Staatsgeheimnis Verkehrsunfälle?

Ich fand es eigentlich sehr interessant, zu einzelnen Unfällen, die zwar im Unfallatlas (funktioniert der eigentlich bei euch im Chrome auch nicht mehr…?) von Destatis verzeichnet sind, aber keine Pressemeldung erhielten, selbst ein wenig nachzuforschen. Dies hatte ich auch bei einem Unfall ganz in der Nähe meines Wohnortes versucht – allerdings bislang ohne Erfolg. Nach den der Webanwendung zugrundeliegenden Datensätzen geschah an einem Donnerstag im Juni 2018 nach 8 Uhr an der Einmündung der K 10 in die L 471 bei Nünschweiler ein Unfall (Nr. 105918) der Art 3 (Zusammenstoß mit seitlich in gleicher Richtung fahrendem Fahrzeug) und Typ 2 (Abbiegeunfall), bei dem ein Radfahrer schwer verletzt wurde. Unfallgegner war ein „Sonstiges Fahrzeug“.

In der Regel läuft dies so ab: Ich frage per e-mail bei der zuständigen PI nach den Hintergründen. Wenn der Fall an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde, erhalte ich das Aktenzeichen. Anhand dieses Aktenzeichens kann mir die zuständige Staatsanwaltschaft dann eine Beschreibung des Unfalls als auch das strafrechtliche Ergebnis mitteilen. Die leitende Generalstaatsanwältin selbst, die bisher meine Anfragen beantwortete, hat laut eigener Auskunft keine Möglichkeit, den Unfall anhand anderer Suchkriterien eindeutig zu ermitteln; sie benötigt also das Aktenzeichen.

Vier mal funktionierte das weitestgehend reibungslos – ehe beim fünften Unfall die Probleme anfingen. Siehe auch die Beiträge zu den Nummern 107485, 107755 und 112631 des Unfallatlas 2018. Einen Beitrag zu einem Unfall am Zweibrücker Turbokreisel liefere ich bei Gelegenheit noch nach. Ich neige ja schon zur Verschwörungstheorie, dass es wegen mir in einigen Behörden sicher schon das ein oder andere Rundschreiben gibt… 😈

Am 4. November 2019 sendete ich eine e-mail an die örtlich zuständige Polizeiinspektion in Waldfischbach-Burgalben und bat um die Schilderung einiger Details des oben genannten Unfalls; also bspw. wer in welche Richtung fuhr, wer laut Ansicht der Polizei Verursacher und was für ein „sonstiges Fahrzeug“ daran beteiligt war. Meine e-mail blieb jedoch bis zum 4. Dezember gänzlich unbeantwortet; ich erhielt nicht einmal eine Lesebestätigung. Also widmete ich meine Anfrage in einen Antrag nach § 11 LTranspG um und bat erneut um eine Antwort.

Diese erhielt ich am 9. Dezember 2019 – und zwar vom behördlichen Datenschutzbeauftragten des Polizeipräsidiums Westpfalz. In dieser ritt man zuerst darauf herum, dass ich bei meiner ursprünglichen Anfrage ja meine Adresse nicht angegeben hätte – dies sei aber laut Verwaltungsvorschrift(!) nötig. Ich hatte allerdings in jener Anfrage auf meinen Blog per Link verwiesen, welcher u. a. ein Impressum (mit meiner Adresse) beherbergt. So viel Ermittlungsarbeit kann man (denke ich) doch von einem (meine Identität in Zweifel ziehenden) Polizisten noch erwarten, oder…!?

Jedenfalls heißt es unter anderem:

Sie bitten um Auskunft über einen Verkehrsunfall, wie Sie aus dem oben aufgeführten Gesetzestext erkennen können, besteht dazu keine Auskunftspflicht, somit ist die von Ihnen angegebene Monatsfrist zur Beantwortung dieser Frage nicht von Relevanz. Des Weiteren stünde unter Umständen § 16 Absatz 1 Nr. 2 LTranspG einer Auskunftspflicht entgegen, da durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten Dritter, hier die Daten der Unfallbeteiligten, offenbart werden könnten.

Man berief sich hier im Wesentlichen auf den § 7 LTranspG. Wenn, dann wäre eine Offenbarung hier ein Versäumnis und ein Vergehen der Polizei. Jene kann mir jedoch auch ohne die Angabe personenbezogener Daten (die mich auch überhaupt nicht interessieren) die von mir begehrten Auskünfte erteilen. Weiter:

Sie erhalten von mir Auskunft für den Bereich der Bundessrepublik Deutschland, über den Bereich des Landes Rheinlandpfalz und über den Bereich des Polizeipräsidiums Westpfalz wie in § 7 Abs. 1 Nr. 7 LTranspG vorgesehen, die amtlichen Verkehrsstatistiken der letzten fünf Jahre.

Das Polizeipräsidium meint also, mit der Veröffentlichung der allgemeinen Verkehrsunfallstatistik sei der Informationanspruch gegenüber der Öffentlichkeit zum Thema Verkehrsunfälle abgegolten. Da mir das doch äußerst willkürlich anmutete, fragte ich beim LfDI nach und erhielt am 18. Dezember folgende Antwort:

Ihre Vermittlungsanfrage habe ich erhalten. § 7 LTranspG steht Ihrem Antrag nicht entgegen, da diese im 2. Teil des Landestransparenzgesetzes angesiedelte Vorschrift die proaktive Veröffentlichung regelt, vorliegend dagegen der Informationszugang auf Antrag begehrt wird. Bitte beachten Sie jedoch, dass das Gesetz nach § 3 Abs. 4 LTranspG für Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden nur gilt, soweit diese Behörden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Ihre Anfrage zu einem konkreten Unfall mit Radfahrerbezug ist jedoch der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zuzuordnen, es handelt sich also nicht um eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Eine Vermittlung wird daher als nicht zielführend angesehen. Bei Rückfragen können Sie mich gerne erreichen.

Tja. Trotz weiter ausgeführter Argumente konnte ich die Mitarbeiter des LfDI nicht davon überzeugen, dass die Öffentlichkeitsarbeit (also vor allem Presse und Statistik) der Strafverfolgungsbehörden meiner Ansicht nach sehr wohl eine „Aufgabe der öffentlichen Verwaltung“ darstelle.

Ich zitiere hier meine e-mail vom 18. Dezember:


Sehr geehrter Herr X,

meiner Ansicht nach würde ich die allgemeine, öffentliche Unfallberichterstattung sehr wohl als „Aufgabe der öffentlichen Verwaltung“ betrachten, da die Öffentlichkeit meiner Ansicht nach auch ein Anrecht darauf hat, über Verkehrsunfälle und deren Ablauf informiert zu werden.

Verkehrsunfälle dienen unter anderem als Argumente für oder gegen Maßnahmen von Straßenbau- und -verkehrsbehörden. Zum Beispiel zur Rechtfertigung von Radwegbenutzungspflichten oder auch Verkehrsverboten. Ich sehe hier ein Ungleichgewicht gegenüber anderen Behörden, wenn ich als betroffener Bürger regelmäßig mit Unfällen konfrontiert werde, die mir bis dato gänzlich unbekannt waren. Beispielsweise erhebe ich derzeit Einwände gegen eine Radwegbenutzungspflicht eines Weges, der nur selten bis gar nicht geräumt und gestreut wird. Wenn es hier bereits in der Vergangenheit Unfälle gab, habe ich das Bürger auch ein Recht darauf.

Im Übrigen sind mir beim Studium vieler Pressemeldungen zahlreiche sachliche Fehler aufgefallen, die auch Auswirkungen auf die öffentliche Meinung haben. Es ist also sehr wohl angebracht, dass journalistisch tätigen Bloggern ermöglicht wird, auch die Einordnung eines Verkehrsunfalles kritisch zu hinterfragen.

Die Behörde Polizei kann meiner Ansicht nach auch nicht willkürlich in der Presse über einige Unfälle berichten – jedoch über andere nicht. Und auch auf Nachfragen keinerlei Auskünfte zu erteilen. Wenn man die Ansicht vertritt, die Polizei würde hier keine „Aufgabe der öffentlichen Verwaltung“ ausüben, dann müsste meiner Ansicht nach auch die gesamte Berichterstattung eingestellt werden. Entweder, es besteht öffentliches Interesse an Verkehrsunfällen – oder nicht.

Auf Nachfragen zu Presseberichten erhalte ich von freundlicheren Polizeibeamten auch stets weitere Informationen, wie z. B. erst heute von der PI Bad Dürkheim. Auch hier ging es um eine rechtswidrige Radwegbenutzungspflicht. Es kann nicht sein, dass selbst bei Nichtveröffentlichung von Meldungen es Interessierten verunmöglicht wird, zu anderen derartigen Unfällen die nötigen Informationen abzurufen.

Aus den Daten bei Destatis geht jedenfalls nicht hervor, wer den Unfall verursacht hat oder in welchen Richtungen die Unfallbeteiligten unterwegs waren.

Ich würde Sie daher bitten, noch einmal zu überprüfen, ob zumindest die Tätigkeiten der Pressestellen der Polizei nicht doch unter „Aufgaben der Öffentlichen Verwaltung“ zu subsumieren wären.

Wie bereits erwähnt – selbst die Generalstaatsanwältin macht aus diesen Informationen kein Staatsgeheimnis!


Scheinbar sind Verkehrsunfälle genau das: Staatsgeheimnisse? Die Pressestelle des Polizeipräsidiums sagte mir am 23. Dezember 2019 zu, dass mein Anliegen hausintern geprüft werde. Dazu erhielt ich jedoch bis heute keine Antwort. Erst auf Nachfrage teilte man mir mit, dass die Sache wieder beim Datenschutzbeauftragten gelandet – und die Sache damit quasi erledigt wäre. Meine Bitte, das Anliegen an den Polizeipräsidenten weiterzuleiten, wurde ignoriert.

Für mich ein weiteres Armutszeugnis in Sachen Transparenz deutscher Behörden, denn offensichtlich unterliegt es der völligen Willkür, welche Unfälle überhaupt einen Pressebericht erhalten – und welche, deren (nicht personenbezogenen) Details nicht einmal auf eine konkrete Nachfrage hin mitgeteilt werden.

Die Nutzung der Daten erfolgt unter der Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0.

Folgebeitrag

Verkehrsunfälle bleiben Geheimsache

4 Gedanken zu „Staatsgeheimnis Verkehrsunfälle?“

  1. Bei mir in der Stadt, habe ich auch keine Möglichkeit alle Mitteilungen der Polizei zu erhalten. Es werden zwar „wichtige“ Pressemitteilungen von der Polizei selbst veröffentlicht, aber „normale“ Verkehrsunfälle werden einmal am Tag gesammelt an einen Presseverteiler gesendet. Und die Presse veröffentlicht natürlich nie alles.
    Als einfacher Bürger werde ich auch nicht in diesen Presseverteiler aufgenommen.
    Da es in Bayern auch kein Transparenzgesetz gibt, kann ich diesen Weg überhaupt nicht einschlagen.

    Mich wundert nun aber deine Erfahrung. Denn eigentlich sollte man auch gegenüber der Polizei die Möglichkeit haben, Informationen zu bekommen, eben wegen den Informations- und Transparenzgesetze. So zumindest habe ich das schon einige Male gelesen.
    Wahrscheinlich ist die Polizei von dir einfach genervt, und will dir nichts mehr mitteilen.

    1. Wahrscheinlich ist die Polizei von dir einfach genervt, und will dir nichts mehr mitteilen.

      Gibt es überhaupt irgendwo jemanden, der nicht von mir genervt ist…!? 😈 😉

      Es gab zuvor bei einer Anfrage an die PI Zweibrücken eine kleine Unstimmigkeit, da ich im Rahmen meiner Anfrage doch tatsächlich vergessen hatte, das Jahr anzugeben. Mea culpa! Im Unfallatlas sind aber nur die Jahre 2017 und 2018 veröffentlicht; von daher hätte auch das die PI eigentlich (anhand der anderen, detaillierten Angaben) nicht überfordern dürfen. Wie angedeutet, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass dies dazu geführt haben könnte, dass die PIen beim Präsidium um eine allgemeine Handlungsanweisung angefragt hatten. Denn mir wurde nicht nur von der PI Waldfischbach-B. eine Auskunft verweigert, sondern etwas später auch eine von der PI Pirmasens.

      Mich irritiert hier am meisten, warum auch der LfDI die Ansicht des PP teilt, dass eine Anfrage zu einem konkreten Unfall „der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zuzuordnen“ sei? In diesem Fall dürfte die Polizei aber grundsätzlich keine Auskünfte zu Unfällen mehr erteilen; auch nicht an die institutionalisierte Presse. Entweder, man bejaht einen grundsätzlichen Informationsanspruch – oder nicht. Dann dürfen aber auch grundsätzlich gar keine Presseberichte zu Verkehrsunfällen mehr verfasst werden.

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