Insofern ich das Verhalten der Kreisverwaltung Südwestpfalz zuletzt noch mit „unkooperativ“ beschönigt hatte, muss ich mich angesichts des neuesten Pamphlets, welches am Samstag im Briefkasten lag, korrigieren. Die Kreisverwaltung, die gerade erst vom Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit einen Rüffel erhielt, verliert nun wohl alle verbliebenen Hemmungen in Sachen rechtstaatlicher Transparenz und Sachlichkeit – und verweigert mir die bereits am 31. Juli(!) per e-mail beantragte Akteneinsicht in die Anordnungen zu zehn mit beschilderten Straßenabschnitten.
Die Begründung, warum dem so sei, ist in rechtsstaatlicher Sicht auch mindestens genauso „revolutionär“, wie die zusammengestümperte „Begründung“, die die „Fachaufsichtsbehörde“ sich bzgl. der Nichtwidmung des „Wirtschaftsweges“ zwischen Hinterweidenthal und Hauenstein aus den Fingern gesogen hatte. Als der das Schreiben verfassende Volljurist schon an der Bedeutung des Wortes „ausschließlich“ kläglich scheiterte.
Nicht antragsrelevant?
Nun versucht man also einem von mehreren Verwaltungsakten (Allgemeinverfügungen, die sich in Gestalt von Verkehrszeichen manifestieren) betroffenen Bürger zu erläutern, warum sein auf § 29 VwVfG gestützter Antrag auf Einsicht in die den Verkehrszeichen rechtlich zugrunde liegenden verkehrsbehördlichen Anordnungen nicht erfüllt werden müsse:
Was nun aber den konkreten auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) gestützten Antrag auf Akteneinsicht zur Beschilderung verschiedener Straßenabschnitte angeht, so wird diese unsererseits zum jetzigen Zeitpunkt nicht gewährt. Beim Vollzug des Straßenverkehrsrechts handelt es sich um besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, dem ein an den Belangen der öffentlichen Sicherheit ausgerichtetes, präventives Tätigwerden der zuständigen Behörden zugrunde liegt und bei dem im Gegensatz zu sonstigen Bereichen des öffentlichen Rechts grundsätzlich keine antragsrelevanten Sachverhalte gegeben sind.
Ein Akteneinsichtsrecht nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts wird unter bestimmten Voraussetzungen den Beteiligten an einem Verwaltungsverfahren eingeräumt. Ein solches Akteneinsichtsrecht ist für uns vorliegend nicht erkennbar.
Das soll also wohl heißen, dass das VwVfG für Straßenverkehrsbehörden überhaupt nicht gilt? Bevor ich auf diesen – mit Verlaub – totalen (und arroganten) Blödsinn eingehe, gebe ich der Behörde aber liebend gerne die Möglichkeit, sich drei Absätze zuvor selbst zu widersprechen:
mit Mail vom 31.07.2019 beantragten Sie Akteneinsicht zu verschiedenen verkehrsrechtlichen Vorgängen, die mit Z 240 StVO beschildert sind. Was die sogenannte Blaubeschilderung von Radwegen angeht, so habe wir in den letzten Wochen in insgesamt 18 Fällen eine Rücknahme dieser Verkehrszeichen angeordnet. Dies war letztlich das Ergebnis entsprechender Eingaben Ihrerseits.
Eine „Eingabe“ ist verwaltungsrechtlich eine „Petition„, man kann die Verwaltung zur Not auch verwaltungsgerichtlich dazu zwingen, sich damit zu befassen. Die Eingabe ist somit eine „mildere“ Form eines formellen Widerspruchs – sie ist auf jeden Fall ein „Antrag“.
Antrag auf Neuverbescheidung
In Sachen Verkehrszeichen kommt dies insbesondere im „Antrag auf Neuverbescheidung“ zum Ausdruck, also einer Aufforderung eines betroffenen Bürgers, die Straßenverkehrsbehörde möge in irgendeiner bestimmten Angelegenheit tätig werden, bspw. in der Weise, indem sie (wegen Ablaufs der einjährigen Widerspruchsfrist) unanfechtbar gewordene Verkehrszeichen neu auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft und handelt – oder den Bürger entsprechend (negativ) bescheidet. In der Rechtsprechung nennt man dies „Antrag auf Erlass verkehrsregelnder Maßnahmen„. Wie so etwas im Detail abläuft, hat Martin Wohlauer sehr ausführlich auf seiner Internetseite dokumentiert. Ein solcher Antrag(!) im Sinne des § 42 VwGO ist in aller Regel die Vorstufe zu einer Verpflichtungsklage.
Kommen wir also zurück zum Schrieb der Kreisverwaltung. Jene hat mir ja eindeutig bestätigt, dass sie in 18 Fällen aufgrund meiner Hinweise / Eingaben (also informelle „Anträge“), diese und jene Straßenabschnitte doch bitte zu überprüfen – wonach sie nach der VwV zu § 45 StVO, Rn. 57 aber sowieso alle 2 Jahre verpflichtet wäre ist – die betroffenen Verkehrszeichen auch abgeordnet hat.
Sie schafft es aber, im gleichen Schreiben die Auffassung zu vertreten, dass bei verkehrsbehördlichen Anordnungen zu Verkehrszeichen „keine antragsrelevanten Sachverhalte“ vorlägen. Meinen die das wirklich ernst…!? Vor allem, dass die Behörde quasi ein Monopol auf ein
der öffentlichen Sicherheit ausgerichtetes, präventives Tätigwerden
hätte, lässt mich wirklich rat- und fassungslos zurück. So wehre ich mich ja gerade gegen viele Radwege, weil durch sie eine Vielzahl unnötiger und zusätzlicher Gefahren erst geschaffen werden! Aber das steht mir ja offensichtlich überhaupt nicht zu?
§ 29 (1) S. 1 VwVfG lautet übrigens:
Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist.
Das ist mehr als eindeutig. Ich muss wissen, ob überhaupt – und wenn, wie diese Verkehrszeichen rechtlich begründet wurden, wenn ich effektiv dagegen vorgehen will. Gut, man könnte vielleicht noch bezweifeln, dass ich „Beteiligter“ wäre? Hierzu der § 13 (1) Nr. 1 VwVfG:
Beteiligte sind Antragsteller und Antragsgegner,
§ 10 VwVfG stellt darüber hinaus klar:
Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen.
Ich habe gegenüber der Kreisverwaltung mehrere (lediglich nicht als Solche bezeichnete) Anträge zu verkehrsbehördlichen Handlungen gestellt (auch, damit sie keine Grundlage hat, mir für ihre Untätigkeit auch noch Geld abzuknöpfen). Auf jeden Fall ist der Antrag, die betreffenden Akten einzusehen, zu erfüllen.
Anträge im Sinne der StVO
Besonders absurd ist die Argumentation, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die StVO ja selbst vorsieht bzw. vorschreibt, die Aufstellung von Verkehrszeichen zu beantragen; ich verweise hierzu auf die Absätze 6 und 7 des § 45 StVO:
(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.
(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.
Genau, da werden verkehrsregelnde Maßnahmen beantragt! Der gesamte § 46 StVO hat im Grunde nur mit Anträgen im Zusammenhang mit Verkehrsregeln zu tun.
Ich frage mich auch, warum die Kreisverwaltung mich im Februar überhaupt in die Anordnung zur Sperrung der B 10 hat blicken lassen – wenn sie es ja gar nicht gemusst hätte…!?
LTranspG sticht VwVfG
Hinzu kommt, dass die Kreisverwaltung sowieso keinerlei Chance hat, mir die Akteneinsicht zu verweigern, denn das LTranspG „sticht“ das Verwaltungsverfahrensgesetz. So teilte mir der LfDI im Streit mit der sich lange Zeit ebenfalls weigernden Stadt Pirmasens (die ein Schreiben gleichen Inhalts erhielt) Folgendes mit:
Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass hierbei zu beachten ist, dass es sich bei dem Verwaltungsverfahrensgesetz um keine besondere Rechtsvorschrift handelt, die dem Landestransparenzgesetz vorgeht (§ 2 Abs. 3 LTranspG), so dass bei einem Antrag auf Informationszugang in einem solchen Fall die Normierungen des Landestransparenzgesetzes ebenfalls zu beachten sind.
Herr Schneble hat daher einen Anspruch aus § 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 LTranspG auf die bei der Stadt Pirmasens vorhandenen Informationen, (…)
Ich habe daher erneut eine Beschwerde beim LfDI gegen die Kreisverwaltung Südwestpfalz eingereicht. Meine Vermutung ist, dass (wie in Pirmasens) einfach keine Anordnungen (mehr) vorhanden sind. Und man sich die Peinlichkeit einer Offenbarung sparen möchte.
Die Bräsigkeit „deiner“ Behörden ist wirklich beeindruckend.
Ach, wenn es denn meine wären… 😉 In Stadt und Kreis Kaiserslautern ist man ja allerdings auch nicht viel konstruktiver.