Ich hatte mich sehr gefreut, dass mich die Strafrechtlerin Jessica Hamed in ihren e-mail-Verteiler aufgenommen hatte und ich daher sehr früh von den neuesten Entwicklungen zu den von ihr geführten Corona-Verfahren erfuhr. Sie hat nun aufgrund der Tatsache, dass die bayerische Landesregierung über gar keine Behördenakte zu den ganzen „Corona-Maßnahmen“ verfügt, beim Gericht beantragt, u. a. den Ministerpräsidenten Söder als Zeugen vorzuladen. Da andere (Nicht-Mainstream-)Medien – unter anderem der äußerst empfehlenswerte Journalist Markus Langemann – das Thema inzwischen bereits aufgegriffen haben, ergibt es eigentlich nur noch relativ wenig Sinn, dazu selber noch etwas zu schreiben. Ich habe wohl deshalb nicht umgehend besonders empört reagiert, weil ich gerade auch durch meine Erfahrungen im radverkehrspolitischen Bereich von den Verwaltungen eigentlich ausnahmslos eines Rechtsstaates unwürdiges Verhalten gewohnt bin.
Ich will das Thema Radverkehr hier im Blog trotz Corona ja nicht völlig vernachlässigen – und wenn sich schon die Gelegenheit ergibt, beide Themen miteinander zu verknüpfen, diese dann auch nutzen. Um meinen inzwischen wohl zahlreicheren Corona-Stammgästen zu zeigen, was ich sonst so mache. 😉 Quasi ein „Worst of“ meiner Erlebnisse speziell, was die Aktenführung und Begründungen von Behörden betrift, wenn sie belastende Verwaltungsakte (wie z. B. Fahrbahn- oder Verkehrsverbote) für Radfahrer erlassen – und somit auch deren Grundrechte einschränken.
Ganz aktuell kann ich beispielsweise auf jene Erfahrung verweisen, die ich gerade gestern erst mit deinem Mitarbeiter der Verbandsgemeindeverwaltung Dahner Felsenland machen musste. Ohne sich die von mir verlinkten Beiträge zur Widmung des neuen „Radwegs“ im Wallhalbtal überhaupt angesehen zu haben – mit denen ich ihm zu verstehen zu geben wollte, dass man hier beabsichtigt, mal wieder aus purer Gewohnheit gegen das LStrG zu verstoßen und ggf. einen Subventionsbetrug nach § 264 StGB zu begehen, erhielt ich eine vor Arroganz und Ignoranz förmlich triefende Antwort, wonach man die Konversation jetzt für beendet betrachte. Naja, dann kriegt er (bzw. sein Chef, der Verbandsgemeindebürgermeister) halt Post von der Staatsanwaltschaft.
Verklag uns doch!
Speziell zum Thema Akteneinsicht machte ich meine ersten Erfahrungen zum (für mich mit Abstand wichtigsten) Thema Sperrung der B 10 für den Radverkehr; auch hier musste ich bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz meinen Antrag auf Akteneinsicht nach § 29 VwVfG erst mehrfach wiederholen, bis man mich endlich in die ursprünglich (also bevor ich meine Einwendungen erhob) extrem dünne „Akte“ schauen ließ. Es war und ist ein schlechter Scherz, mit was für einer „Begründung“ man damals Radfahrer von der Nutzung dieser verkehrlich extrem wichtigen Bundesstraße ausschloss. In all den Jahren wurde diese Entscheidung auch niemals neu überprüft. Was leider auch daran liegt, dass sich eben außer mir in über 20 Jahren absolut niemand dagegen gewehrt hatte.
Gerade Straßenverkehrsbehörden agieren nach meinen Erfahrungen in aller Regel in einem quasi rechtsfreien Raum – denn es gibt generell nur sehr wenige Menschen, die sich rechtlich (oder politisch) gegen Regelungen durch Verkehrszeichen wehren. Dementsprechend entwickelt sich in diesen Behörden meist eine völlig abgehobene Selbstverständlichkeit, die Freiheit von Bürgern willkürlich einzuschränken – und sich die lästige Arbeit, dies rechtlich stichhaltig zu begründen, einfach zu sparen. Die Behörden wissen ja, dass sie damit in 99 % der Fälle durchkommen; man ist sich auch sicher, dass man letzten Endes auch Rückendeckung von den Landes- und Bundesministerien erhält. Und speziell bei mir wissen sie auch noch, dass mich vor allem das enorme Kostenrisiko bislang vom Klageweg (erfolgreich) abhält. Diese kafkaesken Zustände werden natürlich auch noch durch die alles andere als seltene, totale fachliche Inkompetenz des Personals begünstigt – denn die Beamten machen „die Sache mit den Verkehrszeichen“ oftmals nur „nebenbei“.
Dieselbe Kreisverwaltung verweigerte mir darüber hinaus vollkommen willkürlich über ein halbes Jahr lang eine weitere, beantragte Akteneinsicht in die Anordnungen zu diversen, als benutzungspflichtig ausgewiesenen, mehr oder weniger straßenbegleitenden Radwegen. Der Grund hierfür war, dass man für einen Teil der Verkehrszeichen überhaupt keine Anordnungen (mehr) finden konnte. Obwohl derartige Verkehrszeichen somit (nicht nur nach meiner bescheidenen Meinung) Scheinverwaltungsakte sind, lässt diese Behörde jene seit Jahren einfach völlig unbeeindruckt in der Landschaft herumstehen. Und die „Anordnungen„, die man noch auftreiben konnte, waren im Grunde gar keine, weil die Behörde einfach nur Beschilderungspläne des Straßenbaulastträgers (des LBM) abstempelte und überhaupt kein Ermessen, vor allem in Form einer Abwägung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips, ausübte. Man übermittelte mir die Dokumente auch erst nach mehreren Beschwerden beim LfDI. Und selbst heute muss ich quasi jedes Mal erneut dessen Dienste in Anspruch nehmen, wenn ich irgendetwas wissen möchte. Die Kreisverwaltung nimmt mir dies auch persönlich sehr übel, dass ich deren Saustall offenlege. Zuletzt zeigte man sich auch erneut von meinem Verweis auf die Verwaltungsvorschriften zur StVO, dass jene Behörde alle Radwege alle zwei Jahre von Amts wegen zu überprüfen habe, ziemlich unbeeindruckt. Da ich ja bestimmte Radwege nicht explizit bemängelt hätte, hätten sie jene halt auch nicht überprüft. Ich soll sie also zum Jagen tragen bzw. weiterhin deren Arbeit erledigen?
Auch das Verhalten der Stadtverwaltung Pirmasens – meiner Heimatstadt – kann man nicht wirklich als „konstruktiv“ oder rechtsstaatlich bezeichnen. Auch hier musste ich erst – nach mehreren ignorierten Anfragen – den LfDI einschalten, ehe man mir einen Termin für eine Akteneinsicht gewährte. Der Grund, warum man die Sache so lange hinauszögerte, war auch hier, dass man trotz langer Suche für quasi Nichts eine Akte (bzw. einen relevanten Inhalt daraus) vorweisen konnte. Aber auch hier lässt man weiterhin völlig unbeeindruckt über 30 Jahre alte Verkehrszeichen ohne jede rechtliche Begründung im öffentlichen Verkehrsraum herumstehen. Was soll schon groß schiefgehen? Und begründet das allen Ernstes auch noch damit, dass man derartige Akten (zu Verwaltungsakten mit Dauerwirkung) halt nach 10 Jahren einfach vernichtet!
Besonders beispielhaft für die „Arroganz“ bzw. auch die „Dünnhäutigkeit der Macht“ war das legendäre Gespräch, welches ich im Januar mit der Pirmasenser Stadtspitze führte. Dabei offenbarte insbesondere der ehemalige Leiter der Straßenverkehrsbehörde ganz ungeniert, wie er sich ein demokratisch-rechtsstaatliches Handeln vorstellt: Die Behörde entscheidet einfach irgendetwas – und der Bürger habe das so zu akzeptieren! Wenn jener Bürger sich dann aber erdreistet, nach einer haltbaren Begründung und der Rechtsgrundlage zu fragen, nach der man hier seine Freiheit eigentlich einschränke, wird ungehalten und aggressiv reagiert. Nach dem Motto: „Was erlaubt sich dieser einfache Bürger da überhaupt?“ Tja, so reagieren Menschen halt, wenn sie sich Jahrzehnte daran gewöhnt haben, schlampig zu arbeiten und die Rechte der Bürger willkürlich einzuschränken – und da einer kommt, der das nicht mehr für akzeptabel hält. In dieser Stadt herrscht z. B. auch in Sachen Falschparken die totale Anarchie – die auch noch vom Innenministerium mittels fadenscheinigster Begründungen unterstützt wird.
In der Nachbarstadt Zweibrücken ist es auch nicht besser. Dort hatte man mir (erneut erst nach einer Beschwerde, dieses Mal bei der Bürgerbeauftragten) zwar dann doch einen Termin für eine persönliche Akteneinsicht gewährt. Allerdings knallte man man mir hier ca. 20 Ordner auf einen Tisch und ließ mich dann nach dem Motto „Viel Glück bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen!“ damit allein. Ich fand natürlich keine Anordnungen. Die auch sonst im rechtsfreien Raum agierende Behörde fand ebenfalls nichts; lässt aber trotzdem einfach überall eindeutig rechtswidrige Verkehrszeichen im öffentlichen Verkehrsraum herumstehen. Und das Schlimme dabei: Man lädt mich ein, um die Beschilderung eines m. E. gemeingefährlichen Kreisels zu besprechen – und knallt mir dann einige Zeit später (auch erst nach wiederholten Nachfragen) einfach eine e-mail vor den Latz, wonach man – ohne jede rechtliche Begründung (vor allem in Form einer dokumentierten Ermessensausübung) – den Kreisel so beschildern werde, wie in der Planung vorgesehen.
Ganz schlimm ist es mit dem LBM Rheinland-Pfalz. Dieser ignoriert so ziemlich jede Anfrage, die man an ihn stellt; auch in Form formeller Anträge nach dem LTranspG. Auch wenn man sich mehrfach über den LfDI beschwert, verweigert einem der LBM so ziemlich jede begehrte Information. Im Gegenteil – er versucht sogar, kritische Nachfragen mit der Androhung astronomisch hoher Gebühren abzuschrecken.
Fazit
Und das hier ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt dessen, was ich in den letzten drei Jahren alles an Absurditäten mit den unterschiedlichsten Verwaltungen erlebt habe. Vermutlich werde ich – wenn sich irgendwann mal ein Verlag melden sollte – dazu ein Buch schreiben. Ich habe jedenfalls gelernt, dass Behörden sich einen feuchten Dreck darum scheren, nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu handeln – wenn da keiner ist, der ihnen hin und wieder auf die Finger schaut bzw. klopft. Und in den meisten Fällen ist da halt keiner; die Sperrung der B 10 trotz fehlenden Winterdienstes auf den „Radwegen“ haben alle Radfahrer in der Region über 20 Jahre lang ohne Murren akzeptiert.
Genau deshalb schockiert es mich nicht, dass die Begründungen für die massiven Freiheitseinschränkungen (mit Sicherheit nicht nur) in Bayern in keinster Weise in Form einer ordentlichen, behördlichen Akte dokumentiert sind. Man stumpft halt ab mit der Zeit; die Exekutive hat nun seit März die totale, absolute Narrenfreiheit. Die größere Schande ist es eigentlich, dass die Gerichte diese Luftnummern seit rund einem halben Jahr dulden. Man muss sich das mal überlegen: Da werden in einem nie dagewesenen Ausmaß die Grundrechte von 83 Millionen Menschen eingeschränkt – und die bayrische Regierung hat dazu NULL Belege in Form einer ordentlichen Aktenführung! Vermutlich war das auch im März im Kreis Südwestpfalz der Fall, als die Landrätin durchdrehte und eine (klar rechtswidrige, vermutlich auch strafrechtlich relevante) Ausgangssperre erließ.
Meine persönliche Akten-Einsicht lautet nicht erst seit Corona: Wir leben hier auf mehreren Ebenen in einem totalen Unrechtsstaat, der auch noch von einer politischen Justiz flankiert wird.
„Meine persönliche Akten-Einsicht lautet nicht erst seit Corona: Wir leben hier auf mehreren Ebenen in einem totalen Unrechtsstaat, der auch noch von einer politischen Justiz flankiert wird.“
Dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen. Als in meiner ersten Angelegenheit am Landgericht KA (Sachbeschädigung/Schadenersatz) Recht gesprochen wurde und Gerechtigkeit hergestellt wurde, schubladierte ich die an Amtsgerichten zuvor erfahrene Willkür und das unwürdige Gebaren der Richter in Verhandlung sowie dessen Urteil als Problem der untersten Gerichtbarkeitsebene ein, welches in Berufung korrigiert wird.
Leider blieb es das einzig gerechte Urteil. Mitunter wurde ich zu problematischen Vergleichen genötigt (SG KA/LG KO).
Die Beobachtung der GEZ/Beitragsservice-Szene und deren Urteile sowie eine eigens zur Klage gebrachte Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht und dessen negatives Urteil am VG KA brachten die politisch motivierte Argumentation und Lenkung diese Judikationssparte zutage. Es liegt viel im Argen hierzulande, da hilft auch nicht der als Trost gedachte Hinweis der unfähigen Politiker und Zeitgenossen, guck mal nach „irgendeinland“, dort ist’s viel schlimmer!
„gar keine Behördenakte“
Wie wir es vom Gesocks kennen, Radwege, immer wieder Radwege.