Vor der Abstimmung zur StVO-Novelle befasste sich der Bundesrat in seiner 985. Sitzung am 14. Februar relativ unbemerkt auch im Tagesordnungspunkt 33 mit einer weiteren, den Radverkehr betreffenden, von der Bundesregierung initiierten Gesetzesänderung. Dem § 3 (1) des Fernstraßengesetz soll im Rahmen des 8. Fernstraßenänderungsgesetzes ein weiterer Satz hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Betriebswege im Zuge von Bundes-Kraftfahrstraßen und -Autobahnen künftig in der Weise gestaltet werden, um auf diesen auch Radverkehr zu ermöglichen. Insbesondere bei Flussüberquerungen in Ballungsräumen soll dem Radverkehr somit eine Benutzung dieser rein auf Kraftverkehr ausgelegten Brückenbauwerke ermöglicht werden.
In meinem ausführlichen Beitrag zum Thema Radwege an Bundesstraßen aufgrund des verkehrspolitischen Skandals entlang der B 10 im Pfälzerwald, wo der Radverkehr an vielen Stellen rechtswidrig auf „Wirtschaftswege“ und Gemeindestraßen abgeschoben wird, hatte ich festgestellt, dass die Worte „Radweg“ oder „Radverkehr“ im gesamtem FStrG kein einziges Mal auftauchen.
Da der Bundesrat gegen die Drucksache 11/20 (pdf, 563 KB) keine Einwendungen erhoben hat, steht einer zum 1. Quartal nach der Verkündung wirksam werdenden Erweiterung des § 3 (1) um folgenden Satz 3 eigentlich nichts mehr im Wege:
Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesautobahnen und Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesstraßen, die als Kraftfahrstraßen ausgewiesen sind, sind bedarfsabhängig durch den Träger der Straßenbaulast so zu bauen und zu unterhalten, dass auf ihnen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.
Das Wort Radverkehr würde somit zum überhaupt allerersten Mal im FStrG auftauchen. Der Wortlaut und der Umfang dieser Gesetzesänderung verdeutlichen jedoch, wie sehr sich die Bundesregierung Mühe gibt, den Radverkehr im Zuge von Bundesfernstraßen im Kern weiter aus dem FStrG herauszuhalten. Interessant ist, dass der Begriff „Betriebsweg“ im § 1 (4) Nr. 1 ebenfalls nicht auftaucht. Hierzu aus der Begründung, Abschnitt A – IV (zur Gesetzgebungskompetenz):
Die Betriebswege an Fernstraßenbrücken für den Schnellverkehr, deren bauliche Ausgestaltung näher bestimmt werden soll, sind gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 Bundesfernstraßengesetz Bestandteil der Bundesfernstraßen. Durch die vorgesehene Bestimmung soll die Sicherheit und Abwicklung des Verkehrs auf Bundesfernstraßen insbesondere in Ballungsräumen verbessert werden. (…)
Seltsam, dass dies für die ebenfalls namentlich nicht erwähnt werdenden Radwege im Zuge von Fernstraßen weiterhin eher nicht gelten soll. Diese fallen jedoch laut Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (pdf, 84 KB) ebenfalls unter die Bestimmungen des FStrG:
So sind auch unselbstständige Rad- und Gehwege fester Bestandteil eines einheitlichen Straßenkörpers und teilen notwendigerweise das rechtliche Schicksal der Straße, zu der sie untrennbar gehören.
Was hindert die Bundesregierung also, dies im FStrG eindeutig klarzustellen, dass der Bund auch die Baulast für Radwege trägt, die an Kraftfahrstraßen und Autobahnen verlaufen? Der Bund vertritt jedoch weiterhin die Auffassung, dass er nicht unmittelbar für den Radverkehr im Zuge von Bundesfernstraßen zuständig sei. In der Begründung heißt es hierzu im Abschnitt A – II – „Wesentlicher Inhalt des Entwurfs“:
Die Querung von breiten Wasserstraßen und sonstigen Flussläufen erfolgt zu erheblichen Teilen durch Fernstraßen in der Baulast des Bundes, die für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt sind. Bundesautobahnen und als Kraftfahrstraßen ausgewiesene Bundesstraßen dürfen nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Da der Radverkehr auf diesen Straßen ausgeschlossen ist, erfordern die Baulastaufgaben keine Entflechtung der Verkehrsarten aus Verkehrssicherheitsgründen. Gegenwärtig erfasst die fernstraßenrechtliche Baulast somit keine Radwege auf Brücken für den Schnellverkehr. (…)
Aus dem Abschnitt A – „Problem und Ziel“:
Der Bund hat bereits heute rund 14 500 Kilometer Bundesstraßen in der Baulast des Bundes mit Radwegen ausgestattet. Diese Radwege sind von der Baulast des Bundes mitumfasst, da sie eine Entflechtung des Radverkehrs vom motorisierten Verkehr bewirken und somit die Verkehrssicherheit erhöhen.
Im Ergebnis verfolgt der Bund mit der Anlage von straßenbegleitenden Radwegen ja das gleiche Ziel: Er will Radfahrer von den Fahrbahnen verbannen, damit der Kfz-Verkehr ungehindert fließen kann. Der völlige Ausschluss (also die größstmögliche Form der „Entflechtung“) erfolgt dann wie bspw. an der B 10 – wenn eine Bundesstraße Stück für Stück in eine Kraftfahrstraße umgebaut – oder der Radverkehr einfach mittels verboten wird. Der Radverkehr darf dann kucken, wo er bleibt. Denn der Bund ist hierfür ja – seiner Ansicht nach – nicht mehr zuständig. Radfahrern bleibt hier dann nur der Verweis auf die inzwischen auch schon über 12 Jahre alten „Grundsätze 2008“ (pdf, 168 KB), mit denen der Bund ja den Radverkehr auch gezielt auf „geeignete Wege“ abschieben will, die eben nicht direkt und eindeutig in seiner Baulast stehen.
Im Bereich von Bundesautobahnen und Bundesstraßen, die als Kraftfahrstraßen ausgewiesen sind, kommt Radwegen dagegen keine Entflechtungsfunktion zu. Auf diesen Straßen gehört der Radverkehr nicht zu den zugelassenen Verkehrsarten. Gleichwohl weisen Brückenbauwerke im Zuge von Bundesautobahnen und Bundesstraßen, die als Kraftfahrstraßen ausgewiesen sind, insbesondere an Wasserstraßenkreuzungen in einem urbanen Umfeld Potenzial für die Steigerung des Anteils des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen auf, da durch den Bau von Radwegen auf diesen Brückenbauwerken bestehende Radverkehrsinfrastrukturen miteinander verbunden und dadurch Lückenschlüsse erzielt werden können. Um dieses Potenzial zu nutzen, soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, wonach Betriebswege im Zuge von für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmten Bundesfernstraßen bedarfsabhängig so zu bauen und zu unter-halten sind, dass auf diesen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.
Natürlich wurde der Radverkehr in Vollkommenheit „entflochten“, wenn man ihn einfach komplett von der Nutzung und somit dem Gemeingebrauch einer neuen oder zu einer Kraftfahrstraße umgebauten Bundesfernstraße ausgeschlossen hat. Primär bleiben diese „Betriebswege“ ja: Betriebswege. Formell wird der Radverkehr auf diesen nur geduldet sein. Die Einschränkung einer „Bedarfsabhängigkeit“ wird darüber hinaus in der Praxis dazu führen, dass auch im Zuge von längeren Talbrücken (wie z. B. der Hochmoselbrücke im Zuge der B 50) oder vor allem auch (von der Regelung bewusst ausgenommenen) Tunnelbauwerken auf dem hügeligeren Land eher keine Notwendigkeit gesehen werden wird, Radverkehr auf diesen „Betriebswegen“ vorzusehen. In der Drucksache verweist man auch mehrmals auf Brückenbauwerke über Flüsse in Ballungszentren.
Im Abschnitt F des Entwurfs rechnet der Bund damit, dass etwa drei Brückenbauwerke pro Jahr von der Neuregelung betroffen seien:
Die Kalkulation des Erfüllungsaufwands beruht auf der Annahme, dass sich von den durchschnittlich drei Brückenbauwerken jährlich, welche beidseitig mit Betriebswegen ausgestattet werden, 2,5 Brückenbauwerke im Zuge von Bundesautobahnen und 0,5 Brückenbauwerke im Zuge von Bundesstraßen befinden.
Dem Gesetzgeber wäre es auch ohne Weiteres möglich, im FStrG eine eindeutige Rechtsgrundlage für Radwege an Kraftfahrstraßen und Autobahnen in der Baulast des Bundes zu verankern. Dies wird jedoch weiterhin vermieden. Es ist absurd, dass der Bund entlang wichtiger Fernstraßen wie der B 10 im Pfälzerwald oder auch der B 50 im Hunsrück nach dem Ausbau in eine Kraftfahrstraße die Zuständigkeit für den „Fern-Radverkehr“ gänzlich abstreitet und dieser (verdrängte) Radverkehr dann eben nur noch auf „Ersatzwegen“ (im Sinne des § 7); also überwiegend Gemeindestraßen, Verbindungs- oder Wirtschaftswegen unterwegs sein darf. Auf denen je nach Landesrecht überhaupt keine oder nur eingeschränkte Verkehrssicherungspflichten gelten.
Zuletzt gab es vom rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium eine Meldung zum weiteren Ausbau der B 10 bei Annweiler. Dort sieht eine Variante u. a. den Bau eines Basistunnels vor. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass ich dort irgendwann mal mit dem Rad auch durch den „Betriebstunnel“ fahren dürfte.
Siehe hierzu auch einen Artikel im Fahrradportal des Nationalen Radverkehrsplans.
Die Änderung an §3 ist trotz Zustimmung durch den Bundesrat so nie im Bundesfernstraßengesetz angekommen.
Wer auch immer hat nach der Bundesratsabstimmung den Entwurf für den Bundestag erneut verändert. Kein Wunder, der Bund hätte damit ja auch den Ländern am Ende etwas für ihren Radverkehr bezahlen müssen.
Danke für den Hinweis. Werde mir wohl mal die BT-Drucksachen und -protokolle dazu durchlesen müssen.