Einer der ersten benutzungspflichtigen Sonderwege, den ich im Rahmen meines Widerstands gegen blaue Schilder bei der zuständigen Kreisverwaltung Kaiserslautern bemängelt habe, ist jener entlang der L 363 im Queidersbachtal; dem „Tal der Blauen Schilder„, in welchem man fast durchgängig von der Fahrbahn verbannt wird. Damals habe ich auf der Webseite des Kreises nur nach der e-mail-Adresse der zuständigen Behörde gesucht. Als ich zuletzt wieder vorbeisurfte, fiel mir dann auch auf, dass die Webseite durchaus auch interessante Inhalte zu bieten hat. Etwas erschreckend verlief das Querlesen des umfangreichen „Leitfadens für den Alltagsradverkehr“, Stand März 2013.
Was mir damals auch nicht auffiel: man kann mangelhafte Radwege auch mittels „Mängelbogen“ melden. Ich hab davon Gebrauch gemacht und einmal mehr die benutzungspflichtige Beschilderung der hier ausführlich dokumentierten Radwege im Queidersbachtal beanstandet! Es würde mich aber wundern, wenn man das Thema wirklich noch einmal ergebnisoffen aufgreifen würde. Gerade wegen der Art und Weise, wie die Straßenverkehrsbehörde an der verpflichtenden Nutzung dieser nachweislich nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen einhaltenden Wege festhält – und sich gar weigert, weitere Verkehrsschauen abzuhalten, habe ich es mir dann auch erspart, weitere ähnlich miserable Wege zu monieren. Wenn die KV KL vorsätzlich geltendes Recht nicht beachtet, darf jene im Gegenzug auch nicht erwarten, dass Radfahrer diese rechtswidrig benutzungspflichtig beschilderten und somit auch unsicheren Wege auch stets benutzen!
Ein gut gemeinter Leitfaden
Im sage und schreibe 365 Seiten umfassenden „Leitfaden Alltagsradverkehr“ wird die grundsätzliche Problematik deutlich: der regelrechte Drang, Radverkehr vor allem außerorts auf seine eigenen Wege einzupferchen! Um diesen Leitfaden hier zwecks einer inhaltlichen Kritik vollständig zu analysieren, fehlt mir gegenwärtig schlicht die Zeit – und die Lust. 😉
Ich mag jedoch die Arbeit und das Engagement des Kreises noch nicht einmal pauschal verdammen – im Gegenteil; ist es doch erst einmal erfreulich, wenn eine Kreisverwaltung das Thema Radverkehr überhaupt irgendwie wahrnimmt und sich auch Gedanken dazu macht. Allerdings zeigen die „Handlungsvorschläge“ nahezu ausnahmslos ein Ziel auf: Den Radfahrer wenn möglich vom öffentlichen Straßennetz zu verbannen, und ihn auf benutzungspflichtige Sonderwege zu zwingen; dies vor allem außerorts. Innerorts regt man fast bei jeder Ortsdurchfahrt die Prüfung von „Schutzstreifen“ an, an manchen Stellen möchte man sogar auch außerorts mit diesen Orwell’schen „Schutzstreifen“ herumexperimentieren. Dass ich von diesen Streifen überhaupt nix halte, dürfte ja nach dem Lesen einiger meiner Alltagserlebnisse bekannt sein. 😉
Immerhin ist in diesem Leitfaden auch nicht alles schlecht, so werden regelm. auch Geschwindigkeitsreduzierungen angeregt. Bei manchen Sonderwegen innerorts (z. B. in der Mühlstraße in Miesau, S. 46) wird selbstkritisch die Frage aufgeworfen, ob die Beschilderung mit nach dem „neuesten Urteil“ 😉 denn überhaupt noch zulässig sei.
Angebote, die man nicht ablehnen darf
Der Schwerpunkt des Leitfadens liegt jedenfalls auf der Bestandsaufnahme und den zahlreichen „Handlungsvorschlägen“ innerhalb der jeweiligen Verbandsgemeinden. Auf 263 teilweise bebilderten Seiten wird fast das gesamte Straßennetz des Kreises und seiner Verbandsgemeinden innerorts und außerorts analysiert; also vor allem Sachlage und Zustand beschrieben und „Handlungsvorschläge“ benannt.
Auffällig ist: Im Punkt „Sachlage / Zustand“ wird fast jedes Mal festgestellt, dass
kein Angebot für den Radverkehr
existiere. Greifen wir als Beispiel die B 48 mitten im einsamsten Pfälzerwald heraus (S. 116). Schon fast zwangsläufig resultiert daraus der Handlungsvorschlag:
aufgrund des DTV Wertes ist ein eigenständiger Radweg an der B 48 oder abseits erforderlich. Nur wenn ein Angebot für die Radfahrer geschaffen wird, kann eine verkehrssichere Führung sichergestellt werden => solange es kein Angebot gibt, wird diese Strecke als Lücke im Radverkehrsnetz erscheinen.
Tja, wo soll man da anfangen…? Es ist schon grundsätzlich nicht nachzuvollziehen, dass man hier den Eindruck erweckt, Radfahrer dürften das allgemeine Straßennetz gar nicht benutzen…! Ist das Netz aus Kreis-, Landes- und Bundesstraßen denn etwa kein; ja nicht DAS ultimative „Angebot“, auch mit dem Rad dort zu fahren…? Es bleibt einem doch eh meist nix anderes übrig! Warum blendet man vor allem grade diese Straßen nutzenden zahlreichen Renn- und Tourenfahrer aus, für die es nichts Selbstverständlicheres gibt, als das öffentliche Straßennetz auch mit dem Rad zu benutzen?
Warum behauptet man hingegen pauschal, die gegenwärtige „Führung“ sei „nicht verkehrssicher„? Welche „Führung“ überhaupt? Ich will als selbstbewusster Radfahrer nicht „geführt“ werden, sondern mir meine Wege selber aussuchen! Wieso zweifelt man mal eben unbegründet die Verkehrssicherheit an? Und wieso soll ein über eine öffentliche Straße führender Abschnitt eine „Lücke“ im „Radverkehrsnetz“ darstellen? Auf diesen Gedanken kann man doch nur kommen, wenn man wirklich die totale Separation, also das vollständige Trennen von motorisiertem und nicht-motorisiertem Verkehr anstrebt.
Der Leitfaden behauptet von sich ja lustigerweise, es ginge ihm um den Alltagsradverkehr – dabei zielt er meiner Ansicht nach gar nicht auf jenen ab; denn außerorts ist ein eigenständiges „Radverkehrsnetz“ primär immer NUR auf touristischen Verkehr ausgelegt! Der ernsthafte Alltagsradler nutzt einfach das existierende Straßennetz – diese Hürde hat er längst übersprungen. Und der große Rest wird ein eigenes „Radverkehrsnetz“ auch dann nicht nutzen, sondern in 95 % der Fälle einfach weiter mit dem bequemen Auto fahren! Auch Pedelecs zum Trotze – die als wesentlicher Grund (auf Seite 10) genannt werden, warum auch im topographisch anspruchsvolleren Kreis Kaiserslautern letztlich das Radverkehrsnetz auszuweiten sei!
Ein Solches „Radverkehrsnetz“ brauchen aber eigentlich grade nur jene Hobby-Radfahrer, die man auch mittels permanenter Suggestion durch vermeintlich unbedingt notwendige getrennte bauliche Infrastruktur systematisch verängstigt! Selbsterfüllende Prophezeiung nennt man so etwas.
Es ist selbst in Regionen mit einer vorbildlichen Radverkehrsinfrastruktur eben nicht der Fall, dass alle bei Alltagsfahrten plötzlich vom Auto auf das Rad umsteigen; man sehe sich dazu bspw. nur den überwiegend auf der ehemaligen Bliestalbahn verlaufenden Glan-Blies-Weg bei Blieskastel an. Dort fallen mir bei meinen Touren so gut wie nie Radfahrer auf, die zumindest äußerlich den Eindruck machen, sie kämen grade aus Gersheim, Blieskastel oder Homburg, weil sie dort eingekauft oder andere Dinge erledigt hätten!
Und speziell was die B 48 betrifft (in ihrem Verlauf zwischen Hochspeyer und Rinnthal eine der einsamsten Straßen Deutschlands!): Dort wäre der Bau eines straßenbegleitenden Radwegs schlicht rausgeschmissenes Geld. Denn dort wohnt einfach so gut wie niemand, der das Rad als Alltagsverkehrsmittel nutzen könnte!
Bekräftigung der Verkehrsmittel-Apartheid außerorts
Außerorts wird an wirklich fast jeder Straße selbst aufgrund meist eher durchschnittlicher Verkehrszahlen primär ein „eigenständiges Radverkehrsangebot“ für erforderlich gehalten. Man beachte auch den Euphemismus „Radverkehrsangebot“ – denn sofern dort baulich etwas angelegt wird, wird es auch mit einer Sicherheit von 100 % mit in beiden Fahrtrichtungen beschildert werden. Es handelt sich also (wie bei der Mafia) um Angebote, die man nicht ablehnen darf. 😉
Der Kreis KL legt in seinem Leitfaden sogar (ohne nähere begründende Erläuterung) auf den Seiten 27 und 28 mal eben eigene Grenzwerte fest, wann „Schüler-“ (und davon getrennt) „Alltagsradverkehr“ auf der Fahrbahn noch „mitgeführt“ werden könne. Außerorts sollen also grade mal schon durchschnittlich 105 KFZ die Stunde (also in beide Fahrtrichtungen) ausreichend sein, um Sonderwege anzulegen und damit korrespondierende Fahrbahnverbote anzuordnen:
Ab einem DTV Wert über 2.500 KFZ/24 Stunden (Einzelentscheidungen können in Ausnahmefällen getroffen werden) ist eine Mitführung des Alltagsradverkehrs auf der Fahrbahn in der Regel nicht mehr vertretbar. Ein eigenständiges Radverkehrsangebot wird erforderlich.
Ausnahme: Absicherung des Radverkehrs durch ein Radverkehrsangebot oder einer Geschwindigkeitsbegrenzung einschließlich der Regelung, dass Radfahrer nur bei freier Gegenfahrbahn überholt werden dürfen.
Was die Feststellung soll, dass Radfahrer nur bei freier Gegenfahrbahn überholt werden dürften, ist mir nicht ganz klar – denn das beschreibt nichts anderes als die geltende Rechtslage und den Alltag auf Außerortstraßen! Auch die Geschwindigkeit ist in aller Regel kein Problem, da so gut wie kein Autofahrer auf einer unübersichtlichen Straße von hinten mit 100 km/h an einen Radfahrer herangeschossen kommt. 🙄
Die eigens festgelegten Grenzwerte liegen jedenfalls teils deutlich unter den Grenzwerten der ERA! Die im Leitfaden regelm. angegebene Kennzahl ist die „DTV„, die „durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke“. Zieht man allerdings die bekannten Diagramme der ERA (ERA 2010, S. 19) heran, verfehlen die allermeisten im Leitfaden problematisierten Abschnitte die (umgerechneten) Schwellenwerte, die die Anlage einer (verpflichtenden) Radverkehrsanlage empfehlen. Lediglich das (außerorts die Regel darstellende) Fehlen einer Geschwindigkeitsreduzierung auf mindestens lässt dann auch im Sinne der (in dieser Frage leider seeeeehr konservativen) ERA eine Trennung der Verkehrsarten empfehlenswert erscheinen.
Dabei bleibt jedoch auch die (die ERA herausgebende) Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen bislang den wissenschaftlichen Nachweis schuldig, warum das gesetzliche Geschwindigkeitslimit von auf Außerort-Straßen für Radfahrer grundsätzlich in einem besonderen Maße „gefährlich“ sein soll…? Denn meine persönliche langjährige Erfahrung, die Unfallstatistiken und auch regelm. Polizeiberichte stellen recht deutlich heraus, dass nur sehr wenige Radfahrer durch überhöhte Geschwindigkeit auf Straßen außerorts „übersehen“ – und in dieser Folge verletzt oder gar getötet werden.
Radwegebenutzungspflicht – wer hat’s erfunden…?
Um kurz Godwins Law genüge zu tun: Soweit war man schon einmal; damals war man aber noch deutlich ehrlicher; der ADFC NRW zitiert aus der Presseerklärung zur Einführung der RStVO zum 1. August 1934:
Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.
Wie schön, dass man heute politisch korrekt die Sorgen um die „Sicherheit“ der Radfahrer vorschieben kann, um jene zu verbannen und so dem „Kraftfahrer“ freie und sichere Bahn zu gewähren! 😉
„Handlungsvorschläge“ an der L 363
Widmen wir uns aber wieder dem Leitfaden und den konkreten Handlungsvorschlägen. Da würde es sich ja anbieten, nachzusehen, wie in diesem die von mir bemängelten Abschnitte im Queidersbachtal beurteilt werden!
Auf Seite 123 wird der von mir ausgiebig aufgrund seiner ungenügenden Wegbreiten kritisierte Weg an der L 363 zwischen Queidersbach und Bann sehr kurz abgehandelt. Das fehlende Schild für das Radweg-Ende wurde inzwischen ja aufgestellt, allerdings mit der „Nebenwirkung“ einer unklaren Vorfahrtsituation. Auch die kleinen werden nicht hinterfragt, nur die Furtmarkierung sei zu erneuern (ebenfalls geschehen).
Auf der folgenden Seite 124 ist der Abschnitt zw. Horbach und Linden an der Reihe. Auch hier wird das Fehlen der auf das Ende des Weges hinweisenden Schilder bemängelt. Das auch in meinem Beitrag festgestellte fehlende Z 240 am Friedhofsparkplatz von Linden wurde bemerkt. Man stellt auch hier grds. nicht infrage, dass ein benutzungspflichtiger „Radweg“ eigentlich nicht über einen Parkplatz verlaufen könne – sondern schlägt auf Seite 125 gar vor, eine Furt über den gesamten Parkplatz zu ziehen…! 🙄 Die Frage, ob der Radweg wegen des großen Abstands die Straße überhaupt begleitet, wird auch nicht aufgeworfen.
Interessant wird es bzgl. des Abschnitts Linden – Queidersbach (Seite 126)! Am nördlichen Abschnitt zwischen Grünabfallsammelstelle und südlichem Ortseingang werden die Hinweisschilder auf das Ende des Radwegs eingefordert! Jedoch hat man wie in meinem Beitrag erkennbar keine solchen Schilder aufgestellt, sondern gar ein weiteres in Richtung des eigenständigen Weges Richtung Linden (s. u.)! Offenbar ist man sich hier selber nicht sicher, ob der (benutzungspflichtige) Radweg denn hier nun endet oder nicht? Mal davon abgesehen, dass ein derartig kurzer Stummel sowieso den Stetigkeitsgrundsatz verletzt!
Auf den Seiten 127 und 128 geht es dann um den teilweise eigenständigen Abschnitt, der zudem auch an der Abzweigung zur Grünabfallsammelstelle noch parallel weiter in Richtung L 472 führt! Das wird dort auch so selbst festgestellt („abseits der Landesstraße„). Eine gem. VwV eigentlich nötige Querungshilfe an der L 363 wird dagegen nicht gefordert. Auch die mangelhafte Wegbreite spielt keine Rolle.
Jedenfalls: Vielen Dank, dass der Leitfaden hier relativ klar feststellt, dass der Abschnitt zwischen Grünabfallsammelstelle und Querung der L 363 vor Linden nicht benutzungspflichtig ist! 😎
Und sonst?
Besonders gespannt war ich darauf, wie der Leitfaden eigentlich das Problem beschreibt, mit dem Rad legal und schnell aus Richtung Ramstein-Miesenbach über die L 363 nach Landstuhl (L 395) zu kommen. Tja, ich suchte im Leitfaden vergeblich danach. Inzwischen habe ich mich hier mit dieser aberwitzigen „Radverkehrsführverirrung“ etwas näher befasst.