Irgendwie hätte ich mir das zeitgeschichtliche Umfeld, in welchem ich meinen sage und schreibe eintausendsten Blogbeitrag veröffentlichen würde, etwas anders vorgestellt. Da bloggt man nun schon rund drei Jahre fast ausschließlich über das Thema Radverkehr (und ein klein wenig auch zum Thema Bahn) in der Provinz, weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, so vor sich hin – und dann kommt Corona. Mein desillusioniertes politisches Bewusstsein erwacht nach vielen Jahren wieder zu neuem Leben – und der Blog wird zum lebensnotwendigen Ventil, um meinen Weltschmerz verarbeiten zu können. Mit den zunehmenden, gesellschaftskritischen Beiträgen zu dieser Thematik habe ich in den vergangenen Wochen im Schnitt mehr als das 2- bis 3-fache an Seitenaufrufen generiert. In den letzten vier Wochen waren es bspw. über 6.500 registrierte Zugriffe.
Dies empfinde ich trotzdem als bedauerlich. Denn während ich in meinen „brandgefährlichen“ Beiträgen über Corona weitestgehend nur meiner Gefühlswelt und meinem Zorn freien Lauf lasse, steckt hinter sehr vielen Blogbeiträgen zum Thema Radverkehr ein gewaltiges Maß an Arbeit. Deren Resultate – und ich habe dies in der Vergangenheit mehrfach angesprochen bzw. beklagt – leider nicht in der Weise mit Aufmerksamkeit oder Wertschätzung gewürdigt werden, wie ich mir dies wünschen würde. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass sich (mit allem drum und dran) hinter jedem einzelnen Beitrag im Schnitt eine Arbeitszeit von ca. 3 Stunden verbirgt. Und dazu zähle ich auch die Fahrzeiten, die bspw. auch zur Anfertigung von Fotos notwendig sind. Und selbst da gebe ich mir stets Mühe, nicht einfach mal eben schnell etwas mit dem Weitwinkel einer Billigknipse anzufertigen.
Regelmäßig wühle ich mich teils stundenlang durch für den Laien eher unzumutbare Dokumente wie Gesetzesentwürfe, Planfeststellungsunterlagen, HBR-Regularien, behördliche Schriftsätze, Urteile, Normen und so weiter, um daraus Beiträge vor allem über die rechtliche Komponente des Straßen- und Straßenverkehrsrechts speziell im Bezug zum Thema Radverkehr zu schreiben, über die ich in anderen Blogs bislang wenig bis gar nichts gelesen habe. Dies natürlich immer anhand konkreter, mich selbst betreffender Sachverhalte – denn ich mach hier ja alles, nur keine Rechtsberatung. 😉
Nun ist es so, dass ich in den vergangenen Jahren nichts erreicht hätte. Im Gegenteil. Aber es ist überwiegend „Kleinkram“; die richtig dicken Brocken wie der bundesverkehrspolitische Skandal entlang der B 10, die Nichtberücksichtigung des Radverkehrs im Zuge von Umleitungen bei Vollsperrungen, die immer noch nicht legalisierten HBR-Routen oder auch allgemeine Fortschritte in Sachen Einbahnstraßenfreigaben, Legalisierung von Anliegerstraßen sowie Wald- und Feldwegen – da tut sich einfach viel zu wenig bis gar nichts. Und leider liegt das auch daran, dass mir über die Jahre sehr viele Behörden einen Q- bzw. I-Stempel verpasst haben.
Hinzu kommt die jahrelange Untätigkeit vieler Behörden in Sachen Aufhebung von Benutzungspflichten. Man ignoriert mich, so gut man kann. Wenn ich nicht immer und immer wieder nachhake, lassen die Leute in den Ämtern die Sachen einfach liegen.
Was ebenfalls sehr schmerzt, ist die Ausgrenzung im eigenen Lager der Radfahrer; insbesondere der Rennrad- und Mountainbike-Kollegen. So habe ich bis heute in der näheren Umgebung niemanden gefunden, der sich in ähnlicher Weise für das Thema interessieren würde. Wenn ich mich unterwegs immer wieder mal zufällig mit Radfahrerkollegen unterhalte und meinen Blog empfehle, kommt hinterher keine Rückmeldung. Und da lasse ich nicht die eher „ungewöhnliche“ Internetadresse gelten. Wer meinen Namen in eine x-beliebige Suchmaschine eingibt, landet sofort hier. Wenn ich dann doch mal persönlichen Kontakt zu welchen hatte, interessieren die sich letztlich auch nicht für meinen Blog und mein Tun. Hauptsache, ich helfe ihnen bei ihrem Problem vor der Haustür – und dann wird man vergessen.
Wenn es hier in der Provinz dann doch welche gibt, die in irgendeiner Weise aktiv sind, dann arbeiten diese auch noch aktiv gegen mich bzw. zeigen ganz offen, dass sie meine Außenseitermeinung – dass Radfahrer am sichersten auf der Fahrbahn unterwegs sind – nicht akzeptieren können oder wollen.
Dieser Jubiläumsbeitrag soll jetzt auch nicht in eine Publikumsbeschimpfung ausarten. 😉 Ich bedanke mich daher bei all denjenigen, die hier regelmäßig kommentieren, mir Hinweise geben oder mich auch hier und da mal auf sachlicher Ebene kritisieren bzw. mich korrigieren. Aber: obwohl ich schon sehr lange einen Spendenaufruf in der Seitenleiste stehen habe, hält sich die Zahl derer, die meine Arbeit auch in der Weise honorieren würden, mir einfach mal eine Kleinigkeit zu überweisen, in sehr starken Grenzen. Bis zum heutigen Tage fehlt auch jegliches Interesse daran, auf meinen Seiten Werbung zu schalten – selbst mein ehemaliger Radhändler nahm meine Anfrage diesbezüglich überhaupt nicht ernst. 🙁
Das finde ich angesichts dessen, wofür die Leute permanent ihr Geld aus dem Fenster schmeißen, auch menschlich für äußerst enttäuschend. Wie gesagt – da steckt eine gewaltige Menge Arbeit dahinter – und dass ich finanziell nicht auf Rosen gebettet bin, habe ich auch immer wieder mal durchblicken lassen. Auch die konkreten Bitten, mir besonders wichtige Themen bspw. auch mal in anderen Netzwerken zu verlinken (in denen ich – aus Gründen – selber nicht aktiv bin), wurden leider nur sehr selten erfüllt.
Die derzeitige weltpolitische Lage hat auch Auswirkungen auf mein eigenes Leben. Ich erkenne vor allem angesichts der immensen Bedrohung elementarer Grundfreiheiten, dass die Radverkehrspolitik eben eine „Schönwetter“-Veranstaltung ist. Ich bin auch froh, dass ich auf meiner Gesellschafts-Seite so einen „Disclaimer“ gesetzt hatte. So ist es auch kein Zufall, dass ich nach meinen Beobachtungen einer der ganz wenigen Blogger und Aktivisten in dieser Sphäre bin, der nicht dem gut situierten, grünen Bürgertum (IT-ler, Beamte, höhere Angestellte, Ingenieure etc.) entspringt, in einer (dreckigen, von Verkehrsproblemen geplagten) Großstadt lebt und sich um seine Zukunft keine Sorgen machen müsste. Für mich ist das Verkehrsmittel Rad nicht primär dazu da, mich vor allem auch aus Gründen der Distinktion für besonders alternativ, umweltfreundlich oder progressiv zu positionieren. Ich fahre einfach gerne Rad; schon mein ganzes Leben lang. Und ich fahre auch deshalb Rad, weil ich kein Geld für ein Auto (mehr) habe. Ich bin auch einer der wenigen Radverkehrsblogger, für den Autofahrer keine „Feinde“ sind, die man „bekehren“ oder die man auf Teufel komm raus einschränken müsse. Ich lebe auf dem Land und sehe aus der Perspektive anderer die strukturellen Notwendigkeiten, die oftmals keine andere Wahl zulassen. Trotzdem würde ich mich freuen, wenn ich mehr Leute davon überzeugen könnte, das Auto öfters mal stehen zu lassen. Und wenn, dann nicht auf dem Gehweg.
Die sozioökonomischen Folgen dieses Wahnsinns werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch mich, den kleinen Radverkehrsblogger aus Pirmasens, in absehbarer Zeit mit voller Härte treffen. Und dann wird er eben nicht mehr über das Thema Radverkehr, sondern vielleicht auch gar nicht mehr bloggen. Dass ich irgendwann den 2000. Beitrag feiern kann, halte ich derzeit leider für sehr unwahrscheinlich.
Letzten Endes hatte ich mit meinem Engagement auch die Perspektive verknüpft, mich eben mittelfristig in diesem Bereich selbständig zu machen. Doch leider zeigt auch der teils immense Widerstand in sehr vielen Behörden, dass es hierfür wohl einfach keinen „Markt“ gibt.
Hallo Dennis,
ich muss ein wenig Abbitte leisten. Wie oft habe ich die Augen verdreht, wenn du mal wieder einen Rant losgelassen hast, so nach dem Motto „Da regt er sich aber wieder ein bisschen künstlich auf!“.
Seit vier Wochen habe ich ein E-Bike, und auf einmal bin ich wieder beweglich (eine Arthrose in den Knien hatte meinen Radius für Fahrten mit dem Rad doch merklich beschränkt). Mit dem neuen Rad geht es wieder, auf einmal kann ich wieder „Lustfahrten“ machen auch in Gegenden rings um Kaiserslautern, wo ich sonst nicht hingekommen bin.
Und egal, in welche Richtung es geht — man kann sich ständig aufregen. Radwege mit beklagenswerter Oberflächenqualität (warum sind auch wichtige Wege nur geschottert oder einfache Erdwege?), unstetige Wegführung (wo’s eng wird, ist der Weg zu Ende), inkonsistente oder unvollständige Beschilderung, unmotivierte Hindernisse, du kennst die Leier und schreibst ja auch darüber. Glückwunsch übrigens zum 1000. Blogeintrag!
Und — ich komme auf die Abbitte zurück — an vielen Stellen kann ich deine Kritik jetzt nur zu gut nachvollziehen. Mach weiter, vielleicht haben LBM, Stadt- und Kreisverwaltungen und tutti quanti ja irgendwann ein Einsehen.