Blaue Beratungsresistenz

Schon vor längerer Zeit hatte ich meinem Wunsch, in dieser Bananenrepublik nur ein einziges Mal mit Profis zu arbeiten, in Form eines eigenen Beitrages Ausdruck verliehen. Ich sehe die Erfahrungen, die ich im Zuge meines radverkehrspolitischen Tuns sammle, inzwischen ja als weiteren Beleg dafür, dass in diesem Staat eben nicht nur auf den höheren Ebenen, wie im Zuge der Corona-Diktatur die nackte, eines Rechtsstaates unwürdige Willkür, als auch totale Ahnungslosigkeit regiert, sondern eben auch auf den unteren. Inzwischen weiß ich ja, dass den meisten Beamten in Straßenverkehrsbehörden jedes Basis-Wissen fehlt; vermutlich haben einige von denen noch nicht einmal eine Fahrerlaubnis. Trotzdem schaffen es einzelne Amtsträger immer noch, mich zu „überraschen“.

Im letzten Herbst wunderte ich mich während meiner Runden, warum die L 103 zwischen Altheim und Böckweiler (im Saarland) vollgesperrt war. Der Grund wurde mir erst neulich klar. Man hatte vom Ortsausgang Böckweiler aus ein ca. 240 m kurzes Gemeinsamer Geh- und Radweg-Stummelchen neben die Fahrbahn gebaut, um einen in Richtung Altheim führenden Feldweg anzubinden – welcher jedoch bis zum heutigen Tage wegen eines Verbot für Fahrzeuge aller Art auch für Radfahrer tabu ist. Wie es nicht nur in der Pfalz nicht anders sein kann und darf, wurde dieses verkehrlich vollkommen überflüssige Stummelchen natürlich konsequent bebläut; in beiden Richtungen. Und dies offenkundig ohne eine entsprechende Anordnung durch die zuständige Behörde.

Dokumentation

Wer über die (radwegfreie) Landesstraße 103 aus Richtung Altheim / Pinningen kommt, muss dann halt wegen dieser paar Meter Fuffzich die Fahrbahn verlassen.

Für landwirtschaftlichen Verkehr ist das Stummelchen eigentlich nicht freigegeben. Aber wen interessiert das auf dem Land denn schon?

Nach wenigen Metern endet die grandiose deutsche Radweg-Stummel-Baukunst schon wieder.

Na, wem fällt hier auf dem letzten Foto etwas auf? Genau. Schilder stehen gem. § 39 (2) S. 3 StVO bekanntlich rechts. Das heißt wohl, dass das Vorfahrt gewähren hier nur für die Fahrbahn gilt? Ist das nicht nett? Wo doch sonst die Radfahrer ständig kleine Vorfahrt gewähren vor die Nase gestellt kriegen, gar ergänzt durch äußerst kreative Zusatzzeichen. Sogar der § 10 S. 1 StVO würde dadurch aufgehoben. Egal, man sieht: Hier waren mal wieder vollkommen Ahnungslose am Werk.

Rechtsseitig wäre das Stummelchen ja in den meisten Fällen – sieht man von den Verschmutzungen, Spaziergängern und der unklaren Vorrang- / Vorfahrtregelung mal ab – noch nicht einmal so tragisch. Dass man aber nun bspw. als nicht fahrbahnophober Rennradfahrer wegen nicht einmal 250 Metern „Geh- und Radweg“ zwei Mal die Fahrbahn queren muss?

Und wo sind hier eigentlich die in der VwV zu § 2 StVO, Rn. 36 vorgeschriebenen „sicheren Querungsmöglichkeiten“ am Anfang und am Ende dieses linksseitigen Gemeinsamer Geh- und Radweg? Naja, egal. Man wird dann also für die folgenden Meterchen von den Schrecken der Fahrbahnnutzung bewahrt. Wie fein, dass der liebe Staat sich auch hier um unsere Sicher- und Gesundheit sorgt?

Dass wir eben jenen Feldweg anschließend gar nicht rechtssicher benutzen dürfen, ist ihm dann allerdings wieder scheißegal. Wie übrigens auch dem spazierenden Ehepaar, welches hier eine 50-Euro-Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Was das Vorfahrt gewähren hier bedeuten soll, hab ich auch noch nicht ganz herausgefunden, es soll wohl aussagen, dass der Feldweg Vorfahrt hat? Keine Ahnung.

Ahnungslose Behörde

Die Straßenverkehrsbehörde des Saarpfalz-Kreises interessiert sich für meine Eingaben in der letzten Zeit nur noch wenig bis gar nicht. Auch bei dieser Behörde wird – wenn man nicht unzählige Male nachhakt oder gar Fachaufsichtsbeschwerden beim Ministerium einreicht – einfach gar nix getan. Jedenfalls hatte ich am 28. Februar darum gebeten, man möge mir doch die verkehrsbehördliche Anordnung für diesen schlechten, blauen Scherz zusenden. Außerdem stellte ich die Frage, warum all meine Hinweise und Bitten, sich doch zukünftig an die relevanten Vorschriften zu halten, offenkundig nichts genutzt hatten? Dieser in die Wunde gesteckte Finger führte dann zur folgenden Reaktion:

Guten Tag Herr Schneble,

der Radweg an der L 103, der vom LfS neu gebaut und beschildert wurde, ist ein Projekt des Landesbetriebs. Wenden Sie sich deshalb bitte mit Ihrem Anliegen an die zuständige Stelle beim LfS, der Abteilung Sonderplanung mit deren Leiter Herr Hahn.

Will die Dame mich für dumm verkaufen? Es geht hier um Verkehrszeichen. Und für deren Anordnung ist nicht die Straßenbau-, sondern nach § 45 (3) S. 1 StVO allein die Straßenverkehrsbehörde zuständig. Und wenn es eine solche Anordnung nicht gibt, dann sind diese Dinger Scheinverwaltungsakte, die ohne jede Legitimation aufgestellt und daher umgehend aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen sind! Aber ja, ich weiß, dass man vor allem diesbezüglich in den Behörden große Probleme mit dem Verständnis simpelster Regelungen zu haben scheint.

Den nächsten Satz rahme ich mir vielleicht ein, der ist fast so schön wie der I-Stempel vom rheinland-pfälzischen MWVLW:

Ansonsten nehmen wir gerne Ihre Anregungen auf, möchten aber auch höflich darauf hinweisen, dass Sie uns nicht weisungsbefugt sind.

Ja, das ist wirklich bedauerlich. Wäre ich „weisungsbefugt“, würde ich in diesem rechtsstaatlichen Saustall, der sich im Bereich der Straßenverkehrs- und -baubehörden über die Jahrzehnte entwickelt hat, mal ordentlich aufräumen. Ich könnte wieder kotzen, wenn ich daran denke, wie ich in den drei Jahren an der Finanzbeamten-FH durch den Paragaphen-Wolf gedreht wurde. Aber dann ständig allerorten mit solch einer fachlichen Inkompetenz konfrontiert werde.

Nach meinem Kenntnisstand sind all Ihre Eingaben abgearbeitet. Sollte noch etwas unerledigt sein, so teilen Sie uns dies bitte mit.

Nein, sind sie nicht. Und ich sehe auch nicht ein, Behörden unzählige Male daran zu erinnern, ihre Arbeit zu erledigen. Wenn sie hingegen wollen, dass ihre „Radinfrastruktur“ rechtlich korrekt ausgewiesen und beschildert wird, dürfen sie gerne meine Dienste als Gutachter in Anspruch nehmen.

5 Gedanken zu „Blaue Beratungsresistenz“

  1. Behörden. Der linke Arm weiß nicht was der rechte Arm macht. Die Füße tanzen dabei. Es wird delegiert, abgewimmelt, beschwichtigt. Und das ständig mit einer drögen Überheblichkeit, die es in dieser Form vor allem in den Verwaltungen gibt.

    Du leistest die ganze Zeit schon deren Arbeit. Ehrenamtlich. Die sollten Dich auszeichnen oder freiberuflich beschäftigen. Stattdessen fühlen die Narzissten sich auf den Schlips getreten, weil man sie an ihre Fehler erinnert. Sehr erwachsen.

  2. Ansonsten nehmen wir gerne Ihre Anregungen auf, möchten aber auch höflich darauf hinweisen, dass Sie uns nicht weisungsbefugt sind.
    – Ja, das ist wirklich bedauerlich.

    Herrlich.
    Schon lange nicht mehr so gelacht.
    (Deutsch kann man auf diesem Amt anscheinend auch nicht. Müßte doch »uns gegenüber« heißen, oder?)

  3. Dein Bemühungen in Ehren aber all solche Dinge kümmern mich gar nicht, haben es nie, einfach weil ich seit meiner Einschulung weiß, dass dieses System einfach für’n Arsch ist.
    Wenn ich anfangen würde, mich über derartige Dinge aufzuregen müsste ich den ganzen Tag schreiend herumlaufen.

    1. weil ich seit meiner Einschulung weiß, dass dieses System einfach für’n Arsch ist.

      Schön; andere sind aber halt noch nicht soweit. Letztlich betrachte ich mich halt auch als Chronisten.

      Wenn ich anfangen würde, mich über derartige Dinge aufzuregen müsste ich den ganzen Tag schreiend herumlaufen.

      Als wenn man dafür – gerade derzeit – sowas wie blaue Schilder bräuchte. Gestern bspw. ein MTBer, der mir in einem Dorf mit komplettvermummtem Gesicht entgegenradelte; bei 8 Grad und Sonne. Aaaaargh!

  4. Ich betrachte derartige Überlegungen halt von der Grundsätzliche Frage heraus.
    Eine Gesellschaft die überall ständige Regularien braucht lehne ich ab.


    Anm. DS: Ja, das wissen wir hier jetzt glaube ich alle. 😉

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