habe?

Die Vertreterin der Stadt Homburg meinte auch, dass ihr sowieso der Überblick fehle, wie es in der Stadt mit den Radwegen aussähe und dass wohl bei den von mir bemängelten uralten Verkehrszeichen wohl keiner mehr wisse, wer die angeordnet habe. Ich merkte dann an, dass Verkehrszeichen ohne Anordnung auch rechtsstaatlich nicht grade das Gelbe vom Ei seien.

Der Vertreter des Ministeriums ging anlässlich des von anderer Seite aufgeworfenen Stichpunkts „Radschnellwege“ auf die Probleme insb. mit der Förderung ein, da hierfür die Haushaltsjahre eingehalten werden müssen. Das wiederum kollidiere aber recht häufig mit den umfangreichen Planungsaufgaben.

Ich kritisierte, dass ich in der Tat nicht die 30 km nach Homburg hätte fahren müssen, wenn man meinen ja schon vor längerer Zeit unterbreiteten Vorschlag direkt umgesetzt hätte. Mir dauert das alles einfach jedes Mal zu lange. Hier meinte der Ministeriumsvertreter dann aber auch, dass die Behörden teils unter einer großen Arbeitsbelastung leiden – und auch personelle Veränderungen zu Verzögerungen führen können; wie es wegen einer Stellenumbesetzung bei der Verwaltung des Saarpfalz-Kreises der Fall war. Auch unter Bezug auf meine gescheiterte Beamtenkarriere bat ich darum, doch auch von Seiten der Ministerien und der Verwaltungen mehr Widerstand gegen den ständigen Personalabbau zu leisten. Ich würde auch hier wieder sehr gerne meine Mitarbeit anbieten; ich könnte mir eh vorstellen, mich in diesem Bereich selbständig zu machen, und Kreise und Städte zu beraten, wie sie vor allem die Beschilderung ihres Radwegenetzes auf einen aktuellen Stand bringen. Aber leider hat man hierzu ja auch kein Geld – und der Wille fehlt auch.

Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt meinte, dass man derzeit an einem Radwegekonzept arbeite, unter anderem auch unter Beteiligung des örtlichen ADFC. Worauf ich aber entgegen musste, dass ich in Radwegen nicht wirklich eine Lösung sehe, weil es meines Erachtens nicht zielführend ist, mittels Radwegen Autofahrern die lästigen „Verkehrshindernisse“ aus dem Weg zu räumen. Hier sollten die Verwaltungen endlich umdenken. Der Ministeriumsvertreter berichtete, er habe sich grade erst am Vortag mit der Radverkehrsbeauftragten des BMVI (Karola Lambeck) zu diesem Thema unterhalten. So seien es gerade der Bundes-ADFC und andere Radverkehrsinitiativen, die genau hier auch seinem Empfinden nach eine totale Kehrtwende vollzogen hätten. So habe ja vor einigen Jahren grade der ADFC (das war er übrigens nicht; das war ein privater Kläger) noch das Urteil 3 C 42/09 des Bundesverwaltungsgerichts erstritten, wonach benutzungspflichtige Radwege definitiv nur noch der Ausnahme- statt Regelfall sein sollen. Heute jedoch möchte die Mehrheit mit einem „sicheren Gefühl“ radfahren. Sicher fühlen sei wichtiger als Sicher sein. Was meiner Ansicht nach auch daran liegt, dass unzählige Behörden das Urteil ignoriert haben (dazu gehört auch die Stadt Homburg). Und auch die Politik als auch die Ministerien in den letzten 20 Jahren nicht darüber aufgeklärt haben, dass das Befahren von Radwegen alles andere als sicher ist.

Radfahrer haben an Kreuzungen und Einmündungen ein rund 3- bis 12-faches Unfallrisiko. Was eben auch der wesentliche Grund war, warum man im Jahr 1997 die allgemeine Radwegbenutzungspflicht aufhob. Unfälle im Längsverkehr sind dagegen relativ selten. Das hat die Studie V 184 der BASt schließlich schon vor vielen Jahren nachgewiesen.

Er sähe viel lieber Kinder auf einem abgesicherten Radweg fahren, meinte der Radverkehrsbeauftragte. Sie sind da aber leider nicht sicher, weil sie an jeder Einmündung (oder auch Grundstückszufahrt) Gefahr laufen, von Rechtsabbiegern, Linksabbiegern oder auch einmündenden Fahrzeugen „übersehen“ – und getötet zu werden. Lösen könnte man das Problem natürlich auch mittels Bettelampeln. Oder kleinen Vorfahrt gewähren mit „Radfahrer absteigen“ wie an der Einmündung der Gerberstraße. Ob dies dann noch Radverkehrsförderung wäre…!?

Auf dem Flur musste ich dann noch schnell die nicht vorhandenen Radabstellanlagen bemängeln. Mein Rad hatte ich am Fahnenmast angeschlossen. Man meinte, man hätte da vor einer Weile welche gehabt – aber die seien gestohlen worden. Vermutlich von einem Schrotthändler; das waren wahrscheinlich solche uralten Alibi-Felgenbrecher. Man gebe den Wunsch aber weiter.

„Radweg“ als Parkplatz?

Apropos Talstraße – da gab es ja noch die folgende Anekdote: Vor einer Weile hatte der Saarländische Rundfunk darüber berichtet, dass man in jener Talstraße den „Radweg“ in einen Parkstreifen umfunktioniert hätte. Jener war aber gar nicht als Radweg beschildert; aus der Perspektive eines von der L 120 einbiegenden Autofahrers handelt es sich doch wohl um einen (nicht mittels Radweg als Radfahrstreifen / Radweg ausgewiesen) Seitenstreifen?

Warum sollte man da nicht parken dürfen? Man müsste es gemäß § 12 (4) StVO sogar. Oder muss man die auf diesem Streifen in relativ großen Abständen aufgetragenen Fahrradpiktogramme in der Weise interpretieren, dass es sich hier dann doch um einen „anderen“ Radweg handele?

Fazit

Das wäre ja noch so eine Sache, bei der ich die Homburger Stadtverwaltung bzw. den Kreis beraten könne. Aber mehr als anbieten kann ich es den Leuten halt nicht. Wie im SR-Artikel zu lesen, hat schließlich auch der Homburger ADFC seine Finger mit im Spiel. Und mit diesem hatte ich es mir aufgrund des fehlenden Widerstands vor allem gegen die absurden Blauschilder in Homburg sehr schnell verscherzt.

Ich werde auf jeden Fall als Nächstes die Beschilderung der Ringstraße mit Gemeinsamer Geh- und Radweg formell beanstanden. In der Hoffnung, dass dies nicht nochmal einer weiteren Fachaufsichtsbeschwerde bedarf.

4 Gedanken zu „„Gipfeltreffen“ in Homburg“

  1. Für die Abkehr des ADFC von wissenschaftlichen Fakten und Hinwendung zu Verkehrspolitik nach Gefühlen hat sich jetzt ein Verantwortlicher persönlich zu erkennen gegeben. https://twitter.com/KoopmannLudger/status/1192587326775533570

    Ich hatte schon länger das Gefühl dass eines der Hauptprobleme im ADFC der letzten Jahren ganz oben in Gestalt von Ludger Koopmann zu finden ist. Er lässt auch sonst jeden Sachverstand vermissen: https://twitter.com/KoopmannLudger/status/1195012841398525952

    1. Der Fisch stinkt leider nicht nur vom Kopf her; auch wenn die Bundes- und Landesverbände natürlich eine lenkende Funktion haben. Da geht mir zum Beispiel auch dieses permanente Framing auf die Nerven, welches sich vor allem im bescheuerten „#MehrPlatzfürsRad widerspiegelt. Da fehlt aber ein NUR. Mehr Platz als auf einer Fahrbahn ohne benutzungspflichtiges Wegelchen werden Radfahrer nie bekommen. Im Ergebnis „dürfen“ dann alle (auch die nicht Gefühlsduseligen ohne Fahrbahnparanoia…) – die Mindestvorgaben der VwV als auch der ERA ignorierend – weiter auf schmalen Handtüchern fahren. Das führt im Endeffekt zu weniger Platz fürs Rad – und zu mehr exklusiven Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr. Und das wird dann auch noch als Fortschritt verkauft. „Die halten die Leute für so blöd, wie sie tatsächlich auch sind!“ (Volker Pispers).

      Im Zuge der aktuellen Novelle habe ich übrigens auch absolut nichts vom ADFC in Sachen Abschaffung von Benutzungspflichten gelesen. Der Landes-ADFC RLP als auch die ganzen umliegenden Kreisverbände ignorieren mich ja genau aus dem Grund: ich halte (straßenbegleitende) Radwege für gefährlichen und diskriminierenden Blödsinn. An einem sachlichen Austausch hat man kein Interesse. Kann ich verstehen – man würde argumentativ untergehen…

  2. Ich halte es umgekehrt, ich ignoriere die meisten ADFC-Gruppierungen. Es ist nicht meine Aufgabe denen was beizubringen. Ich versuche es zwar ab und zu, wenn ich wieder mit denen zu tun habe, und sie zuviel Blödsinn reden, aber fange nicht damit aktiv an. Meist gebe ich nur Hinweise zum selbst einlesen.

    1. Inzwischen halte ich das ja auch so. Das Ignorieren fällt einem aber halt leider auch schwer, wenn du überall mit denen (oder deren Wirken) konfrontiert wirst (wie eben in Homburg). Sie haben halt leider in der Wahrnehmung der Medien und der Behörden quasi ein Monopol als „Radfahrervertretung“. Und sonst kommt da halt auch leider lange nichts mehr, außer so ein paar einsame Blogger oder Twitterer. Ich hatte kürzlich mal versucht, mit dem BDR eine Konversation u. a. zu Radwegbenutzungs- und Reflektorenpflichten zu beginnen – aber so wirklich wichtig ist auch denen das nicht. Es gibt auch durchaus (noch) einige kritische Mitglieder im ADFC – aber die haben dann wegen der Übermacht der Separations-Ideologie dann auch oftmals nicht den Mut, den Mund aufzumachen.

      Man müsste wirklich mal versuchen, endlich eine Alternative zum ADFC aufzubauen…

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