Coronoia: Great-Reset-Sozialismus?

Gestern hab ich mich mal wieder aufgeregt. Über einen saudummen Tweet, den ich nicht einmal mit einem Link beehren will. Ausnahmsweise war es nicht ein Zeuge Coronas, sondern ein Zeuge Hayeks. Auch in den „Drunter-Kommentaren“ lebten die Freunde des ungezügelten, freien Marktes mal wieder ihren abstrusen Hass gegen alles Staatliche aus. Herhalten musste unter anderem Oskar Lafontaine, der im Rahmen einer widerwärtigen Medienkampagne im Jahr 1999 als Finanzminister zurücktrat. Weil die SPD unter Schröder schon direkt nach dem Abtritt Helmut Kohls die ersten Anzeichen dafür erkennen lies, dass sie – was die Folgejahre dann nicht nur mit dem Jugoslawien-Krieg, sondern auch der Agenda 2010 bewiesen hatten – zu Gunsten der Reichen und Mächtigen umkippen und ihre Wähler verraten würde.

Da wurde also dem Oskar selbst über 20 Jahre nach diesem medialen Putsch wieder vorgeworfen, er würde „Wasser predigen und Wein trinken.“ Das ist so dermaßen falsch, dass ich einfach fassungslos bin, wie effektiv mediales, ideologisch untermaltes Framing eben wirkt. Es hat was von Orwells berühmtem Zitat, wonach man eine Lüge nur lange genug wiederholen müsse, ehe sie zur Wahrheit werde. Albrecht Müller, Gründer der Nachdenkseiten und Autor des mich damals endgültig politisiert habenden Buches „Die Reformlüge“, hatte dieses Beispiel unzählige Male angesprochen. Lafontaine trat zurück, weil er sah, dass Schröder und dessen Entourage sich nicht an die Abmachungen im Wahlkampf gehalten hatten, er täglich medial geteert und gefedert – und von seinen Parteigenossen letzten Endes verraten wurde. Schröder, der sich in den Folgejahren als „Genosse der Bosse“ entpuppte, hat uns letzten Endes dann auch Frau Merkel beschert. Das sollte niemals vergessen werden, denn ohne die „Agenda 2010“ wäre die SPD nicht – nach einer noch dazu fingierten „Vertrauensfrage“ – im Jahr 2005 vorzeitig abgewählt worden.

Wie dem auch sei; Lafontaine hat während seiner Zeit als SPD-Finanzminister – wie auch in den Folgejahren in der Partei „Die Linke“ – niemals Wasser, also Verzicht gepredigt. Nie! Wasser gepredigt hatte Schröder. Damals wurde „die Globalisierung“ in einem ähnlich apokalyptischen Ausmaß durch die Massenmedien getrieben, wie heute ein vermeintlich tödliches Virus. Tagtäglich wurden die Menschen malträtiert mit Schreckensmeldungen, dass Deutschland kurz vor dem Niedergang stünde. Dass jeden Tag Firmen und mit ihnen Tausende von Arbeitsplätzen nach Ostasien und Afrika abwandern würden. Und nur, wenn die Menschen den Gürtel enger schnallen würden, auf Löhne, auf Sozialleistungen, Rechte, Renten, Gesundheitsleistungen etc. verzichten würden, man eine Chance auf eine halbwegs gute Zukunft hätte. Schröder hatte also der großen Mehrheit Wasser gepredigt, während er nachweislich Wein gesoffen hat. Und dann liest man eben Tweets wie diesen, in dem unter Verweis auf die „Villa“ Lafontaines behauptet wird, er hätte Wasser gepredigt. Wenn Lafontaine überhaupt etwas gepredigt hatte, dann, die Macht derer zu begrenzen, die gerade einen globalen Putsch durchziehen – und ihnen den Champagner wegzunehmen! Deshalb hatte man ihn damals als „gefährlichsten Mann Europas“ gebrandmarkt.

Und dann war da noch ein Tag vorher ein Tweet zum Thema „Verstaatlichung„. Ein unwichtiger, mir bislang nicht bekannter Linken-Politiker sprach sich dafür aus, die Impfstoff-Produktion quasi zu „verstaatlichen“. Meine Meinung zur Impfung spielt in diesem Zusammenhang auch keine Rolle. Dies führte dazu, dass erneut die Freunde des freien Marktes aufheulten. Dass der Staat ja nix könne, er dies ja gerade derzeit beweisen würde. Wow. Das ist einfach unfassbar. Da wurden hunderte von Millionen bis mehrere Milliarden Steuergelder auch aus den unterschiedlichsten öffentlichen Kassen entnommen, um die Entwicklung von „Impfstoffen“ zu fördern. Und jene privaten Unternehmen von der Haftung für jegliche Art von Nebenwirkungen befreit. Gleichzeitig wurde die Abnahme von hunderten Millionen Impfdosen garantiert. Was, bitteschön, hat das mit „Marktwirtschaft“ zu tun? Warum soll dann die Forderung, diese „Unternehmen“ – die ohne die öffentlichen Gelder weder einen „Impfstoff“ entwickelt, noch einen zu „verkaufen“ hätten – unter öffentliche Kontrolle zu bringen, verwerflich sein? Das, was hier gegenwärtig geschieht, ist nicht Sozialismus, sondern Korporatismus nach friedman’scher Art. Die Zeche wird so oder so der normale Bürger begleichen, sei es finanziell, materiell oder durch den Verlust von rechtlichen Freiheiten. Damit u. a. einige wenige mit ihrer bislang unauffälligen Bio-Tech-Klitsche über Nacht zu Milliardären werden? Achja, „Sputnik V“ ist übrigens auch ein „staatliches“ Produkt.

Solche Meinungsäußerungen machen mich noch hoffnungsloser als der inzwischen übliche Hass der Zeugen Coronas. Denn diese Menschen hinterfragen das, was uns überhaupt erst in diese gegenwärtige Lage gebracht hat, in keinster Weise. Genauso wenig, wie sie es während der „Bankenkrise“ 2007 / 2008 hinterfragt haben. Sie glauben immer noch an die Mär vom endlosen Wachstum, von den segensreichen Wirkungen eines unreglementierten, grenzenlosen Wirtschaftssystems, das Menschen frisst, um Gold zu scheißen. Und dessen Stoffwechselendprodukte in Nugget-Form sich nur einige wenige unter den Nagel reißen. Und diese Wenigen sind es auch, die in Wahrheit regieren; sie bestimmen, was die Marionetten, die von uns in irgendwelche „Regierungen“ „gewählt“ werden, letztendlich tun. Es sind nicht die Staaten, die aus „staatlichen“ Gründen diese „Maßnahmen“ durchdrücken. Sie sind – wie eh und je im neoliberalen, korporatistischen Nachtwächterstaat – der Mittel zum Zweck. Gekaufte Marionetten handeln im Interesse von Milliardären. Die nur deshalb so eine gewaltige finanzielle Macht erlangen konnten, weil die Staaten es ihnen überhaupt erst erlaubt haben. Dass viele der gigantischen Tech-Konzerne bspw. keine oder kaum Steuern zahlen, wird immer als unabwendbares Schicksal dargestellt. Was es gar nicht ist.

Jedenfalls könnte ich auch jedes Mal mit dem Kopf die Tischplatte zertrümmern, wenn ich dann noch lese, dass es sehr viele Menschen gibt, die die Great-Reset-Pläne in der Weise deuten, hier werde – ohne jeden Widerstand der sonst wegen 0,2 % höherer „Lohnnebenkosten“ den Untergang des Landes an die Wand malenden Wirtschaftslobby – quasi der „Sozialismus“ oder gar der „Kommunismus“ eingeführt. Ich weiß nicht, welche Vorstellungen diese Menschen von diesen Begrifflichkeiten haben? Sie haben aber definitiv nichts mit dem zu tun, was in den selbstverständlich extrem aufgehübschten Prospekten (wie jenen von Klaus Schwab) angekündigt wird. Die Zukunft wird aussehen, wie sie auch in vielen dystopischen Romanen und Filmen gezeichnet wird: Man wird es sich einfach sparen, den Menschen weiterhin vorzugaukeln, dass es die („gewählten“, siehe auch den Wahlbetrug in den USA) Regierungen von Staaten wären, die die Herrschaft inne hätten. In Nevada läuft gerade ein Pilotprojekt zur totalen Privatisierung.

Das kapitalistische System ist aus systeminhärenten Gründen – grenzenloses, exponentielles Wachstum – am Ende. Es implodiert seit Jahren leise vor sich hin (siehe u. a. die Nullzinsen) – und wird, vom von vielen „Liberalen“ verhassten Staat – gerade noch so durch permanente Enteignung der Massen und durch ungehemmtes Drucken von (überwiegend virtuellem) Geld am Leben gehalten. Die kapitalistischen Eliten haben das erkannt. Und deshalb haben sie nach einer Möglichkeit gesucht, diesen Zusammenbruch kontrolliert vonstatten gehen zu lassen. Man möchte sich nicht mehr, wie damals mit Syriza in Griechenland nach der „Bankenkrise“ mit einer starken, linken Alternative abmühen müssen. Es dauerte ewig, bis man diese mittels brutaler Austeritätsmaßnahmen niedergerungen – und zum finalen Verrat durch A. Tsipras gebracht hatte. Man müsste den Strategen fast schon Respekt dafür zollen, dass sie es dieses Mal geschafft haben, einen Großteil der dümmeren Pseudo-„Linken“ mittels der „Pandemie“, als auch einer einige Jahre zuvor ebenso künstlich inszenierten „Flüchtlingskrise“, einzulullen und auf ihre Seite zu ziehen. Es wird für diese Leute sicherlich ein grauenhaftes Erwachen geben.

Das, was uns erwartet, hat mit „Sozialismus“ oder „Kommunismus“ nicht das Geringste zu tun. Es wird eher in Richtung eines digitalen Feudalismus / Korporatismus gehen. „Demokratisch“ oder „frei“ wird daran überhaupt nichts mehr sein. Und das hätte dem unternehmerischen Klein- und Mittelstand eigentlich nach Schröders „Sozialreformen“ auch irgendwann mal auffallen müssen. Aber nein, der kleine, sich selbst ausbeutende Krauter meinte, er müsse mit den neoliberalen Wölfen heulen. Und selbst derzeit lässt er sich ohne jeden Widerstand ausbluten. Dabei ist genau er eines der Hauptziele in diesem dritten Weltkrieg. Wer selber ein System grenzenlosen „Wettbewerbs“ einfordert, wird dann eben irgendwann von den Großen gefressen.


Siehe auch

  • Lockdown forever – oder wendet sich das Blatt? | Von Ernst Wolff | KenFM.
  • Corona-Sozialismus | Rationalgalerie.
  • Der Great Reset ist keine Planwirtschaft, sondern Raubtierkapitalismus | tkp.at.

14 Gedanken zu „Coronoia: Great-Reset-Sozialismus?“

  1. Sehr gut auf den Punkt gebracht!

    „hier werde […] quasi der Sozialismus oder gar der Kommunismus eingeführt.“

    Naja, sie gehen letztlich den blumigen Worten von Klaus Schwab auf den Leim. Wer sein Buch nicht zwischen den Zeilen liest, wird die Dystopie nicht erkennen. Dennoch ein toller Trick, denn so hat man die vermeintlich „Linken“ gleich mit eingeseift. Klappt bei der „Solidarität“ ja auch bis heute. Als wenn Milliardäre und Superreiche sich jemals um die Interessen des Volkes gekümmert hätten. Da geht es seit Jahrhunderten primär um Besitzstandswahrung und -Vermehrung.

        1. Bei Eigentum fängt der Reichtum an.
          Das ist doch wohl ganz klar.
          Jeder, der ohne Arbeit sein Auskommen hat ist m.E. Reich.
          Hartz IV ler mal abgesehen
          Superreiche sind all diejenigen, denen nicht mehr bewußt ist, wen sie alle auf dem gewissen haben
          So ab 10 Mioś und mehr. ohne Immobillien natürlich..
          Wenn genug Leute bereit sind. werden wir die Reichen aus den Villen treiben.
          Ich habe eine Liste, die ständig aktualisiert wird.

          1. Schön, ich freu mich schon, mal mit deinem(?) GTI demnächst eine Spritztour zu machen. Ich lohnarbeite auch schon seit geraumer Zeit nicht mehr – als „reich“ würde ich mich deshalb nicht bezeichnen. Von daher krankt dein Modell schon an den Grundannahmen.

            Zu deinen „Superreichen“: Das sind doch in der Preisklasse nur vergleichsweise kleine Ganoven, die nix zu sagen haben. Und nochmal: Wie genau willst du die „beseitigen“?

    1. Die Chicago-Boys hatten Pinochet und Chile ja auch eine rosarote Zukunft prognostiziert. Das hatte dann aber anschließend irgendwie mit der Realität nicht wirklich viel zu tun. Aber wie leichtgläubig die Massen sind, kriegen wir ja gerade auf eine besonders brutale Weise vor Augen geführt.

      Da geht es seit Jahrhunderten primär um Besitzstandswahrung und -Vermehrung.

      Vor allem basierend auf der Bewirtschaftung des humanoiden Nutzviehs.

  2. „Gestern habe ich mich mal wieder aufgeregt“.
    Ach Dennis, gib’s doch zu, Du warst das Vorbild für’s HB-Männchen :-).
    Im Ernst, ich liebe Deine Wutausbrüche…vor allem, weil ich meistens genauso denke und empfinde.
    Kennst Du eigentlich „Die Wutprobe“ ?

  3. Hallo Dennis,

    meine volle Zustimmung.
    Du bist im Westen aufgewachsen, ich im Osten.
    Wir beide haben von dieser Situation, zwei sich
    gegenüberstehenden Gesellschaftsordnungen, profitiert.
    Du vielleicht ein bisschen mehr. Die westlichen
    Regierenden wollten ihre Überlegenheit gegenüber
    dem System Sozialismus zeigen. Das ist ihnen auch
    sehr gut gelungen. Aber mit dem Anschluss der DDR
    an das Wirtschaftssystem der BRD sind alle Hemmungen
    gefallen. Und es ist nach den 30 Jahren dann zu dem
    gekommen, was wir gerade erleben.
    Meiner Meinung haben wir in der Phase zwischen Mauerfall
    und Wärungsunion eine historische Chance vertan um
    ein bessere Gesellschaft aufzubauen.
    Aber wie soll es weitergehen? Vor ein paar Jahren habe
    ich das Buch von Hermann Benjes „ Wer hat Angst vor Silvio
    Gesell?“ gelesen. Ich fand da sehr gute Lösungsansätze.
    Und noch was, auch wenn ich mich den Zorn einiger zuziehen
    werde, ich habe mich in der DDR freier gefühlt, und das
    aber schon vor Corona.

    1. Ich denke, die Chance einer besseren Gesellschaft hatten wir nur in den 70ern.
      Mit Reagen, Thatcher und Kohl kam, Anfang der 80er alleine durch die Steuerpolitik der Neoliberalismus auf und von da an war es zu spät.
      Die Entwicklung und die Ideen so wir es heute vorfinden kam mir ebenfalls Anfang der 80er von den Herrschaften erstmals zu Ohren.
      Das klingt jetzt vielleicht total blöd, weil ich normalerweise rein analytisch denke und mich erst später die Wut packt, aber als ich hörte, das „John Lennon“ einem Attentat zum Opfer gefallen war, ist für mich der Glaube an eine bessere Gesellschaft kaputtgegangen.
      Dabei hab ich den Typen nicht einmal besonders gemocht….

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