Corona sticht Benutzungspflicht?

Atzel eingesperrt

Im Netz wird hier und da schon gemutmaßt, inwieweit sich die in 16 Bundesländern und vermutlich auch noch unzähligen Kreisen und Städten erlassenen (und m. E. allesamt rechts- und grundgesetzwidrigen) Verordnungen und Allgemeinverfügungen eigentlich auf Radweg-Benutzungspflichten auswirken? Ich würde behaupten, dass man derzeit insbesondere bei sehr schmalen Geh- und Radwegen Gemeinsamer Geh- und Radweg (unter 2 Meter) zusätzliche Argumente hat, jene zu missachten. Weil sich durch die erlassenen „Abstandspflichten“ bzw. „Kontaktverbote“ entweder eine Unzumutbarkeit oder sogar eine Nichtigkeit ergibt.

Die Sätze 1 und 2 des § 4 (1) der gegenwärtig gültigen 3. CoBeLVO (pdf) des Landes Rheinland-Pfalz lauten:

Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine oder mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person und im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands zulässig. Zu anderen als den in Satz 1 genannten Personen ist in der Öffentlichkeit, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. (…)

Nun könnte man sicher darüber streiten, ob eben ein zu schmaler Geh- und Radweg eine „Unmöglichkeit“ begründet, die 1,5 Meter Abstand einzuhalten. Man kann sich ja schließlich nicht in Luft auflösen; insb. wenn man auf einem schmalen Wegelchen auch noch physisch durch Leitplanken und Zäune förmlich eingepfercht wird, wie das bspw. auf der Landstuhler Atzel der Fall ist (Beitragsbild).

Der § 12 der Verordnung verweist allgemein auf die Straf- und Bußgeldvorschriften im 15. Abschnitt des IfSG. Meines Wissens hat das Land Rheinland-Pfalz im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen noch keinen „Corona-Bußgeldkatalog“ erlassen. Aber ein Verstoß gegen die „Abstandspflicht“ würde auch in Rheinland-Pfalz mit Sicherheit als eine Ordnungswidrigkeit betrachtet.

Und da gibt es ja dann den § 44 (2) Nr. 5 VwVfG:

Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;

Ich würde es also derzeit so sehen, dass einem vor allem aus Rücksichtnahme gegenüber den Fußgängern, als auch anderen Radfahrern kein Strick gedreht werden kann, wenn man blaue Schilder missachtet, die einen auf Wege führen, auf denen man den geforderten Mindestabstand von vornherein nicht einhalten kann. Andernfalls müsste man ja ggf. streng nach Vorschrift über zig oder hunderte von Metern hinter Fußgängern oder anderen Radfahrern herfahren. Was ich definitiv als unzumutbar betrachten würde.

Ich weise vorsichtshalber darauf hin, dass es sich hier lediglich um meine ganz eigene (diskussionswürdige) Meinung handelt. 😉

12 Gedanken zu „Corona sticht Benutzungspflicht?“

    1. Du meinst also, dass alle Abstandsregelungen im öffentlichen Verkehrsraum nicht gelten? Das wäre natürlich auch ein interessanter Ansatz. 😉 Die Verordnungen und Allgemeinverfügungen stützen sich ja allerdings auf Bundesrecht (IfSG).

        1. Und…!? Es geht hier doch gar nicht um eine „Landesverordnung zum Straßenverkehrsrecht“, sondern zum „Infektionsschutz“ u. a. durch Mindestabstände. Landesbehörden vollziehen hier – genauso wie beim Straßenverkehr – Bundesrecht.

          1. Ich glaube nicht, dass eine Verordnung auf Grundlage des Infektionsschutzes durch ein Land Regelungen des straßenverkehrsrechtlichen Bundesrechts (hier StVO) aufheben kann. Sonst dürften rheinland-pfälzische Landrätinnen auch alles mögliche machen, was sie wollen.

          2. Hm. Irgendwie habe ich das Gefühl, du verstehst meinen Blogartikel vorsätzlich falsch. Wo steht hier irgendwas von der „Aufhebung straßenverkehrsrechtlicher Regelungen“? Es geht hier ums Verfahrensrecht. Weil ein Verwaltungsakt (Z 240) einen dazu auffordert, (u. U.) eine Ordnungswidrigkeit (Mindestabstand) zu begehen. Nicht mehr, und nicht weniger. 🙄

            Sonst dürften rheinland-pfälzische Landrätinnen auch alles mögliche machen, was sie wollen.

            Den Beitrag zur Ausgangssperre hast du aber schon gelesen, oder…? Landrätinnen machen derzeit, was sie wollen.

  1. Ja eben, die bundesrechtliche Benutzungspflicht kann nicht durch eine landesrechtliche Verordnung auf Grundlage eines anderen Rechtsgebietes aufgehoben werden. Genau dieser Zusammenhang schränkt Landrätinnen darin ein, was sie dürfen und was nicht.

    Wenn, dann kann allerhöchstens die Polizei nach § 44 Abs. 2 StVO die durch eine Verfügung aufheben, wobei ich auch da meine Zweifel hätte. Da aber die Behörden durch Abschaffung des Publikumsverkehrs weiterhin handelungsfähig sind (oder nicht handlungsunfähiger sind als sonst), wären deise nach § 44 Abs. 1 StVO gefragt. Aufgrund des Wegfalls der qualifizierten Gefahrenlage und in Abwägung der nötigen Abstände, könnten die die Benutzungspflicht temporär aufheben und anordnen. Der Vollzug würde durch Eintüten der Schilder o. ä. erfolgen.

  2. Mein Kommentag wird jetzt vielleicht nicht auf Gegenliebe treffen, doch an Stellen, wo Autofahrer Radfahrer auf der Straße nicht überholen dürfen, fordern wir als Radfahrer, dass dann der Autofahrer wartet und erst überholt, wenn dies gefahrlos und unter Einhaltung des Abstands möglich ist.

    Wenn also ein Radfahrer auf einem Rad- und Gehweg nicht überholen kann, weil es zu eng ist, muss er warten …

    1. Nein. VwV zu Zeichen 240 StVO, Rn. 1:

      Die Anordnung dieses Zeichens kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar und mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs vereinbar ist und die Beschaffenheit der Verkehrsfläche den Anforderungen des Radverkehrs genügt.

      Wenn ich auf so einem Ding nicht (sicher oder legal) Fußgänger überholen kann, ist er unzumutbar oder sogar unbenutzbar, denn dann ist die „Leichtigkeit“ nicht mehr gegeben. Ob Autofahrer überholen können oder nicht, spielt übrigens absolut nie eine Rolle. Denn dafür werden Radwege ja (angeblich) nicht gebaut, sondern nur wegen der „Sicherheit“.

      Ich verlange übrigens von keinem Autofahrer, dass er ewig hinter mir herfährt; solange er einen angemessenen Abstand hält, kann er von mir aus auch gegen durchgezogene Linien usw. verstoßen; so, wie das in der Praxis jeden Tag zig oder hunderte Male vorkommt.

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