B 10: Resultat eines LTranspG-Antrags

B-10-Radwege im Winter

Ich persönlich deute die Nichtbeantwortung von Anfragen an Behörden in der Weise, dass man schlicht und ergreifend zu stichhaltig argumentiert hat und die Behörde keine Fehler oder Gesetzesverstöße eingestehen will. Das führt mit zunehmender Zeit dazu, dass die Behörden sich immer mehr verrennen – und kein Zurück mehr möglich ist. Das betrifft vor allem den äußerst wortkargen LBM und das Mainzer Ministerium, aber auch das BMVI. Letzteres scheint sich mit den rheinland-pfälzischen Behörden in Sachen B 10 ein klein wenig „verschworen“ zu haben. Denn das Ziel scheint ungeachtet aller Regelungen vorgegeben zu sein: Auf den Ersatzwegen der für Radfahrer gesperrten B 10 solle es auch zukünftig keine Winterdienste geben.

Es hat dann schon etwas von rechtsstaatlicher Realsatire, wenn die in den obersten Behörden von Land und Bund beschäftigten Juristen gemeinsam verzweifelt versuchen, Gründe darzulegen, warum die explizit vom BMVI für diese Fälle erlassenen „Grundsätze 2008“ an der B 10 nicht zutreffen sollen. Während man sich in Rheinland-Pfalz weiterhin windet, hatte das zuständige Ministerium in Baden-Württemberg ja im Sommer noch einmal ausführlich dargelegt, warum und wie die „Grundsätze 2008“ von den Landesbehörden sogar auf Landes- und Kreisstraßen anzuwenden seien.

So führte dann wohl auch erst eine Beschwerde an den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit dazu, dass das MWVLW mir aufgrund meines auf § 11 LTranspG gestützten Antrags vom 13. Oktober 2019 erst exakt mit Ablauf der Monatsfrist die Dokumente zusendete, die die in der finalen (vom Verkehrsminister Wissing kurz nach unserem „Plausch“ persönlich unterschriebene) Stellungnahme des MWVLW gegenüber der Bürgerbeauftragten erwähnte „Abstimmung“ mit dem BMVI und dem LBM Rheinland-Pfalz betrafen. Zu vorangegangenen Telefonaten zu diesem Thema seien leider keine Dokumentationen erfolgt. Dabei würden jene wohl eindeutig offenlegen, dass man hier auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet. Außerdem ist es natürlich ohne Weiteres möglich, dass man mir nicht alle Dokumente übersandt hat.

Interessant an den Inhalten der beiden mir zugänglich gemachten e-mails zwischen dem MWVLW und dem BMVI ist nebenbei die Tatsache, dass genau das Aktenzeichen verwendet wird, welches mir das BMVI im Rahmen meiner ersten Beschwerde im Oktober 2018 mitgeteilt hatte.

Das Mainzer Ministerium sendete im Juni 2019 eine e-mail, die einen „Vermerk“ beinhaltete, ans BMVI. Man wolle dem Petenten inhaltlich gleich antworten, da er sich zu diesem Thema an mehrere Behörden gewandt habe. Wenn ich die beiden beiliegenden Vermerke richtig deute, ist der erste (kürzere) Vermerk jener, der an das BMVI gesendet wurde – und der zweite jener, der im Juli 2019 vom BMVI inhaltlich überarbeitet / ergänzt und zurückgeschickt wurde. Inkl. eines Antwortvorschlags an die Bürgerbeauftragte.

Im Wesentlichen hat sich an der Argumentation nichts geändert: man ignoriert weiterhin den eindeutigen und unmissverständlichen § 1 (5) LStrG und beharrt darauf, dass die Radwege entlang der B 10 rechtlich und verkehrlich nicht mit dieser im Zusammenhang stünden, sondern weiterhin einfach nur „Wirtschaftswege“ seien. Das gilt insb. für den LBM Rheinland-Pfalz, der sogar den § 1 (5) LStrG vorsätzlich fehlinterpretiert:

Dies trifft hier jedoch nicht zu, es handelt sich primär um einen Wirtschaftsweg, der land- und forstwirtschaftlichen Verkehren dient (§ 1 Abs. 5 LStrG). Darüber hinaus kann er auch vom Radverkehr genutzt werden.

Er KANN – verdammt nochmal – nicht genutzt werden, er MUSS wegen des Verbot für Radverkehr benutzt werden! „Wirtschaftswege“ sind ausdrücklich nur dann Wirtschaftswege, wenn sie ausschließlich dem Wirtschaftsverkehr dienen. Aber selbst das ist ja an der B 10 nicht der Fall.

Vor allem ignoriert man auch weiterhin die meines Erachtens äußerst stichhaltige, folgende Feststellung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages mit dem Aktenzeichen WD 5 – 3000 – 048/17 (pdf, 84 KB).

Die Aufzählung des § 1 (4) Nr. 1 FStrG sei demnach

nicht abschließend. So sind auch unselbstständige Rad- und Gehwege fester Bestandteil eines einheitlichen Straßenkörpers und teilen notwendigerweise das rechtliche Schicksal der Straße, zu der sie untrennbar gehören. Unselbstständig sind solche Radwege, die den Zwecken der Straße zumindest dadurch dienen, dass sie der Fahrbahn den für den Verkehrsfluss hinderlichen Radverkehr entziehen. Dieser verkehrstechnische Zusammenhang kann auch dann bestehen, wenn der Radweg ohne unmittelbaren räumlichen Zusammenhang im Wesentlichen mit der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn gleichläuft.

Weiter:

Da unselbstständige Radwege zum Straßenkörper einer Bundesfernstraße bzw. einer Bundesstraße gehören, trifft den Bund die Straßenbaulast im Sinne einer Kostentragungspflicht nach § 5 FStrG grundsätzlich auch im Hinblick auf den Bau und die Unterhaltung von Radwegen an Bundesstraßen.

So Witting, Berthold (2013). In: Müller, Hermann/Schulz, Gerhard (Hrsg.). A. a. O. (Fn. 2). § 5 Rn. 50. Siehe dazu auch die Informationen bei Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2012). Nationaler Radverkehrsplan 2020. Den Radverkehr gemeinsam weiterentwickeln. Oktober 2012. S. 7, 19, 22, 26, 67 ff. Link (letzter Abruf: 08.06.2017).

Jene Stellungnahme ist auch Thema der beiden Vermerke. Allerdings bezieht man sich nur auf den notwendigen Bau von Ersatzwegen. Ohne dabei zu erkennen, dass man hiermit nebenbei eindeutig klarstellt, dass es sich somit Ersatzwege im Sinne des § 7 (2a) FStrG im Zuge der B 10 handelt. Die Passage mit der Unterhaltspflicht nach § 5 FStrG in Verbindung mit § 16 LStrG spielt im Vermerk auch keine besonders Rolle; da die betreffenden Wege nicht in der Baulast des Bundes stünden. Es wird also die Ansicht vertreten, dass der Bund nur Ersatzwege anlegen oder finanzieren müsse – und er dann – vor allem was die Verkehrssicherung betrifft – damit „aus dem Schneider“ wäre.

Bzgl. einer Winterdienstpflicht wird die fragwürdige Auffassung vertreten, dass es (die ja auch explizit dafür erlassenen „Grundsätze 2008“ völlig ignorierend) gar keine Pflicht hierfür gäbe. Das ist aber im Hinblick auf § 3 FStrG und § 11 (2) LStrG sachlich schlicht und ergreifend falsch. Es sind Soll-Vorschriften; d. h. die Nichterfüllung ist nur in exakt zu begründenden Ausnahmefällen zulässig. Dass es den LBM personell und finanziell überfordern würde, ein paar Mal im Jahr die Ersatzwege an der B 10 zu räumen und zu streuen, glaube ich nicht. Er kann ja auch problemlos überflüssige Stummel-Wegelchen an Landstraßen räumen und streuen.

Weder selbständig, noch unselbständig?

Dass Juristen oftmals gewisse Probleme mit simpler Logik zu haben scheinen, wird jedenfalls in der folgenden Passage des Vermerks mehr als überdeutlich:

Es handelt sich somit weder um einen rechtlich unselbständig noch um einen rechtlich selbständig geführten Radweg, für den die Betrachtung des Wissenschaftlichen Dienstes anwendbar wäre.

Wie soll man bitteschön so einen Blödsinn groß kommentieren, ohne ausfallend zu werden? Wenn ein Ersatzweg extra für den Radverkehr angelegt / asphaltiert / ausgebaut wird – wie kann man dann hinterher weiterhin ernsthaft die Auffassung vertreten, dass das weiterhin nur „kommunale Forst- und Wirtschaftswege“ seien? Die sind das durchaus – bis zu dem Moment, ab dem sie den von der Benutzung einer Bundesstraße ausgeschlossenen Radverkehr übernehmen; dann sind es Ersatzwege im Sinne des § 7 (2a) FStrG.

Ärgerlich ist darüber hinaus, dass der Vermerk auch einen besonders groben Schnitzer enthält, der sich auch in der Antwort an die Bürgerbeauftragte findet: Die B 10 sei zwischen Hinterweidenthal und Hauenstein eine Kraftfahrstraße. Genau das ist sie dort ja eben nicht, dort darf man Mofa fahren und auch spazieren gehen.

Fach- und Rechtsaufsichtsbeschwerde

Am 7. November habe ich beim zuständigen Referat des BMVI eine sich hauptsächlich auch auf die Antwort zur Kleinen Anfrage stützende Fach- und Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen das Land Rheinland-Pfalz erhoben – wegen der Nichtanwendung der Grundsätze 2008, der fehlenden Widmung der Ersatzwege und -straßen, der Sperrung trotz nicht erfolgter Teileinziehung und des straßenverkehrsrechtlichen Ermessensfehlgebrauchs.

Ich bin sehr gespannt, mit welchen Ausflüchten sich das zuständige Referat des BMVI dieses Mal winden wird, wenn es darum geht, die eindeutigen Antworten des gleichen Hauses in der Weise umzudeuten, dass jene auf den Fall der B 10 nicht anzuwenden seien.

Ich habe ergänzend auch um eine Stellungnahme der Radverkehrsbeauftragten Karola Lambeck als auch der Stabsstelle Radverkehr gebeten.


Folgebeiträge

B 10: Fach- und Rechtsaufsichtsbeschwerde

B 10: Finaler Stinkefinger vom BMVI

Ein Gedanke zu „B 10: Resultat eines LTranspG-Antrags“

  1. Kleiner Hinweis:
    letzten Donnerstag erfolgt auf dem Radweg über die Maxauer Rheinbrücke Winterdienst. Es wurde Salz gestreut, sowohl auf pfälzischer als auch badischer Seite. Ebenso wurden im Landkreis Germersheim einige Brückchen im Zuge von Radwegen gestreut.

Schreibe einen Kommentar