In der auf Juris basierenden Datenbank des Landes Rheinland-Pfalz hatte ich vor einer Weile auch das im Hinblick auf die Problematik an der B 10 recht interessante (aber im Ergebnis ernüchternde) Urteil 7 A 10885/14 vom 25.08.2016 des Oberverwaltungsgerichts Koblenz zur Ausweisung zweier Abschnitte der B 50 im Hunsrück als gefunden. Hier musste sich in erster Linie der LBM über viele Jahre mit einem landwirtschaftlichen Unternehmer aus dem Hunsrück herumärgern, der es nicht akzeptieren wollte, dass er mit seinen landwirtschaftlichen Fahrzeugen von der Benutzung der B 50 ausgeschlossen wurde.
Die B 50 war erst im November wegen der Freigabe des „Hochmoselübergangs“ Thema in den überregionalen Medien. Diese Bundesstraße, die zwischen Hinzerath und dem Hahn Teil der Hunsrückhöhenstraße ist, wird seit vielen Jahren teils komplett neugebaut – oder der B 10 im Pfälzerwald ähnelnd – zu einer dem Fernverkehr dienen Kraftfahrstraße „autobahnähnlich“ ausgebaut. Sie schließt dabei eine Lücke zwischen dem Kreuz Wittlich an der A 1 / A 60 (Richtung Lüttich / Antwerpen) und der A 61 bei Rheinböllen (Richtung Rhein-Main-Gebiet). Eine durchgängige Einstufung als Autobahn scheitert vermutlich an den komplexen topographischen Gegebenheiten des Hunsrücks sowie den damit verbundenen Steigungen und Kurvenradien. Nebenbei sollte der Ausbau der B 50 auch der besseren Anbindung des berühmt-berüchtigten Flughafens Hahn dienen. Gegenwärtig dürfen Radfahrer die B 50 (die abschnittsweise auch als B 327 gewidmet ist) zwischen den Anschlussstellen Longkamp und Büchenbeuren/West noch benutzen.
Im Jahr 2003 (meine Güte, wie lange das schon wieder her ist) 🙁 war ich während eines Tagestrips mit dem Rennrad auf der B 50 unterwegs. Ich befuhr damals (von Nonnweiler aus) im Zuge einer rund 120 km langen Runde über die Höhenzüge des Hunsrücks unter anderem den Abschnitt zwischen Bernkastel-Kues, Longkamp und Hinzerath. Dies wird wohl zukünftig nicht nur für Radfahrer, sondern auch für alle Fahrzeuge, die die Voraussetzungen des § 18 StVO nicht erfüllen, nicht mehr möglich sein, denn das OVG Koblenz gab erst im Jahr 2016 einer Berufung des LBM Rheinland-Pfalz gegen eine in erster Instanz erfolgreiche Klage eines landwirtschaftlichen Unternehmers gegen die Ausweisung des Abschnitts der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West als statt. Es hob somit das Urteil 4 K 716/11.KO des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 auf.
An der B 50 im Hunsrück wird der „Langsamverkehr“ auf die gleiche ignorante Weise von der Benutzung einer wichtigen, qualitativ hochwertigen Verkehrsverbindung ausgeschlossen und auf minderwertige Straßen und Wege verbannt – wie auch entlang der B 10. Die Verkraftfahrstraßierung vor allem des Bundesstraßennetzes wird auch in Rheinland-Pfalz im wahrsten Sinne des Wortes weiter vorangetrieben.
Chronologie
Das gesamte Verfahren erstreckte sich – einschließlich des Beschlusses zur abschließenden Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG – über sage und schreibe 14 Jahre!
- 16. April 2004: Der Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz (Vorgänger des LBM) erlässt eine Anordnung, nach der die B 50 zw. Simmern/Ost und Büchenbeuren/West als
auszuweisen ist.
- September 2004: Diese Anordnung wird vollzogen.
- 15. Oktober 2004: Der landwirtschaftliche Unternehmer legt Widerspruch ein. Wegen der Vielzahl anderer Einwendungen wurde ein Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht angeregt. Das Widerspruchsverfahren des Landwirts wurde ruhend gestellt.
- 27. Mai 2005: Die Klage für das Musterverfahren wird erhoben.
- 20. Oktober 2005: Das Verwaltungsgericht Koblenz (6 K 963/05.KO) hebt die
auf dem westlichen Abschnitt zwischen den Kreuzungspunkten mit der K 74 (bei Büchenbeuren) und mit der B 421 (bei Kirchberg) auf.
- 29. Oktober 2010: Das Verfahren wird aufgrund einer gegen das vorangegangene Urteil eingelegten Berufung des LBM vor dem OVG Koblenz nach einer längeren Ruhe des Verfahrens von diesem per Beschluss wiederaufgenommen. Der Senat regt eine vergleichsweise Regelung an.
- 14. April 2011: Es findet eine Ortsbesichtigung statt. Dabei wird auf dem Abschnitt Büchenbeuren – Kirchberg eine weiträumige nördliche Umfahrung am Flughafen Hahn vorbei Richtung Kappel in Augenschein genommen. Dieses OVG-Verfahren wird in der Hauptsache für erledigt erklärt.
- 13. Juli 2011: Der LBM weist den aufgrund des vorangehenden Musterverfahrens ruhenden Widerspruch des Landwirtes ab, da nun eine zumutbare Alternative vorliege.
- 5. August 2011: Der Landwirt erhebt dagegen Klage.
- 13. Januar 2012: Das Verwaltungsgericht Koblenz gibt der Klage (4 K 716/11.KO) statt und hebt die Anordnung aus dem Jahr 2004 als auch den Widerspruchsbescheid auf. Das Gericht bemängelt insbesondere das Nichtvorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 45 (1) und (9) StVO. Außerdem seien durch den zwischenzeitlich erfolgten vierspurigen Ausbau die Gefahren entschärft worden.
- 13. April 2012: Das OVG lässt (erneut) per Beschluss (7 A 10191/12.OVG) die Berufung des LBM wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
- 15. August 2012: Mündliche Verhandlung vor dem OVG (7 A 10467/12.OVG). Der LBM sicherte dem Landwirt eine Ausnahmegenehmigung zu und wolle ein Teileinziehungsverfahren durchführen. Das Verfahren ruhte erneut.
- 15. September 2014: Die Teileinziehung wird im Staatsanzeiger bekanntgemacht. Der Landwirt legt auch dagegen Widerspruch ein. Auf Antrag des LBM wird das Verfahren vor dem OVG wiederaufgenommen.
- 8. Juli 2015: Der 7. Senat des OVG holt ein Sachverständigengutachten ein.
- 27. Januar 2016: Das Gutachten wird eingereicht.
- 25. August 2016: Mündliche Verhandlung vor dem OVG.
- 3. Januar 2018: Das Bundesverwaltungsgericht (3 B 58.16) lehnt die Beschwerde des Landwirtes wegen Nichtzulassung der Revision ab.
Vierspurige Straße = „Gefahrenlage“?
Dem Oberverwaltungsgericht ist es – wenn man sich die ausführlichen, in den wesentlichen Punkten auf einem Gutachten eines Universitätsprofessors beruhenden Begründungen zu Gemüte führt, letzten Endes ziemlich egal, wie der Nicht-Kraftfahrzeugverkehr seine Wege entlang dieser verkehrlich sehr wichtigen Bundesstraße zurücklegen soll, denn es hält Umwege von mehr als 50 %, auch über schlecht gepflegte Wirtschaftswege für „zumutbar“. Die angebliche Gefährdung(!) des schnellen durch den langsamen Verkehr auf einer „autobahnähnlich“ ausgebauten Straße führt auch an der B 50 im Hunsrück dazu, dass die „langsameren“ Verkehrsteilnehmer als „gefährlich“ gebrandmarkt – und daher von der Nutzung ausgeschlossen werden. Das beinhaltet natürlich auch den rechtlosen Verkehrsteilnehmer-Bodensatz, für den viele Behörden und Gerichte Radfahrer halten. Die Begriffe „Radfahrer“ oder „Radverkehr“ kommen übrigens im gesamten OVG-Urteil kein einziges Mal vor – obwohl die Aufhebung der auch jenen zu Gute gekommen wäre.
Mich irritiert auch, dass während des Verfahrens vom klagenden Landwirt nicht beanstandet wurde, dass der LBM (bzw. dessen Vorgänger) eigentlich gar nicht befugt war, diese Verkehrszeichen anzuordnen. Nach § 44 StVO und der rheinland-pfälzischen Zuständigkeitsverordnung entscheidet das (zumindest nach der heutigen Rechtslage) eigentlich die jeweils zuständige Kreisverwaltung.
Das OVG zur „Gefahrenlage“
Jedenfalls: Das OVG führt in den Randnummern 20 bis 27 (auch unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung) aus, „was eine besondere örtliche Gefahrenlage“ ausmache und dass die Bewältigung einer Solchen im Ermessen der Behörde stünde. Ab der Randnummer 28 geht es dann so langsam – unter Verweis auf das Gutachten – ans „Eingemachte“, denn das Gericht leitet vor allem aus dem Ausbauzustand eine besondere örtliche Gefahrenlage ab. Hierzu Randnummer 29:
Mithin weist die B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West einen autobahnähnlichen Ausbauzustand auf. (…) Der autobahnähnliche Ausbauzustand zieht es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und gestützt auf die gutachterliche Prognose des Sachverständigen zu den Auswirkungen einer Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr auf dieser Straße zur Überzeugung des Senats nach sich, dass die Zulassung eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage begründen würde. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Es ist doch sehr interessant, dass hier langsamer Verkehr in Verbindung mit einer sehr breiten, durchgehend vierspurigen Straße plötzlich ein „besonderes örtliches Verhältnis“ darstellen soll. Eigentlich werden solche Straßen auch deshalb vierspurig ausgebaut, weil dadurch die auf zwei- und dreispurigen Straßen besonders hohe Gefahr von schweren Unfällen beim Überholen verringert werden soll. Insbesondere soll auch das Überholen langsamerer Lkw (die ja außerorts nur 60 km/h fahren dürf(t)en) erleichtert werden.
In den folgenden Randnummern bezieht sich das Gericht auf das erwähnte Gutachten. Der Gutachter selbst stellt jedoch den Wert seines Werkes selbst in Zweifel, so heißt es in Rn. 32 unter anderem:
Ausgehend von diesen qualitativen Aussagen, die „lediglich ein grobkörniges Bild [ergeben], mit dem aber ein Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe möglich ist“ (Gutachten S. 15; vgl. auch Niederschrift S. 6), leitet der Sachverständige sodann unter Einbeziehung weiterer Faktoren die von ihm angenommene spür- und messbare Verschlechterung der Verkehrssicherheit (Gutachten S. 22) bei einer Zulassung langsam fahrender – vor allem landwirtschaftlicher – Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h ab.
Er nimmt eine spürbare(!) Verschlechterung der Verkehrssicherheit an. Also mich persönlich überzeugt so etwas nicht. Aber ich bin ja auch nicht Richter im 7. Senat des OVG Koblenz. 😉 Im Folgenden werden auch „Streubreiten“ gefahrener Geschwindigkeiten von 76 bis 136 km/h genannt. Aufgrund der baulich getrennten Fahrbahnen gilt dort die Beschränkung des § 3 (3) Nr. 2 c) S. 2 u. 3 StVO auf 100 km/h ja erst einmal nicht, sondern: freie Fahrt. Bei Simmern ist bspw. auch eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h angeordnet. Was man natürlich im Rahmen des Ermessens auch ändern könnte.
In Randnummer 39 stellt der 7. Senat noch einmal – sich das Gutachten zu eigen machend – ausdrücklich auf den Ausbauzustand ab:
Vielmehr handelt es sich zwar im Ausgangspunkt durchaus um verallgemeinerungsfähige Zusammenhänge. Diese begründen jedoch – wie dargelegt – gerade bezogen auf den streitgegenständlichen Streckenabschnitt der B 50 bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Gerade der die besonderen örtlichen Verhältnisse prägende autobahnähnliche Ausbauzustand der B 50 zieht es nach sich, dass bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr erhebliche Geschwindigkeitsdifferenzen auftreten, die einerseits überraschende Ereignisse darstellen, damit dem Grundsatz der Einheit von Bau und Betrieb widersprechen und deshalb die Fehleranfälligkeit und dadurch die Unfallwahrscheinlichkeit steigern. Gleichzeit verursachen größere Geschwindigkeitsdifferenzen neben dem dadurch ausgelösten zusätzlichen Überholbedarf eine steigende Unfallschwere.
Tut mir leid – aber der gerade der Verkehrssicherheit dienen sollende vierspurige Ausbauzustand kommt nur dann als „besondere örtliche Gefahrenlage“ in Betracht, wenn die Straßenverkehrsbehörde z. B. gar keine Geschwindigkeitsbegrenzung anordnet – oder eine, die deutlich über jene auf Landstraßen üblichen 100 km/h hinausgeht. Genau dies liegt aber doch gerade im Ermessen der Behörde. Jeder Verkehrsteilnehmer, der auf eine (derartige) Straße auffährt, hat aufgrund einer fehlenden Beschilderung mit ,
oder auch
grundsätzlich mit langsameren Verkehrsteilnehmern zu rechnen! Und seine Fahrweise entsprechend anzupassen. Im Grunde entbinden die Richter des OVG hier die anderen Verkehrsteilnehmer einfach vom Sichtfahrgebot.
Wenn Traktoren auf (wegen des Gegenverkehrs) wesentlich gefährlicheren zwei- oder dreispurigen Abschnitten fahren dürfen – und dort auch überholt werden (können / müssen): wie kann dann gerade eine breite, überwiegend mit Standstreifen versehene vierspurige Landstraße eine „besondere örtliche Gefahrenlage“ begründen!? Das Gericht klammert sich hier meines Erachtens an die Vorstellung einer „Schnellstraße“ oder „Autostraße„. Solche Straßen gibt es in Deutschland aber nicht.
Auch in diesem Falle sind es die größeren Geschwindigkeitsdifferenzen, die die langsameren Verkehrsteilnehmer mit einem völligen Ausschluss von der Nutzung bezahlen müssen. Aus dem gleichen Grund hatte der Bundesrat im Zuge der letzten StVO-Novelle ja auch den § 45 (9) S. 3 StVO für Radwege außerorts für ungültig erklärt.
In Randnummer 41 geht das Gericht auf das meiner Ansicht nach nicht von der Hand zu weisende Argument ein, dass aufgrund der seit dem Jahr 2012 über 1.000 ausgeführten Fahrten mit 40 km/h fahrenden Fahrzeugen aufgrund der Ausnahmegenehmigung keine Unfälle geschehen seien. Dies wird jedoch auch unter Verweis auf das Gutachten als unbedeutend bewertet; diese Fahrten seien aufgrund der Verkehrsbelastung insgesamt nicht von Belang.
Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte nur Ausnahmegenehmigungen für Fahrzeuge und Gespanne erteilt hat, die eine Mindestgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen. Bei einer generellen Zulassung des landwirtschaftlichen Verkehrs würden voraussichtlich auch (noch) langsamere Fahrzeuge hinzukommen, die die oben beschriebene Gefahrenlage nochmals verschärfen würden. Allein der Umstand, dass bei den bisherigen (wenigen) Fahrten nichts passiert ist, kann bei der hier vorzunehmenden Gefahrenprognose kein Kriterium sein.
Ja, um Himmels Willen – dann würden am Ende auch noch Rad- und Mofafahrer auf der Straße fahren wollen! In Randnummer 43 stellt das Gericht fest, dass es unschädlich sei, dass der Gutachter auch zum Vergleich keine anderen Straßen mit freigegebenen landwirtschaftlichen Verkehren untersucht hätte.
Das OVG zum Ermessen
In den folgenden Randnummern (44 ff.) widmet sich das Gericht dem Ermessen. In der Randnummer 48 geht es um die zumutbare Alternativroute:
Für den Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg, der auch konkret für den Kläger von Interesse ist, ist nunmehr mit der in der Berufungsinstanz des Musterverfahrens eingerichteten Strecke nördlich der B 50 ebenfalls eine zumutbare Alternativroute vorhanden: Von Osten kommend wird die B 327 am Abzweig der K 77 bzw. K 137 nördlich in Richtung Lötzbeuren verlassen. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz, der im Westen des Flughafens Frankfurt-Hahn nach Norden führt und alsbald auf die L 193 trifft. Von dort aus geht es auf der L 193 weiter in nordöstlicher Richtung nach Kappel und von dort auf die B 421 Richtung Süden nach Kirchberg. Diese Alternativroute führt weitgehend über öffentliche Straße und verläuft lediglich im Bereich zwischen der K 137 und der L 193 entlang des Flughafens auf einer Länge von etwa 2,2 km über einen Wirtschaftsweg.
Ich habe hierzu mal diese Übersichtskarte (OSM-Lizenzbedingungen) erstellt:
„Alternativroute“ würde ich sowas nicht nennen, sondern eher „halbe Hunsrück-Rundfahrt“. Laut google maps sind hier 21 km zurückzulegen – auf der B 50 wären es jedoch nur 14 km. Also: rund 150 % Wegstrecke. Das läppert sich. Dieses Problem betrifft auf dieser Relation natürlich auch Radfahrer. Jenen bleibt im Grunde auch nur, die B 50 an der Abfahrt Büchenbeuren zu verlassen, sich über die folgenden Kreisstraßen (K 74, K 75, K 73, K 2, K 81) Richtung Niedersohren durchzuschlagen – und zu hoffen, dass der parallel zur B 50 verlaufende Weg ab der Anschlussstelle Niedersohren in Richtung Liederbach (L 195 – K 3) wenigstens asphaltiert ist. Geräumt und gestreut wird der im Winter aber garantiert auch nicht.
Der Landwirt wurde – wie in Randnummer 49 zu lesen ist – wohl auch hier Opfer einer wohl eher nachlässig formulierten und beachteten „Vereinbarung“, den genannten „Wirtschaftsweg“ in Schuss zu halten:
Der in der mündlichen Verhandlung durch den Kläger erhobene und mit Fotoaufnahmen untermauerte Einwand zur (Nicht-)Nutzbarkeit des vorgenannten Wirtschaftsweges, mit dem er geltend macht, der Weg weise erhebliche Schlaglöcher auf, die nur in Schrittgeschwindigkeit zu durchfahren seien, und der Weg sei zum Teil seitlich auch so stark eingewachsen, dass die landwirtschaftlichen Fahrzeuge kaum ohne Kontakt durchkämen, steht der Zumutbarkeit einer Nutzung der nördlichen Umfahrung nicht entgegen. So besteht für den genannten Wirtschaftsweg eine Vereinbarung zwischen dem Landesbetrieb Mobilität, der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH – FFHG –, dem Landkreis Cochem-Zell und der Ortsgemeinde Lötzbeuren, der zufolge die FFHG einen dort näher bezeichneten Ausbau sowie die Unterhaltung des Wirtschaftsweges übernimmt (…).
Aber auch dies würde die Zumutbarkeit nicht beeinträchtigen; auch, weil die unterhaltspflichtige Stelle die „beklagten Zustände zu verbessern“ habe. Auch finanzielle und betriebswirtschaftliche Aspekte drangen bei den Richtern nicht durch. Interessant auch im Hinblick auf das Vorgehen des LBM an der B 270 bei Kaiserslautern und der B 10 im Pfälzerwald ist die Randnummer 53 zum Thema Teileinziehung:
Ein Ermessensfehler wird entgegen dem Einwand des Klägers auch nicht dadurch begründet, dass im Planfeststellungsverfahren zum vierbahnigen Ausbau der B 50 keine straßenrechtliche Teileinziehung verfügt worden ist und die Frage des Ausschlusses von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr auf die straßenverkehrsrechtliche Ausweisung als Kraftfahrstraße verlagert wurde. (…) Dass entsprechende Anforderungen an zumutbare Alternativrouten auch im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße wirksam geltend werden können, hat das Musterverfahren gezeigt. Inzwischen ist auch die Teileinziehung des hier betroffenen Abschnitts der B 50 verfügt, so dass – trotz des hiergegen eingelegten Widerspruchs – aktuell kein Konflikt zwischen Straßen- und Straßenverkehrsrecht ersichtlich ist.
Das Gericht drückt sich hier ein wenig um die Frage, ob eine straßenverkehrsrechtliche Sperrung ohne Teileinziehung rechtmäßig gewesen wäre. Leider wurde jene ja nachgeholt. Was ich übrigens auch jederzeit an der B 10 befürchte. Inbesondere im Hinblick auf meine beim BMVI eingereichte Rechts- und Fachaufsichtsbeschwerde.
In Randnummer 54 argumentiert das Gericht mit der Netzbedeutung der Fernstraße. Abschließend geht es in der Randnummer 55 zur Verhältnismäßigkeit:
Die Ausweisung als Kraftfahrstraße ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des der Straßenverkehrsbehörde bei der Auswahl des Mittels zustehenden (fachlichen) Einschätzungsspielraums (…) ist es nicht zu beanstanden, dass andere (mildere) Mittel als nicht gleich geeignet eingestuft wurden, um den von der Zulassung von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr ausgehenden Gefahren (…) zu begegnen. Soweit angesichts des maßgeblichen Zeitpunkts auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung abzustellen ist (…) und die Straßenverkehrsbehörde die Voraussetzungen für die getroffene Anordnung fortlaufend „unter Kontrolle“ halten muss (…), ist bei der Frage, ob der Beklagte mildere Mittel bei seiner Entscheidung einbezogen hat, auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige in seinem Gutachten alternative Lösungsmöglichkeiten – insbesondere eine Annäherung der Geschwindigkeiten durch Tempolimits (vgl. Gutachten, S. 19 ff.) – diskutiert und weder für zweckmäßig noch praktikabel gehalten hat (Akzeptanz, Überwachung, Angemessenheit, vgl. Gutachten S. 20 f.).
Na dann. Weil sich die Verkehrsteilnehmer nicht an (oder gar noch weniger) halten würden, machen wir das einfach nicht.
Sahnehäubchen BVerwG
Das Bundesverwaltungsgericht setzte in seinem Beschluss zur Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision noch eine besonders eindeutige „Duftmarke“, was von den Interessen der „Langsamverkehre“ im Allgemeinen zu halten ist. So heißt es in Rn. 3 unter anderem:
Diese langsam fahrenden Fahrzeuge sollten mit der Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße auf das nachgeordnete Straßennetz und im Falle der landwirtschaftlichen Fahrzeuge auch auf Wirtschaftswege verdrängt werden. In Abwägung der Interessen der Allgemeinheit an der Beschleunigung des fließenden Verkehrs mit den Interessen des langsamen Verkehrs an der weiteren Nutzung der B 50 sei den Belangen der Verkehrssicherheit (Unfallsituation) sowie der Beschleunigung des fließenden Verkehrs von und zum Flughafen Frankfurt-Hahn der Vorrang einzuräumen.
Zusammengefasst: Freie Fahrt für freie Bürger! Diese ganzen Verkehrshindernisse gehören endlich runter von den Straßen. Das BVerwG verneint auch zu den in den folgenden Randnummern aufgeworfenen Fragen in Sachen Teileinziehung (Rn. 11 bis 12), Planfeststellungsbeschluss (Rn. 13 bis 15) und zumutbaren Alternativstrecken (Rn. 16 bis 19) das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Ein Zitat wert ist hiervon noch die Randnummer 17:
Die Frage, inwieweit bei der Ausweisung einer Strecke als Kraftfahrstraße (§ 18 Abs. 1 StVO) ausreichende Ausweichmöglichkeiten für den von der Nutzung dieser Straße ausgeschlossenen langsam fahrenden Verkehr zur Verfügung stehen, ist von der für die Ausweisung zuständigen Straßenverkehrsbehörde im Rahmen der ihr nach § 45 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO obliegenden Ermessensentscheidung (…) mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu prüfen. Auch nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) ist Voraussetzung für die Anordnung des Verkehrszeichens 331.1, dass für den Verkehr, der Kraftfahrstraßen nicht befahren darf, andere Straßen zur Verfügung stehen, deren Benutzung zumutbar ist.
Immerhin: Auch das BVerwG stellt hier klar, dass grundsätzlich zumutbare Alternativen vorhanden sein und angeboten werden müssen. Es sei jedoch gem. Rn. 18 unschädlich, wenn der betroffene Verkehr nur auf Teilstrecken zur Benutzung nicht-öffentlicher Straßen verwiesen werde, aber sichergestellt sei, dass auf diesen nicht-öffentlichen Straßen ein zumutbarer Zustand gewährleistet werde. Also genau das, was an der B 10 für den Radverkehr (nicht nur) im Winter nicht der Fall ist.
Auch die 4. Frage, ob allein ein „autobahnähnlicher Ausbauzustand“ schon besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 45 StVO darstelle, wurde vom Gericht in den Rn. 20 bis 22 für unerheblich gehalten. Dies gilt auch für die abschließende – sarkastische – Frage des Landwirtes, ob man denn nicht Fahrzeuge, die nicht schneller als 60 km/h fahren dürften, wegen der von diesen ausgelösten „Gefahren für Leib und Leben“ besser gleich ganz verbieten müsse.
Immerhin: auf dem wohl gerade erst eröffneten vierstreifigen Abschnitt bei Longkamp warnt man sogar ausdrücklich vor Traktoren.
Fazit
Viel zu sagen gibt es hierzu nicht. Die Rechtsprechung ist sich einig darin, dass es rechtmäßig sei, den „Langsamverkehr“ zunehmend von den höherklassifizierten Straßen zu (wortwörtlich) verdrängen, damit auch abseits von Autobahnen das Gaspedal möglichst weit durchgetreten werden kann und der Verkehrsfluss nicht von „fahrenden Verkehrshindernissen“ beeinträchtigt wird. Selbstredend dient dies natürlich auch alles nur der Sicherheit. Schließlich sind es ja – wenn ich das OVG und das BVerwG hier richtig verstehe – ja die langsamen Fahrzeuge, die hier stets die „Gefahren“ alleine durch ihre Anwesenheit und Langsamkeit erst selbst auslösen.
Planfeststellung Zolleiche
Zum weiteren Ausbau der B 50 zwischen dem Bahnhof Zolleiche und der Dienststellengrenze findet man in der Liste der Planfeststellungsverfahren des LBM gegenwärtig auch noch die entsprechenden Dokumente. Mit diesem werde ich auch noch in einem weiteren Beitrag befassen, denn auch hier sehe ich die Interessen vor allem des Radverkehrs wenig bis gar nicht vertreten. Das gilt auch für andere Abschnitte entlang der B 50, vor allem im Bereich Rheinböllen – Simmern.