Ein absolut sinnloses Unterfangen?

Diese Frage stelle ich mir – mein radverkehrspolitisches Engagement betreffend – bekanntlich nicht zum ersten Mal. Nachdem mir das BMVI vergangene Woche in Sachen B 10 den Stinkefinger gezeigt hatte, war meine Motivation so ziemlich am absoluten Nullpunkt angelangt, weshalb ich beschloss, diesen Blog mindestens eine Woche ruhen zu lassen. Seit mehreren Jahren versuche ich, als Einzelkämpfer in einer völlig autoverrückten Provinz Verbesserungen für den Radverkehr zu erreichen, die andernorts inzwischen selbstverständlich sind. Auch wenn in dieser Zeit natürlich der ein oder andere, kleinere oder auch größere Erfolg dabei heraussprang – ich hatte nie das Gefühl, auf Verwaltungsseite irgendwelche grundlegenden Fortschritte zu erkennen.

Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

Immer noch wird vor allem von Seiten der Behörden und deren politischer Führung die Arbeit verweigert; es wird geschwiegen, gemauert, blockiert, verzögert, ignoriert, abgewimmelt, behindert, ausgegrenzt, abgeschreckt. So ziemlich alle Behörden, mit denen ich zu tun habe, sind verkrustete Apparate, deren Funktionsträger nur das Auto im Kopf haben; man kennt die Welt nur durch die Windschutzscheibenperspektive, verweigert sich jeglicher Progression in Richtung einer verkehrspolitischen Moderne und handelt stur nach dem Beamtendreisatz:

Das haben wir schon immer so gemacht.
Das können wir nicht anders machen.
Da könnte ja jeder kommen.

Ein behördliches Handeln, welches primär darauf ausgerichtet ist, alle Verkehrsarten gleichermaßen und gleichberechtigt zu berücksichtigen – ist offensichtlich eine Utopie! Was erlebe ich stattdessen? Ich lebe in einer Stadt, die seit Jahrzehnten das exzessive Gehwegparken duldet und sich weiterhin beharrlich weigert, den Radverkehr betreffend auch nur die absoluten Basisgrundlagen zu gewährleisten. Ich erlebe mit dem LBM eine Straßenbaubehörde, die unter Mobilität nur Kraftfahrzeugverkehr versteht, jegliche Hinweise und Einwände ignoriert, die meint, sie sei nicht an das LTranspG gebunden und die mich mit horrenden Gebührenforderungen davon abhalten will, tiefer zu graben.

Und dann sind da noch unzählige andere Straßenverkehrsbehörden wie z. B. die des Kreises Südwestpfalz, die nicht weiß, wie man kommuniziert, für die einfachsten Dinge Monate und Jahre benötigt – und darüber hinaus auch noch gute Beziehungen zu ADFC-Mitgliedern pflegt, die sich für die Aufrechterhaltung der Sperrung der B 10 für den Radverkehr aussprechen. Auch andere Behörden muss man leider immer wieder förmlich zum Jagen tragen. Von der teils absurden Unfähigkeit und Ahnungslosigkeit einiger Amtsträger mal ganz abgesehen.

Einzelkämpfer

Doch das ist für mich noch nicht einmal das Schlimmste. Es ist diese Isolation vor allem im eigenen Lager, die mich regelmäßig verzweifeln lässt. Und das, obwohl ich eigentlich schon immer ein „einsamer Wolf“ war. Es frustriert trotzdem, ständig das Gefühl vermittelt zu bekommen, der einzige auf weiter Flur zu sein, dem das Thema Radverkehr vor allem in rechtlicher Sicht nicht gänzlich am blanken Hintern vorbeigeht. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, in einer dünn besiedelten Gegend mit bestenfalls einem Prozent Radverkehrsanteil Gleichgesinnte zu finden, für die das Rad nicht nur ein Spielzeug für die Freizeit ist, welches man hin und wieder in den Kofferraum schmeißt oder an den Heckträger schraubt. Leute zu finden, für die die Gleichung eben nicht „Rad braucht Radweg“ heißt, ist quasi aussichtslos. Okay, über den ADFC hatte ich mich ja vor geraumer Zeit bereits ausführlicher ausgelassen.

Nein, selbst bundesweit gibt es scheinbar nur sehr wenige Leute, die an den rechtlichen Hintergründen zum Thema Radverkehr interessiert sind? Mir ist ebenfalls klar, dass ich als ehemaliger Finanzanwärter „vorgeschädigt“ bin; mir das Lesen und Interpretieren von Gesetzen, Urteilen und Verwaltungsvorschriften leichter fällt, als dem Durchschnitt. Und ich verstehe auch, dass das ein oder andere Thema eher exotischer und unbedeutender erscheinen mag. Ist das, was ich schreibe wirklich so uninteressant? Oder schaffe ich es nicht, die Sachverhalte auch für Laien verständlich zu formulieren? Ist es zu viel? Zu wenig?

Skandalöse Normalität

Warum kann oder will trotz allem niemand die bundespolitische Tragweite der Problematik erkennen, die ich seit nun über drei Jahren intensiv beackere: Die Aussperrung des Radverkehrs vom öffentlichen Straßennetz und Verbannung auf minderwertige Wege? Warum hatte ich in der IBC, im tour-Forum, im Verkehrsportal und im Radverkehrsforum stets das Gefühl, dass das Thema schlicht keinen interessiert? Mir geht es (um das klarzustellen) in erster Linie auch gar nicht um die B 10 selbst – diese ist nur das Exempel; an der B 50 im Hunsrück soll es bspw. ja bald ähnlich laufen. Es gibt in Deutschland sicher noch hunderte solcher Fälle, nicht nur an Bundesstraßen. Wenn ich das Geld hätte oder wenn ein Verlag mich bezahlen würde – dann würde ich einfach mal durch Deutschland radeln und noch viel mehr solcher Beispiele aufgreifen und dazu nachforschen. Doch: das interessiert halt einfach niemanden.

Weil trotz all der allgegenwärtigen Verkehrswende-Ideologie (der ich als „Landei“ auch daher noch nie wirklich etwas abgewinnen konnte) den hauptsächlich in Großstädten lebenden, radverkehrspolitisch nennenswert interessierten Leuten eben jene Verkehrswende auf dem Land dann doch völlig egal ist? Weil man sich als Großstädter selber nicht vorstellen kann, dass es auch auf dem Land Leute gibt, die kein Auto haben und ihre Wege auf dem Rad zurücklegen müssen? Und dass auf dem Land die alternative Parallelstraße eben nicht 100 m Umweg bedeutet, sondern > 10 km? Und überhaupt: Welcher Radfahrer fährt denn schon auf Landstraßen; vor allem, wenn die keine „Radwege“ haben? Das ist doch bekanntlich nur was für suizidale Irre!

Twitter killed the Blogger Star

Warum wird sich bei Twitter jeden Tag über jeden noch so unnötigen, unwichtigen, alltäglichen Scheiß – wie z. B. zugeparkte Radwege – jedes Mal, immer und immer wieder künstlich aufgeregt? Ja, meine Güte – das gehört halt dazu; das ist bei Radwegen kein bug, sondern ein feature. Wer Radwege fordert, muss damit leben. Hört auf, rumzuheulen. Trotzdem lesen das jedes Mal hunderte oder tausende von Leuten. Ich hingegen kann über 3.000 oder 4.000 Seitenaufrufe im Monat heilfroh sein.

Ich halte Twitter (nicht nur wegen dessen Geschäftsmodell) ja eh für eine Pest; die Diskussionskultur in diesem Land war bekanntlich noch nie auf einem besonders hohen Level angesiedelt; wo jede Diskussion umgehend in endloses ad hominem oder ad personam abdriftet. Gefördert wird jene Kultur durch sich im Kern endlos widerholende, kurze, prägnante, alles zuspitzende und vereinfachende „Tweets“ definitiv nicht. Im Gegenteil – in den vergangenen Jahren starben sehr viele Blogs von radverkehrspolitisch tätigen Menschen, denen ich im Wesentlichen verdanke, dass ich überhaupt selbst einen eigenen Blog gestartet habe. Doch die meisten dieser Blogger findet man inzwischen fast nur noch bei Twitter. Wo sie auch meist nur noch in kurzen, leicht verdaulichen Häppchen herumzwitschern. Wenn man den Blog noch nicht abgeschaltet hat, wird er äußerst stiefmütterlich behandelt. Überhaupt: Wer ließt denn heute noch längere Texte? Und mit „länger“ meine ich nicht einmal Texte mit 1000 Wörtern aufwärts. Schließlich leben wir doch – auch Dank Twitter – in der totalen tl;dr-Epoche.

Arbeit ≠ Arbeit

Ich stecke in diese Sache unheimlich viel Energie, Nerven, Arbeit und Zeit. Dies auch noch unter alles andere als optimalen persönlichen Umständen; das wird in vielerlei Hinsicht von mir persönlich teuer erkauft. Leider ist in unserer turbokapitalistischen Welt aber „Arbeit“ bekanntlich nur dann etwas wert, wenn jene in Form eines Lohnarbeitsverhältnisses daherkommt – oder wenn man ein Experte im Selbstvermarkten ist.

Und auch wenn mir ein gewisser, hier gelegentlich Kommentierender dies inbrünstig missgönnt: Ja, es wäre mein Traum, in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft in irgendeiner Weise beruflich in diesem Bereich ein Bein auf den Boden zu bekommen; in welcher Form auch immer. Dass es mir als gescheitertem Finanzbeamten-Anwärter in beruflicher Hinsicht nicht gerade prächtig geht, ist denke ich auch kein Geheimnis; wenn ich die Kohle hätte, hätte ich diverse Behörden schon mit Klagen förmlich zugeschissen. Aber dazu fehlt mir halt das „Kleingeld“. Die Zahl derer, die mein Engagement in der Weise honorierten, indem sie mir eine Kleinigkeit spendeten, liegt übrigens derzeit bei zwei Personen.

Undank ist der Welten Lohn

Die letzten drei Jahre bestätigen auch eine frustrierende Erfahrung, die ich in meinem Leben immer wieder machen musste: Sich für andere einsetzen – lohnt sich nicht. Das gilt insb. auch für das Desinteresse, welches mir meine Rennradkollegen zuteil werden lassen. Ich mühe mich ab, damit jene Radwege stets missachtenden Kollegen keine im Schadensfall sehr kostspieligen Ordnungswidrigkeiten mehr begehen müssen. Und ernte hierzu bis heute: Null Reaktionen. Von allen Radsportclubs aus der Region, die ich in den vergangenen Jahren angeschrieben habe, reagierte (von einem abgesehen) kein einziger auf meine e-mail oder meinen Blog. Ein Versuch einer Konversation mit dem BDR war übrigens letzen Endes auch nur Zeitverschwendung. Auch in einem Mountainbikeforum halten sich die Reaktionen auf von mir bewirkte Verbesserungen wie z. B. die Legalisierung von Waldwegen stets in sehr starken Grenzen.

Was mir nun erneut das Herz brach: Selbst unter dem B-10-Artikel über den Stinkefinger des BMVI findet man auch nach einer Woche Blog-Pause keine auf die Stellungnahme des BMVI Bezug nehmende Kommentare. Warum sollte man sich zu so einer Ungeheuerlichkeit auch nur im Geringsten solidarisch zeigen – und zwar in der Weise, sich mittels Kommentar wenigstens ein klein wenig zu empören? Zeigen wir doch dem (eifrig mitlesenden!) LBM durch ausbleibende Reaktionen einmal mehr, dass dieser Blogger hier ein einsamer Spinner ist, der absurde Sachen fordert, die den meisten Radfahrern meilenweit am Arsch vorbeigehen.

Wieso, Weshalb, Warum?

Also – wofür oder für wen mach ich das Ganze hier überhaupt? Dass das hier eine Sisyphus-Aufgabe werden würde, war mir von Anfang an klar. Aber dass ich selbst nach drei Jahren im Kern immer noch völlig allein, ohne ausreichende finanzielle Mittel, ignoriert von der Lokalpolitik, der Presse und anderen Radfahrern gegen übermächtige Gegner antreten muss!? Das hätte ich mir – und ich muss mich schon mein ganzes Leben gegen den Vorwurf stemmen, ein Pessimist zu sein – nicht vorstellen können.

Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.

Ich werde mein Engagement in der nächsten Zeit auf jeden Fall zurückfahren und habe mir auch eine Frist gesetzt, bis zu deren Ablauf ich mich entscheiden werde, ob ich das Thema „Radverkehrspolitik in der pfälzischen Provinz“ endgültig abhaken werde. Dann kann ich mir immerhin sagen, dass ich es wenigstens versucht habe.

3 Gedanken zu „Ein absolut sinnloses Unterfangen?“

  1. Hallo Dennis,

    da du ja explizit Kommentare vermisst, wollte ich dir wenigstens hier einen hinterlassen. Ich lese dein Blog erst seit ein paar Monaten, auch tatsächlich die meisten Artikel vollständig, und finde es sehr interessant, sowohl vom Thema als auch von der Region her. Ich kenne viele der Wege in PS, KL, SÜW, GER aus eigener Erfahrung.

    Es ist doch toll, dass du überhaupt so viele Korrekturen erreicht hast, wie man in https://www.ps-radler.de/?page_id=476 sieht.
    Mich hast du damit auch persönlich motiviert, ein paar andere vielleicht auch. Steter Tropfen höhlt den Stein, wie auch die von Norbert genannten Leserbriefe.

    Ein anderer Punkt ist die Fragmentierung der Gruppe der Radfahrer (ADFC, Radsportclub, Mountainbiker, Pendler, gar nicht Interessierte, …) Viele sind halt nicht so interessiert wie wir oder haben ganz andere Ziele. Trotzdem kannst du nicht alles über einen Kamm scheren. Es gibt sicher auch im ADFC andere Sichtweisen. Ich selbst fahre auch fast nur Rennrad, aber nicht im Verein und zum allergrößten Teil auf Radwegen, von denen es ja tatsächlich auch viele gute gibt (in der Südpfalz).

    Nebenbei: Außer dass sich manche Mitarbeiter kleinerer Verwaltungen fachlich nur wenig auskennen, finde ich es v.a. bedenklich, dass die StVO so bewusst ignoriert wird, wie z.B. bei mit Verkehrszeichen 250 gesperrten Radwegen („ignoriert doch eh jeder und kann auch weiterhin so bleiben“), auch wenn das nur eine Kleinigkeit ist. Während sich dann bei der Benutzungspflicht aber jeder streng daran zu halten hat (siehe Polizeiberichte).

    Von daher von mir aus gerne weiter so, und danke!

    Viele Grüße
    Florian

    1. Hallo Florian, Danke für dein Feedback.

      Wenn ich andere dazu motiviere, freut mich das. Aber freuen kann ich mich halt auch nur, wenn man mir das mitteilt. Wie in meinem Beitrag ausgeführt, bin ich der Ansicht, dass man sicherlich mehr erreichen könnte, wenn man sich zusammentut.

      Natürlich; den meisten Leuten ist die rechtliche Komponente egal; das galt für mich früher auch. Ich schere aber auch nicht alles über einen Kamm; dass es im ADFC auch ein paar vernünftige Leute gibt, weiß ich. 😉 Aber die fühlen sich von meiner Kritik auch sicherlich nicht angesprochen; die stimmen mir ja insgeheim auch zu. Den ADFC als Organisation kann ich aus den von mir im verlinkten Beitrag genannten Gründen derzeit einfach nur ablehnen. Wer benutzungspflichtige Wegelchen oder sonstigen kontraproduktiven „Infrastruktur“-Käse fordert – und mich auch sonst überhaupt nicht unterstützt, muss halt mit meinem Groll leben.

      Und ja, natürlich ist das mit der Ignoranz in Sachen Z 250 und andererseits Verweisen auf die Missachtung von Benutzungspflichten schon verlogen. Das liegt aber halt auch daran, dass die Z-250-Wege ja in aller Regel für den Kfz-Verkehr vollkommen unattraktiv sind. Und vor allem behindern die Radfahrer dann ja auch nicht den „richtigen“ Verkehr – also ist das allen egal. Heute war ich übrigens wieder mal zwischen Hornbach und Mauschbach unterwegs. Da waren es „nur“ 7 Autofahrer, die den Feldweg verbotenerweise benutzten. Die PI Zweibrücken hat dort m. W. noch kein einziges Mal kontrolliert – und hat das (wenn ich die Antwort auf meine e-mail richtig deute) wohl auch weiterhin nicht vor. 🙄

      1. Du müsstest mal den Feldweg am südöstlichen Ortsrand von Offenbach/Queich sehen oder befahren. Im Berufsverkehr kommt man da manchmal kaum durch vor lauter Kfz-Verkehr und -Gegenverkehr. Es gilt Z 250 mit „Anlieger frei“ und die Polizei kontrolliert auch nur in Ausnahmefällen mal. (Ich bekomme das kaum mit und kenne nur einen Fall aus der Berichterstattung.) In Offenbach ist gefühlt seit Jahren die Ortsdurchfahrt gesperrt und die Umfahrung über den Anlieger- bzw. Feldfeld Böhlweg/Brühlfahrt wird immer beliebter.

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