In den inzwischen zahlreichen Dokumentationen diverser Wegelchen habe ich mich hier und da in ketzerischer Weise geäußert, wonach meines Erachtens sehr viele Wegelchen gar nicht legal erreichbar sind, weil in Rheinland-Pfalz vor allem außerorts nahezu alles mit durchgezogenen Fahrbahnbegrenzungslinien zugekleistert wird. Und das lückenlos! Nur sind diese Striche am Fahrbahnrand rechtlich gesehen nicht einfach nur ein Beitrag zur Verkehrssicherheit, um im Dunkeln den Fahrbahnverlauf besser erkennen zu können. Diese durchgehenden Striche entsprechen dem Verkehrszeichen 295 der StVO. Die allerdings von den zuständigen Straßenverkehrsbehörden wohl nie förmlich angeordnet werden. Durch die wohl bald im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werdende StVO-Novelle stehen einige Neuerungen an – die aber am grundsätzlichen „Problem“ nichts ändern werden.
Aus dem Antrag Nr. 28 der Beschluss-Drucksache ergibt sich (ohne Gewähr) der zukünftige (radverkehrsrelevante) Wortlaut der laufenden Nummer 68 der Anlage 2 zur StVO:
Spalte 2
Fahrstreifenbegrenzung
und Fahrbahnbegrenzung, Begrenzung von Fahrbahnen und Sonderwegen
Spalte 3
Ge- oder Verbot
1. a) Wer ein Fahrzeug führt, darf die durchgehende Linie auch nicht teilweise überfahren.
1. b) Trennt die durchgehende Linie den
FahrbahnteilTeil der Fahrbahn oder des Sonderweges für den Gegenverkehr ab, ist rechts von ihr zu fahren.(…)
3. b) Grenzt sie einen Sonderweg ab, darf sie nur überfahren werden, wenn dahinter anders nicht erreichbare Parkstände angelegt sind oder sich Grundstückszufahrten befinden und das Benutzen von Sonderwegen weder gefährdet noch behindert wird.
3. c) Die
FahrbahnbegrenzungslinieLinie zur Begrenzung
von Fahrbahnen oder Sonderwegen darf überfahren werden, wenn sich dahinter eine nicht anders erreichbare Grundstückszufahrt befindet.Erläuterung
(…)
2. Als Fahrbahnbegrenzung kann die durchgehende Linie auch einen Seitenstreifen oder Sonderweg abgrenzen.
3. Als Begrenzung eines Sonderwegs kennzeichnet sie den Verlauf des für den Radverkehr bestimmten Teils des Sonderweges.
Begründung
Der Anwendungsbereich des Zeichens 295 soll auch die Kennzeichnung des Verlaufs von Sonderwegen umfassen. Dies ist insbesondere für Bereiche außerhalb geschlossener Ortschaften, in denen Sonderwege in der Regel ohne eigene Straßenbeleuchtung geführt werden, zweckmäßig. Neue Verbote für die Zufahrt zu land- und forstwirtschaftlichen Flächen sind mit Aufbringen der Kennzeichnung nicht verbunden, weil das Überfahren der Kennzeichnung für alle Arten von Grundstückszufahrten und somit zum Beispiel auch für Feldzufahrten erlaubt ist. Auch für überbreite land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ergeben sich beim Befahren entsprechender Sonderwege insoweit keine Einschränkungen, wenn sie sich auf solchen nicht innerhalb der Begrenzungslinien bewegen können, da insoweit nur der Verlauf des für den Radverkehr bestimmten Teils gekennzeichnet wird (vergleiche Erläuterung) und sie insoweit nicht Adressat der Begrenzung sind.
Die Änderung ist geeignet, allgemein die Verkehrssicherheit und speziell die Verkehrsführung des Radverkehrs zu verbessern und ist bereits in den Empfehlungen für die Anlage von Radverkehrsanlagen, laufende Nummern 9.2.2 und 11.1.11, angesprochen.
Legal nicht erreichbare Sonderwege
Mich wundert, dass den Juristen angesichts der Erweiterung des Anwendungsbereiches von Zeichen 295 auf Sonderwege nicht aufgefallen ist, dass Sonderwege gemäß Nr. 1 a) und Nr. 3 c) mit dem Rad auch weiterhin nicht legal erreichbar sind, wenn man hierzu eine vorhandene Fahrbahnbegrenzungslinie überfahren muss. Was man ausdrücklich nur darf, um „nicht anders erreichbare Grundstückszufahrten“ zu erreichen.
Es ist sogar so, dass man auch von einem mit einer neuen „Sonderweg-Begrenzungslinie“ markierten Weg nicht mehr runter darf, wenn diese Linien bspw. an einmündenden Feldwegen nicht unterbrochen werden. Auch von einem Sonderweg zurück auf die Fahrbahn ist über ein Zeichen 295 eigentlich nicht ausdrücklich erlaubt. Man könnte es wohl höchstens indirekt aus dem § 10 S. 1 StVO ableiten:
Wer (…) von anderen Straßenteilen (…) hinweg auf die Fahrbahn einfahren (…) will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; (…).
Besonders lustig ist übrigens die (mich nicht wirklich überzeugende) Ausnahme für „überbreite land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge“ in der Begründung. Nicht selten sind ja derartige Sonder- oder Wirtschaftswege für L+F-Verkehr freigegeben. Und da jene Wegelchen eben sehr gerne sehr schmal sind, muss hier und da eben mit breiteren Fahrzeugen wie Traktoren oder Holz-Transportern auch der Wegesrand (die Bankette) in Anspruch genommen werden. Und die Radfahrer, die das Pech haben, dort gerade unterwegs zu sein, sollen sich dann wohl weiterhin einfach in Luft auflösen? Über die neue Sonderwegbegrenzungslinie dürfen sie ja ausdrücklich nicht mehr aufs Grün ausweichen.
Auch hier kann ich die Inkonsequenz nicht nachvollziehen, warum man in Deutschland (im Gegensatz zu Frankreich) auch weiterhin keine gestrichelten (Zeichen 340) Fahrbahnbegrenzungslinien einführen will? Ich hatte auf meiner heutigen Runde für ein paar Extra-Kilometer (um die 100 km vollzukriegen) das allererste Mal einen Abstecher ins Neuhöfer Tal (Asphalt-Sackgasse) bei Trippstadt gemacht. Auch auf diesem teils sehr schmalen Kreissträßchen (K 51) waren durchgezogene Fahrbahnbegrenzungslinien aufgebracht. Witzigerweise waren die (rege benutzten) Bankette direkt daneben jedoch mit Schotter befestigt. Dabei darf man – streng nach laut Wortlaut der StVO – hier eben nicht über die Fahrbahnbegrenzungslinie fahren, um dem Gegenverkehr auszuweichen.
Warum muss man immer wieder derartige (praxisferne) Regeln aufstellen bzw. anwenden, an die sich eh keiner hält – weil die Missachtung ja offenkundig vom Verordnungsgeber und Baulastträger durch Befestigung der Bankette bereits mit einkalkuliert ist? Fahrbahnbegrenzungslinien sind lt. der VwV zu Zeichen 295 StVO noch nicht einmal ein absolutes Muss:
Außerhalb geschlossener Ortschaften ist auf Straßen zumindest bei starkem Kraftfahrzeugverkehr der Fahrbahnrand zu markieren.
Durchgezogene Mittellinien
Doch nicht nur durchgezogene Linien am Fahrbahnrand sind für Radfahrer regelmäßig ein Problem, sondern auch durchgezogene Mittellinien – wenn man auf einem einseitigen Zweirichtungswegelchen linksseitig (also in Gegenrichtung) unterwegs ist. So habe ich beispielsweise erst kürzlich in meinen Beiträgen zu den Planfeststellungsverfahren an der B 39 und B 48 angemerkt, dass die derzeit vorhandenen „Stummel“ gar nicht legal verlassen werden können, da hierzu vom Sonderweg aus auch noch zusätzlich eine durchgezogene Mittellinie überfahren werden muss.
In diesem Zusammenhang habe ich immer wieder auf den ehemals benutzungspflichtigen Sonderweg entlang der L 477 westlich von Thaleischweiler-Fröschen hingewiesen. Hier musste man über viele Jahre westwärts einen linksseitigen benutzen, an dessen Ende nicht nur die Fahrbahnbegrenzungslinie, sondern ebenfalls noch eine durchgezogene Mittellinie die Rückkehr auf die Fahrbahn untersagte. Das folgende Foto zeigt den Blick in Richtung Thaleischweiler; der vordere (sehr schmale) Teil ist mit
beschildert und führt in Richtung einer aberwitzigen Unterführung. In Richtung Thaleischweiler hing dort früher noch ein
.
Ebenfalls sei auf die absurde Neuanordnung eines linksseitigen zwischen Winzeln und Pirmasens hingewiesen. Auch dort war das linksseitige Wegelchen wegen einer durchgezogenen Mittellinie (+ Fahrbahnbegrenzungslinie) gar nicht legal erreichbar. Weshalb hier ein Fall einer Nichtigkeit nach § 44 (2) Nr. 5 VwVfG vorlag.
Mit einer solchen Nichtigkeit (auch nach Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4) kann man meiner Ansicht nach im Falle der Fälle final noch am Überzeugendsten argumentieren, wenn man vor durchgezogenen Linien strandet.
Mindestbreiten
Was man im Falle des Aufmalens von Begrenzungslinien auf Sonderwegen meines Erachtens ebenfalls nicht bedacht hat, ist, dass jene ca. 12 cm breiten Striche die (legal) nutzbare Breite des eh meist schon sehr schmalen Wegelchens natürlich auch dementsprechend deutlich verringert. Überfahren (auch nur mit dem Lenker) ist ja – gemäß Erläuterung und Begründung – nun strengstens verboten! Markiert man bspw. den Streifen 5 cm neben dem Rand, fehlen insgesamt 2 * (5 + 12) = 34 cm Breite. Aus einem üblicherweise 2 m schmalen Wegelchen wird damit de facto ein nur noch 1,66 m schmales Wegelchen.
Über die orwell’schen Sicherheitsräume hatte ich mich bereits vor einiger Zeit ausführlicher ausgelassen. So seien ja ominöse „seitliche Sicherheitsräume“ der Breite des befestigten Weges stets zuzurechnen. Wie z. B. beim schmalen Handtuch auf der Atzel bei Landstuhl.
Meiner Ansicht nach entfällt durch das Auftragen von derartigen Sonderwegbegrenzungslinien jegliche behördliche Ausflucht, auf eben jene „seitlichen Sicherheitsräume“ zu verweisen, denn man darf diese „Sicherheitsräume“ nun auch ausdrücklich nicht mehr nutzen (bspw. bei Gegenverkehr oder Fußgängern). Was zu einer Unbenutzbar- oder Unzumutbarkeit führt.
In den ERA 2010 (auf die in der Begründung verwiesen wird) wird in Bild 73 (S. 69) dargestellt, wie das mit den Begrenzungslinien aussehen soll. Interessanterweise sehen die ERA 2010 aber auch keinen Grund, die bauliche Breite des Weges entsprechend zu vergrößern.
Die gestrichelte Ausführung dürfte nach den RMS zulässig und machbar sein. Der VzKat verweist ja darauf. Meines Wissens nach sollen die zudem in absehbarer Zeit aktualisiert/Überarbeitet werden.