Nach dem Herausgreifen der geplanten radikalen Kürzung des § 45 (9) StVO heute Morgen möchte ich noch einer weiteren Empfehlung aus der Bundesrats-Drucksache 591/1/19 (pdf, 484 KB) zur StVO-Novelle einen eigenen, kleinen Beitrag widmen. Eine bereits begonnene, umfassendere Kommentierung dieses äußerst umfangreichen Dokuments werde ich entgegen meiner ursprünglichen Absicht vermutlich nicht hinbekommen. Es ist so, dass einige Empfehlungen sachlich durchaus berechtigt und teilweise auch sinnvoll sind. Allerdings vermittelt gleich die Empfehlung mit der Nummer 1 einen völlig konträren Eindruck, denn in jener geht es um das Nebeneinanderfahren von Radfahrern. Einem roten Tuch für viele Autofahrer.
Angesichts der ja eher nur einen symbolischen Wert habenden Änderung des § 2 (4) S. 1 StVO zum Nebeneinanderfahren (Umkehrung von Ausnahme und Regel) werden Radfahrer ganz ungeniert als das bezeichnet, was in den Augen des Innenausschusses halt nun einmal sind: Verkehrshindernisse.
Die vorgesehene Regelung ist abzulehnen.
Mit dem Vorschlag sollte dem „Nebeneinanderfahren“ von Fahrrädern Vorrang vor dem „Hintereinanderfahren“ gewährt werden. Diese Umkehrregelung zum bestehenden Regelungsinhalt des § 2 Absatz 4 StVO kann jedoch zu einem erhöhten Konfliktpotential zwischen Kraftfahrzeugführern und Rad Fahrenden führen. Bereits ein einzelner Rad Fahrender führt in der Regel, besonders durch die Geschwindigkeitsdifferenz, zu einer Behinderung im Verkehrsfluss. Aus der bisherigen Praxiserfahrung ist zu unterstellen, dass Rad Fahrende eine weiterführende Behinderung nicht angemessen werten beziehungsweise werten können. Zu berücksichtigen ist hierbei auch die geistige Reife und die Verfügbarkeit rechtlicher Kenntnisse, welche bei Rad Fahrenden mangels Altersbeschränkungen und verpflichtender verkehrsrechtlicher Ausbildungen sehr heterogen ausgeprägt sind.
Ja. Das da ist keine Satire!
Im allgemeinen Verkehrsgeschehen sind bereits vielfach nebeneinander fahrende Rad Fahrende feststellbar, welche die Behinderung des übrigen Verkehrs nicht berücksichtigen beziehungsweise bewusst in Kauf nehmen.
Welch ein Skandal. Dabei beanspruchen allein in ihrem Auto sitzende Autofahrer wesentlich mehr Raum und Verkehrsfläche. Aber wenn zwei (oder gar mehrere) Radfahrer nebeneinanderfahren, womöglich auch nach an einer Stelle, an der der Autofahrer auch einen einzelnen nicht legal überholen dürfte, geht die Welt unter. Wobei ich zumindest auch anmerken muss, dass vor allem auf schmalen Wegelchen und Straßen nebeneinander Radfahrende durchaus auch mir als Radfahrer auf die Nerven gehen können. Weshalb ich z. B. auch vor allem an Wochenenden keine klassischen Touri-„Radwege“ mehr benutze.
Mit einer Regelumkehr würden derartige Verhaltensweisen explizit gefördert und können bei Rad Fahrenden ein falsches Verständnis für Regel und Ausnahme hervorrufen.
Was für ein Blödsinn. Erst einmal müssten überhaupt Leute paarweise unterwegs sein, um klassisch „nebeneinander“ zu fahren. Das dürfte im Alltag so gut wie nicht vorkommen. Einen anderen Radfahrer zu überholen, ist meiner Ansicht nach sowieso kein „Nebeneinanderfahren“ im Sinne dieser Vorschrift. Dann fährt man halt zur Not einen kleinen, „belgischen Kreisel“. 😉
Diesbezüglich dürfte auch provokatives Verhalten bis hin zu Tatbeständen der Nötigung im Sinne des § 240 StGB zu verzeichnen sein.
Echt jetzt? Das kratzt ja schon am Niveau des Auto-BILD-Forums. Es sagt aber sehr viel darüber aus, dass aus Autofahrersicht bereits das Nebeneinanderfahren ein „provokatives Verhalten“ sei. Das galt z. B. auch für das Arschloch, welches mich vergangenen Sommer bei Salzwoog vorsätzlich mit wenigen cm Abstand überholte, weil ich die Dreistigkeit besaß, vor ihm einen anderen Radfahrer zu überholen.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass durch ein Überholen von nebeneinander fahrenden Radfahrern bei Berücksichtigung der Sicherheitsabstände die Verkehrsräume eingeengt und der Verkehrsfluss nachteilig beeinträchtigt werden.
Der entsprechende (Neu-)Regelungsbedarfs wird ebenfalls nicht zureichend dargetan.
Okay, das einzige halbwegs zulässige Argument: Wenn Leute nebeneinanderfahren, ist halt logischerweise links noch weniger Platz zum regelkonformen Überholen. Wenn dieser jedoch auch bei einem Radfahrer allein schon nicht ausreicht, herrscht für Autofahrer so oder so Überholverbot.
Deutschland einig Autoland. Alles wie gehabt. Nichts geht über die deutsche Autoindustrie! Wenn man sich dann noch anschaut wer da wo Lobbyismus betreibt, welcher Politiker in welchen Aufsichtsräten sitzt und wo in welchem Umfang die Autokonzerne Werbung, PR, Marketing und Sponsoring betreiben – dann ist doch klar, dass diese „billigen Radfahrer“ um ihre Rechte gebracht werden. Mit denen ist einfach kein Reibach zu machen.
Als Radfahrer ohne Auto finde ich, dass das Nebeneinanderradeln verboten werden sollte. Ich ärgere mich häufig über nebeneinander fahrende Radler auf dem Radweg, Radfahrstreifen oder der Fahrbahn, die ich dann gar nicht oder nur durch einen Schwenk in den Autoverkehr überholen kann.
Die neue Regelung (die lediglich eine Umformulierung des bereits bestehenden ist) ist zudem weiter sehr unklar (was ist eine“Verkehrsbehinderung“?!) und wird somit nur zu Streit führen.
Das Rad möchte als Verkehrsmittel ernst genommen werden, dann sollte man es auch nicht als Freizeitgerät für ein gemütliches Schwätzchen im Straßenverkehr verwenden.